Das Scheitern der Mission »Defend Europe«

von Simon Murdoch (HOPE not hate)
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 168 - September 2017

Endlich: Die menschenverachtende Mission «Defend Europe« hat ein Ende gefunden. Die fanatische Anti-Islam-, Anti-MigrantInnen-, pan­euro­päische »Identitäre Bewegung« (IB) wollte die humanitäre und ehrenamtliche Arbeit der »search-and-rescue« (SAR)-Schiffe zur Rettung von MigrantInnen und Flüchtlingen auf dem Mittelmeer behindern. Das im Mai diesen Jahres mit Hilfe von zehntausenden Euros – gespendet von der internationalen extremen Rechten – gestartete Projekt behauptet zwar, einen Sieg errungen zu haben, tatsächlich kann davon aber keine Rede sein. Mit dazu beigetragen hat die Recherche und Öffentlichkeitsarbeit des antirassistischen und antifaschistischen Magazins »HOPE not hate« (Hnh) aus Großbritannien.

antifaschistisches Magazin der rechte rand - Identitäre Bewegung

< Antirassistische Aktion von Fischern im tunesischen Hafen von Zarzis gegen
die »C-Star«

Von einem Versagen zum nächsten
Im Mai enthüllte Hnh, dass französische »Identitäre«, begleitet von der kanadischen extrem rechten Journalistin Lauren Southern, von der italienischen Küstenwache aufgehalten worden waren, nachdem sie ein kleines Boot benutzt hatten, um ein Schiff der NGO »SOS Méditerranée« am Auslaufen aus Catania auf Sizilien zu behindern. Im Nachgang zu dieser Aktion wurde eine Website eingerichtet, um Geld zu sammeln. Das Ziel war, eine »Crew zusammen zu bekommen, ein Schiff auszurüsten und dann im Mittelmeer die Schiffe der Schlepper zu jagen«. Die Website gab auch Einblicke in die hasserfüllten Motive der »Identitären«: »Eine Invasion findet statt. Die massive Einwanderung verändert das Gesicht unseres Kontinents. Wir verlieren unsere Sicherheit und unsere Lebensweise. Wir Europäer laufen Gefahr, eine Minderheit in unseren eigenen Heimatländern zu werden.«
Trotz einer Unterbrechung bei der Finanzierung – PayPal hatte das Konto am 26. Juni geschlossen – verkündete »Defend Europe«, dass endlich ein Schiff zur Verfügung stehe. Hnh lokalisierte die »C Star« am 29. Juni in dem ostafrikanischen Hafen von Dschibuti und veröffentlichte ein erstes Rundschreiben über »Defend Europe« für Presse und NGOs. In diesem wurden die Pläne der IB, das Schiff und die SchlüsselaktivistInnen beschrieben. Zusätzlich dazu wurden auch in zwei Rundschreiben die juristischen und rechtlichen Belange und Sachverhalte für NGOs ver­öffentlicht.

Unterstützung von rechtsaußen
Während die »C-Star« noch in Dschibuti lag, beflügelte das Projekt die Phantasie der internationalen extremen Rechten. David Duke, ehemaliger »Grand Wizard of the Knights« des »Ku Klux Klans«, wandte sich an seine 40.000 Twitter-AnhängerInnen: »Verteidige Europa Identitäres SAR hat ein Schiff, braucht jetzt Geld, um zum Mittelmeer zu gelangen. Spende jetzt! #DefendEurope». Unterstützung gab es auch von der US-amerikanischen »Alt-Right« – darunter Richard Spencers »AltRight.com«, Jared Taylors »American Renaissance« und eine der zu dem Zeitpunkt weltweit führenden Neonazi-Websites, die mittlerweile durch den Provider abgeschaltete »The Daily Stormer«.
Am 17. Juli veröffentlichte Hnh, dass der Besitzer der »C-Star«, Sven Tomas Egerstrom, 2002 wegen Betruges zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Zu diesem Zeitpunkt behauptete »Defend Europe«, dass das Schiff innerhalb von wenigen Tagen Europa erreichen würde. Das Ziel, internationale mediale Öffentlichkeit zu generieren, wurde damit erreicht. Unterstützung – vor allem auf Twitter, wo sie 800.000 Follower hat – kam von der britischen extrem rechten Journalistin Katie Hopkins von »Mail Online«, der Internetpräsenz des »Daily Mail«. Hopkins traf sich im weiteren Verlauf der Mission mit der Führung von »Defend Europe« in Catania. Nachdem sich Hnh bei »Mail Online« dafür einsetzte, die Journalistin abzuziehen, geschah dies auch. Hopkins Artikel erschien nicht.

Die Mission stockt
Vor der Passage des Suez-Kanals wurde die »C-Star« von den ägyptischen Behörden gestoppt, weil der Kapitän keine gültige Besatzungsliste vorlegen konnte. Die »Identitäre Bewegung« bezeichnete dies als »Fake-News«. Bis zur Weiterfahrt eine Woche später musste das Schiff vor Ort ankern.
Hnh und andere Initiativen hatten die Behörden des Suezkanals kontaktiert, um Bedenken über das Einlaufen des Schiffs ins Mittelmeer zu artikulieren. Später veröffentlichte die Mannschaft ein Video mit der amerikanischen »Alt-Right«-Vloggerin Brittany Pettibone, das Hnh für den Zwangsaufenthalt ihres Schiffes verantwortlich machte. Auch die Fundraising-Website »Patreon«, entfernte nach energischer Lobbyarbeit von Hnh diejenigen UserInnen, die mit »Defend Europe« verknüpft waren. Darunter Martin Sellner, Patrick Lenart und Lauren Southern.
Nachdem die »C-Star« ihre Fahrt im Mittelmeer fortsetzen durfte, wurde sie im türkisch-zypriotischen Hafen von Famagusta festgehalten. Die Glaubwürdigkeit der Mission war endgültig beschädigt, als die Behauptung aufkam, dass das Schiff – gechartert, um Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa zu stoppen – Flüchtlinge mit dem Ziel Italien an Bord hatte. Der Besitzer und ein leitender Offizier wurden wegen des Verdachts des »Menschenschmuggels« festgenommen, nachdem man 21 Personen aus Südasien an Bord gefunden hatte. Zwar erhärtete sich der Verdacht nicht, aber fünf der sri-lankischen Crew-Mitglieder beantragten in Zypern Asyl. Die über einen Monat wiederholte großspurige Ankündigung von »Defend Europe«, am 19. Juli unter den Augen der internationalen Presse in Catania mit der Mission zu starten, konnte nicht umgesetzt werden. Dem Druck von NGOs, antirassistischen Organisationen und PolitikerInnen war es zu verdanken, dass »Defend Europe« die Basis auf Catanias Gagliani-Straße verließ und am 31. Juli heimlich nach Zypern flog, um sich der »C-Star« anzuschließen.

Am Ende Stillstand
Anfang August, die Kampagne war gerade im Gange, enthüllte Hnh die Identität eines der zentralen »Defend Europe«-Unterstützer und Propagandisten: Hinter dem Pseudonym Peter Schweden verbirgt sich der 22-jährige Peter Imanuelsen. In den folgenden Wochen bewegte sich die »C-Star« in Richtung der SAR-Zone vor der libyschen Küste und begann, NGO-Schiffe in der Region zu filmen. Die AktivistInnen waren sich nun darüber bewusst, dass sie zu blockieren illegal gewesen wäre. Dann scheiterte der Versuch, in Tunesien anzulegen, um die Vorräte aufzustocken. Lokale Fischer im Hafen von Zarzis blockierten mit Erfolg das Schiff.
Obwohl die »C-Star« der Satellitenverfolgung nach für einige Zeit vor der Küste von Tunesien zu ankern schien, legen Dokumente, die an Hnh weitergegeben wurden, nahe, dass das Schiff am tunesischen Ölterminal Ashtart Treibstoff aufnahm, bevor es Richtung Libyen zurückkehrte.
Am 11. August, funkte die »C-Star« ein »kleines technisches Problem« und die zuständige Leitstelle beorderte die »Sea-Eye« an Ort und Stelle, ein NGO-Schiff, um das havarierte Schiff zu unterstützen. Hnh hatte schon länger die Seetüchtigkeit der »C-Star« bezweifelt. Nachdem maritime ExpertInnen, die zurate gezogen wurden, hunderte Bilder des Schiffes studiert hatten, erhoben sie ernsthafte Bedenken und Hnh initiierte eine »Port State Control Inspection«. Die »C-Star« wurde nun als »Priorität 1« eingestuft: Wenn sie das nächste Mal in einen europäischen Hafen einliefe, würde sie gestoppt und sofort einer Inspektion unterzogen werden.
Das endgültige Aus kam am 17. August, als es einem Bündnis von NGOs – darunter Hnh – gelang, dass es der »C-Star« verboten wurde, maltesische Häfen anzulaufen.
Wenige Stunden später gab »Defend Europe« das Ende der Mission bekannt und setzte eine Pressekonferenz für den 19. August in Lyon, Frankreich an. Es mag kaum zu glauben sein, aber dort präsentierte die Kampagne die Aktion als Erfolg.
»Defend Europe« behauptete auch, dass es eine Kooperation mit der libyschen Küstenwache (LCG) gegeben hätte, um die NGOs zu stoppen. Doch eine der katholischen Wochenzeitung »Famiglia Cristiana« vorliegenden Audio-Aufzeichnung zwischen der Crew und der LCG zeigt, dass die LCG diese »Hilfe« strikt zurückgewiesen hatte. Außerdem befahl die LCG auf Geheiß der libyschen Behörden dem Schiff, die Küstengewässer zu verlassen – ein erbärmlicher Flop.