Burgfrieden für die Bundestagswahl

von Andreas Speit
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 166 - Mai 2017

In rechten Medien wird der Verlauf und das Ergebnis des Bundesparteitags der »Alternative für Deutschland« begrüßt. Das neue Führungsduo Alexander Gauland und Alice Weidel findet Gefallen.

Antifaschistisches Magazin der rechte rand Ausgabe 166

Screenshot »Junge Freiheit«

»Ein Signal der Geschlossenheit«: In der aktuellen »Jungen Freiheit« (JF) feiert Chefredakteur Dieter Stein den vergangenen Parteitag der AfD. Mit Alexander Gauland und Alice Weidel an der Spitze hätte die Partei eine »personelle Lösung« rechtzeitig vor der Bundestagswahl und zwei Landtagswahlen gefunden. Die Bundesführung signalisiere, es werde jetzt »auf Kooperation statt auf Konfrontation« gesetzt, schreibt Stein am 28. April auf der Titelseite. Eine Hoffnung, die rechte Medien breit teilen. Ein Nachtreten wird vermieden, ein Streit ist aber nur verschoben.
Kaum ein anderes Ereignis der vergangenen Wochen wurde besorgter von der gesamten rechten Szene jenseits der NPD verfolgt, als der Bundesparteitag am 22. und 23. April in Köln. Platzt der Traum rechts von der Union eine Partei zu etablieren? Lassen Egomanien um Programm, Position und Pfründe erneut ein solches Projekt scheitern? Seit Wochen warnte nicht nur Stein, der Streit zwischen Frauke Pe-try und Marcus Pretzell versus Alexander Gauland und Björn Höcke würde »zielgerichtet« zur Bundestagswahl »das Projekt 4,9 Prozent« ansteuern. Befürchtete Stein schon durch ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde das Ende der AfD, so sah Götz Kubitscheck allein ein Ende des Flügels um Höcke drohen.
Auf »Sezession.net« schimpfte Kubitschek am 20. April über den kommenden Parteitag: »Wir werden eine in sich uneinige AfD erleben, der Rechenschieber wird den Parteitag dominieren, und die Hygieneklugscheißer aus den eigenen Reihen werden – wie immer – Björn Höcke und Alexander Gauland (…) mit Nazigrößen vergleichen, weil es doch nur einer ganz, ganz sauberen Partei gelingen kann, vaselinefettig als Arschtorpedo weiter voranzukommen«, schrieb der Mitbegründer des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) überdeutlich. Und auch Jürgen Elsässer, Chefredakteur von »Compact«, der vor Monaten noch Petry als »bessere Kanzlerin« auf dem Cover präsentierte, wandte sich enttäuscht von der Angehimmelten ab.

Das Ende der politischen Beziehung dürfte Elsässer selbst durch die klare Positionierung des Magazins für Höcke und Gauland eingeläutet haben. In der Folge wurde Elsässer dann bei dem Kongress der Europaparlament-Fraktion »Europa der Nation und Freiheit« in Koblenz am 21. Januar nicht zugelassen. Später folgte ein Unterlassungsbegehren von Petry gegen »Compact« um dem Magazin zu untersagen zu schreiben, sie hätte den Ausschluss von Höcke betrieben. »Wir sind (…) immer fair mit der AfD umgegangen«, jammerte das Magazin auf seiner Website am 17. Februar und klagte: »Sie wollen offensichtlich eine Art Hofberichterstattung, die Ihnen und Ihrem Gemahl nach dem Mund redet.« Wenige Tage vor dem Parteitag hielt Michael Klonovsky – vom 1. Juni 2016 bis Mitte April 2017 Mitarbeiter der sächsischen AfD-Landtagsfraktion und Berater von Frauke Petry – dem »AfD-Powerpaar Petry/Pretzell« ebenso vor, in der eigenen Partei nur noch zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Klare Fronten, klare Kampfansagen vor Köln. Schon am 24. April titelte Karlheinz Weißmann auf der JF-Website erleichtert zum Spitzenduo: »Beweis politischer Vernunft« und schrieb, die beiden hätten eine »überlegene Intelligenz und Härte in der Sache« gemein. Und schwärmte gar: »Eine so junge, angefeindete und von einer geschlossenen Front des Establishments bekämpfte Partei braucht (…) Personen, die neben dem notwendigen Kampfgeist auch Disziplin, Parkettsicherheit und geistige Unabhängigkeit mitbringen. Das alles darf man Alice Weidel und Alexander Gauland zutrauen.«
Elsässer begrüßte in einer Videobotschaft noch während des laufenden Parteitages die Personalentscheidung ebenso »Petrys Rückzieher als Chance«, mahnte allerdings gleich zur Vorsicht gegenüber der Bundessprecherin.

Ohne Petry namentlich zu nennen führte Kubitschek am 26. April auf »Sezession.net« aus: »Die Gefahr ist die zu frühe Koalitionswilligkeit, die sich aus taktischen Gründen ‹realpolitisch› bemäntelt, um so die Kritiker einer grundlos frühen Versöhnung mit den Verhältnissen als irrational und politikunfähig zu beschädigen.« Doch der Parteitag sei »ein deutliches Signal der Unversöhnlichkeit mit den Verhältnissen zum jetzigen Zeitpunkt« gewesen. Hier klingt an, dass er den Kurs von seinem Freund Höcke, die AfD als fundamentalistische Oppositionspartei zu führen, weiter unterstützt. Um nicht falsch verstanden zu werden, erklärt Kubitschek auch gleich: »Bewegungspartei zu sein bedeutet, die Arbeit in den Parlamenten nicht für die derzeit entscheidende Aufgabe zu halten. Gegen ein Blockbündnis von CDU bis Grüne ist konstruktive Opposition im Rahmen parlamentarischer Arbeit nicht sinnvoll.« Die eigentliche Aufgabe, so Kubitschek, sei »im Volk eine Wechsel- und Wendestimmung zu erzeugen und die emotionale Barriere zwischen Wähler und Partei abzutragen«. Der fundamentale Disput in dem Milieu der Neuen Rechten zwischen JF und IfS spiegelte sich wider, entweder soll eine Partei sich parlamentarisch mit Koalitionsoptionen ausrichten oder sich als fundamentalistische Oppositionsbewegung erst einmal festigen.

Die AfD hat sich schon festgelegt. Vorbereitet wurde die Entscheidung wenige Tage vor dem Parteitag in Goslar. Der niedersächsische AfD-Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel hatte laut »Der Spiegel« zu einem Treffen geladen, auf dem die Personalie Gauland/Weidel überlegt wurde. Der Parteitag durfte dann nur noch seinen Segen dazu geben. Auffallend: In den ihnen nahe stehenden Medien werden die Initiatoren bei allem Lob nicht erwähnt. Der Burgfrieden soll bis zur Bundestagswahl offenbar bewahrt bleiben. Stein räumt bei allem Jubel aber ein, die »lediglich vertagten Entscheidungen zu den strategischen Leitplanken der Partei« würden spätestens bei der »Konstituierung einer möglichen Bundestagsfraktion« wieder »auf die Tagesordnung« kommen .