Und ewig grüßt das Chamäleon

von Volkmar Wölk


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 169 - November 2017

Manfred Lauermann, die Linke und die Rechte

Falsch ist, dass es über 200 Arten von Chamäleons gibt. Ebenso trifft es nicht zu, dass sich diese in zwei Familien unterteilen: die Echten Chamäleons und die Stummelschwanzchamäleons. Nur als Fake-News kann die Behauptung charakterisiert werden, das Chamäleon sei in der Lage, sich durch mannigfaltige Farbveränderungen hervorragend der Umgebung anzupassen und sich so zu tarnen. Gleiches muss zu der Meinung gesagt werden, dieses Tier sei sogar in der Lage, seine Körperform zu variieren. Dieses Wissen darf als bekannt vorausgesetzt werden, wird allerdings von unverantwortlichen Menschen, denen es an jeglicher Fachkompetenz mangelt, bestritten.

Magazin der rechte rand Ausgabe 169

Vorstellung des Autors in der »Tumult« © Archiv »der rechte rand«

Manfred Lauermann ist kein Chamäleon. Natürlich nicht. Er ist vielmehr ein bekannter linker Wissenschaftler mit einer tadellosen Vita. Studium der Sozial-, Politik-, Geschichts- und Geisteswissenschaften in Hannover und Bremen. Von 1967 bis 1970 war er Aktivist des »Sozialistischen Deutschen Studentenbundes« (SDS), machte Betriebsarbeit bei VW und Siemens, schrieb seine Dissertation zu Hegels »Phänomenologie des Geistes«, war Mitglied der Partei der Arbeiterklasse, der »Deutschen Kommunistischen Partei« und natürlich der »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten« sowie des »Bundes Demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler« (BdWi).

Linker Akademiker
Beruflich gab es einige Stationen an Universitäten, zuletzt als Assistent am Lehrstuhl für Soziologie der »Technischen Universität Dresden« beim angesehenen Siegbert Rehberg. Zu wenig eigentlich für einen hervorragenden Wissenschaftler, der immerhin bei einem Disput darüber, »ob Hegel den Heiligen Augustinus und Franz von Assisi richtig verstanden hatte«, sich mit dem Kontrahenten »verschiedene Original-Zitate auf Lateinisch um die Ohren und die entsprechenden Hegel-Zitate auf Deutsch« zu hauen, im Stande ist. So schrieb es sein Freund Erhard Crome, ein habilitierter Politikwissenschaftler, der lange am »Institut für Gesellschaftsanalyse« der »Rosa-Luxemburg-Stiftung« tätig war. Dieser berichtet auch, dass Lauermann keineswegs ein Dogmatiker gewesen sei. Als Anfang der 1980er Jahre Peter Ruben unter Beschuss der Führung der »Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands« (SED) mit dem beliebten Vorwurf des »Revisionismus« stand, sei Lauermann aktiv geworden und habe bei der DKP-Führung mit dem Argument interveniert, man habe bereits genug Dissidenten aus der DDR in der BRD. Da müsse Ruben nicht noch hinzukommen. Ruben wurde aus der SED ausgeschlossen, behielt aber seine Stelle an der »Akademie der Wissenschaften«. Nach der »Wende« gab er die angesehene Zeitschrift »Berliner Debatte Initial« heraus, in der auch Lauermann schrieb. Schließlich war der eine Koryphäe seines Fachs, besser: seiner Fächer. Noch einmal Crome: »Er ist gewiss einer der besten Kenner Spinozas in Deutschland, aber auch von Carl Schmitt, Althusser und Luhmann, von Marx ohnehin.« Und er schrieb: »Es gibt nicht viele so kluge linke Intellektuelle in Deutschland.« Ähnlich Rainer Rilling, langjähriger Geschäftsführer des BdWi, der mitteilt, dass Lauermann »häufig an den Tagungen und Konferenzen zur Faschismusanalyse des BdWi in den 70er und 80er Jahren« auftrat, »Seine Interventionen waren neben jenen von Reinhard Opitz und Reinhard Kühnl die kompetentesten Beiträge.«

»Stasi 2.0«
Und der Wissenschaftler Rilling ergänzte seine Einschätzung über Lauermann: »Dass er gezielt langfristig rechte Projekte verfolgt hätte um Linke nach rechts zu portieren, ist völlig ausgeschlossen.« Natürlich ist das so. Behauptet hatte das auch niemand. Aber… Nach solchen Sätzen kommt immer ein »Aber…« Bis Mai 2017 war Lauermann Mitglied der »Historischen Kommission« beim Parteivorstand der Partei »Die Linke«. Er ist es nicht mehr. Denn, um einen weiteren Verteidiger Lauermanns zu zitieren: »Wenn man lange genug sucht, sieht man am Ende nur noch Nazis.« Ein Mitglied des Parteivorstandes hatte anlässlich der Neuberufung der Kommission »die Anklageposition gegen den Delinquenten Lauermann im Parteivorstand der Linken vertreten und zwar so lange, bis die Mehrheit einknickte.« Ohne Rückgrat, mit großer Mehrheit. Keine Frage, da kann nur »Stasi 2.0« im Spiel gewesen sein.

Autor in »Tumult«
Es ist die alte Geschichte vom »Yin«, zu dem zwangsläufig das »Yang« gehört, oder die von Janus, der ein doppeltes Gesicht hat. Oder eben die vom Chamäleon, das seine Farbe wechselt, wenn die Umgebung es erfordert. Die Geschichte des linken Wissenschaftlers Manfred Lauermann kann auch anders erzählt werden. Als die eines Menschen mit Entwicklungen, Brüchen, Schwächen und auch politisch-wissenschaftlichen Positionsveränderungen. Als eine Geschichte, die Fragen aufwirft, die nach Antworten verlangen. Antworten auf die Bedeutung der mehrfachen Autorenschaft in der Vierteljahreszeitschrift »Tumult« beispielsweise. Die lapidare Antwort »Ob ‹Tumult› eine rechte Zeitschrift ist, würde ich nach jetzigem Kenntnisstand bezweifeln« durch einen Sprecher der »Historischen Kommission« erscheint dürftig und lässt vor allem an dessen Kenntnisstand zweifeln.
Denn »Tumult«, das Blatt des alten situationistischen Linksradikalen Frank Böckelmann, der sich heute wegen der »Masseneinwanderung« sorgt, wurde zum Publikationsort auch für extrem Rechte gemacht (s. drr Nr. 162). Böckelmann ficht aktuell gemeinsam mit zahlreichen Akteuren dieses Spektrums um seine Vorstellung von Meinungsfreiheit. Dogmatisch war »Tumult« nie, im Gegenteil. Fleißig wurde gegen den Strich gebürstet, nach bestem Vermögen dekonstruiert. So auch von Manfred Lauermann. Sein Sujet: ein Doppelnachruf auf den geschichtsrevisionistischen Historiker Ernst Nolte und dessen marxistischen Kollegen Kurt Pätzold. Beide, so sein Urteil, seien Opfer der BRD-Gesellschaft aus dem gleichen Grund geworden, als Gegner der Totalitarismustheorie. Lauermann urteilt: »Die Berliner Republik wollte vor allem verhindern, dass Nolte als Antikommunist die Totalitarismustheorie immanent unterläuft, sie negierend.« Denn diese, so Lauermann unter Berufung ausgerechnet auf den Autoren des rechten Skandalbuches »Finis Germania«, Rolf Peter Sieferle, sei zur »Zivilreligion« geworden.
Inzwischen ist Lauermann fast so etwas wie ein Stammautor bei »Tumult«. Jenem Blatt, das inzwischen unter anderem starke personelle und inhaltliche Überschneidungen zum neu-rechten »Karolinger Verlag« aufweist. Dort hat er im Herbst eine deutsche Ausgabe der »Anatomie der Revolution« des US-amerikanischen Historikers Crane Brinton herausgegeben. Ebenso sind starke Verflechtungen der heutigen Zeitschrift »Tumult« mit dem ehemaligen Autoren- und Mitarbeiterstamm des neurechten Theorieorgans »Etappe« nicht zu übersehen. Für die »Etappe«, deren Mitherausgeber der Carl Schmitt-Experte der »Neuen Rechten«, Günter Maschke ist, verfasste Lauermann bereits im Jahr 2000 einen langen Beitrag über den Philosophen Baruch Spinoza.

»Collegium Humanum«
So neu scheinen also die Verbindungen Lauermanns zur »Neuen Rechten« gar nicht zu sein. Und keineswegs sind sie im Reich der »Fake News« zu verorten, wo sie zwei Sprecher der Historischen Kommission ansiedelten. Im Gegenteil. So wie er unbestreitbar seit einem halben Jahrhundert aktiv und oftmals anregend gewesen ist, so ist er seit mehr als einem Vierteljahrhundert aktiv innerhalb der extremen Rechten. Als Teil ihres Diskurses.
Ob im Februar 1989 bei der völkischen »Burschenschaft Danubia« in München zum Rahmenthema »Die Apo: Revolution und Happening« oder 1991 als Autor im rechten Debattenblatt »Criticón« mit einem Nachruf auf den radikalnationalistischen Theoretiker Bernard Willms, in dem er der Rechten die Adaption bestimmter Denker der Postmoderne zur Bereicherung ihres Diskurses empfahl. Der zweiseitige Beitrag kann nur als Huldigung für den Verstorbenen gelesen werden. Umrahmt von einem Artikel Armin Mohlers einerseits und einem von Alexander Gauland andererseits, präsentierte Lauermann sich als »Schmitt-Forscher von links« und Willms als ideologischen Modernisierer und – scharf an den Fakten vorbei – als ehemaligen Linken. Ob im März 1995 bei einem »Geopolitischen Symposium« im »Collegium Humanum« in Vlotho über Carl Schmitts Großraumtheorie dozierend, an seiner Seite Mitreferenten wie den kroatischen neu-rechten Tomislav Suni?. Oder im Dezember 2002 zum Thema »Der doppelte Abschied vom Bürgertum« beim Kolloquium des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) in Berlin. Als Autor neben der Crème de la Crème der europäischen »Neuen Rechten« in der Festschrift für Günter Maschke, den wohl wichtigsten Vertreter der linken Renegaten.
Für einen Linken ist das alles – gelinde gesagt – ein ungewöhnliches Umfeld. Mit Rechten reden? Für Manfred Lauermann ist die Antwort offenbar klar. Nicht nur mit ihnen reden, sondern auch bei ihnen reden und schreiben. Damit die notwendigen Anregungen von Außen in den sterilen Diskurs dieses politischen Spektrums bringend. Bis zu jenem Punkt, an dem man nicht mehr außen steht. Und ewig grüßt das Chamäleon…