Rechte Homestory

von Charles Paresse
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 168 - September 2017

Im Journalismus hat sich ein neues Genre etabliert, der Besuch bei Götz und Ellen Kubitschek.

Waren Sie schon mal in Schnellroda, dort wo »der dunkle Ritter« und die »sympathisch aussehende Publizistin« leben? Vielleicht auf ein Glas selbstgemolkene Ziegenmilch beim Räsonieren über Carl Schmitt oder den kommenden Bürgerkrieg? Haben Sie gesehen, wie der asketische Gutsherr die heimische Scholle bestellt und grüblerisch und weltabgewandt in seinen Büchern versinkt? All das lernen wir aus den Homestorys aus dem Hause Kubitschek, die seit 2011 in Magazinen, Zeitungen und Fernsehsendungen erschienen. Kubitschek, Chef des »Verlag Antaios«, zentrale Figur des »Institut für Staatspolitik« (IfS) und Redakteur der Zeitschrift »Sezession«, fiel aufgrund der bisher mehrheitlichen Anti-Intellektualität der extremen Rechten in der Bundesrepublik der Job zu, »Vordenker« und »wichtigster Intellektueller der Neuen Rechten« (»Der Spiegel«) zu werden. Auch Ellen Kubitschek (»Ellen Kositza«) ist Vielschreiberin der »Neuen Rechten« und Redakteurin der »Sezession«. Götz Kubitscheks verlegerische Kunst besteht vor allem darin, der Szene Relevanz zu organisieren. Manchmal läuft das Geschäft so gut, dass es bis in die Bestseller-Listen reicht. Rolf Peter Sieferles »Finis Germania« war der jüngste Erfolg. Die Rechte verkaufen, das kann Kubitschek.

antifaschistisches Magazin der rechte rand - Götz Kubitschek

»Gefährliche Denker«
Die erste Kubitschek-Homestory lief im August 2011 bei »3sat« – das war damals neu. Mit der »Neuen Rechte« beschäftigten sich nur wenige BeobachterInnen. Ihre heutige Bedeutung war undenkbar, bevor es die »Alternative für Deutschland« (AfD) gab. Unter dem Titel »Auf dem Rittergut – Eine Begegnung mit Deutschlands Neuen Rechten« brachte der Sender eine Reportage über »gefährliche Denker« und »das neue Selbstbewusstsein der Rechten«. Ein Anlass, einen Blick auf das Leben des »adrett« daherkommenden und »erfolgreichsten Rechtsintellektuellen« zu werfen, war der zuvor verübte rechte Massenmord in Norwegen durch Anders Breivik. Der Beitrag zeigte schon damals all das, was später auch andere JournalistInnen noch einmal herausfinden wollten: Ein altes Haus irgendwo im Nichts. Streng und asketisch die BewohnerInnen; scheinbar abgeschiedene Einsiedler. Er im bündischen Stil und mit schweren Schuhen, sie mit strengem Zopf. Buchregale, Schreibtische, Möbeln aus dunklem Holz, mystische Bilder, ein mit der Hand schreibender Autor oder gebeugt über ein Buch auf unbequemem Holzstuhl. Nie fehlen darf der Hinweis auf die Kinder mit nordischen Namen. Kubitschek lebe, so heißt es im Kommentar, »das Leben, dass er sich für Deutschland wünscht.« Antimodern und abgewandt, das ist die Inszenierung. Stockend kommen bedeutungsschwere Sätze: »Klar, wir sind rechts«, sagt sie. »Das Deutschland, in dem ich leben möchte, das ist das Land, in dem die Deutschen leben«, sagt er. »Wir sind sehr, sehr konservativ«, behauptet er. »3sat« brach die Selbstinszenierung unter anderem durch die Kommentierung – andere taten es später nicht mehr. Kubitschek wusste um den Werbeeffekt der Sendung, doch er war nur »halb und halb zufrieden«. Die Verknüpfung zum Attentäter Breivik empfand er als »eine Frechheit«. Er jammerte: »Das, was etwa meinen Verlag zu einem besonderen Verlag macht, kam nicht vor (…).«

Das Kuscheltier »Dieter Stein«
Auf dem Höhepunkt rechter Mobilisierungen berichtete »3sat« erneut (9. März 2016). Kubitschek sehe sympathisch aus, sagt die Moderatorin. Mit seiner Frau, einer »ebenso sympathisch aussehenden Publizistin«, lebe er als »Patchwork-Familie auf einem Rittergut«. Und sie weiß zu berichten, dass das Kuscheltier eines der Kinder den Namen »Dieter Stein« trage – so heißt der Chef der neu-rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit«. Egal ob das wahr ist oder exklusiv für »3sat« erfunden wurde, es ist gutes Marketing. Der Bericht zeigt, welche antidemokratischen Positionen die Kubitscheks vertreten. Doch ob es nötig ist, ausführlich zu zeigen, wie »der Kirchgänger« seine dreckigen Stiefel überzieht, die Ziegen melkt und dazwischen Zeit bekommt, sein Denken ausführlich darzulegen, sei dahingestellt. Lange habe man »gesät, lange umgegraben«, nun würden die politischen Themen und das Denken der »Neuen Rechten« fruchtbar, sinniert Kositza bei einer Zigarette in die Kamera des seriösen Senders. Aber mit »Hitlerei« habe man nichts zu tun, behauptet sie. Für die Kubitscheks ist der Bericht pure Werbung: Die selbst gewünschte Inszenierung als der Moderne abgewandte rechte Intellektuelle ohne »Hitlerei«, zusammengeschnitten mit Bildern von Aktionen der »Identitären« und Götz Kubitschek als Redner bei PEGIDA.

»Der dunkle Ritter«
Eine ganze Seite Kubitschek, allein, gebeugt über einem Buch, schwarze Stiefel, schwarze Hose, schwarzes Hemd, raspelkurze Haare, auf einem schweren Holzstuhl auf breiten Holzbohlen, schwarze Holzbalken an der Decke, ein schwerer Vorhang vor der Tür gegen die Kälte. Der Solitär, der Denker. Schon die erste Seite der Reportage im Magazin »Der Spiegel« (51/2016) zeigte, wohin die Reise geht. Und die Überschrift rundet ab: »Der dunkle Ritter«. Hatte Kubitschek hier ein Selbstbildnis geschaffen oder war da noch eine Redaktion am Werk, die Bild und Text montiert hat? Jenseits des »Gebrülls« des Neonazismus habe sich in Deutschland »eine radikal-konservative Kritik der Gesellschaft formiert«, meint Autor Tobias Rapp und dürfte so ziemlich exakt das Selbstbild der »Neuen Rechten« treffen. Beim Abendbrot im Rittergut wurde »miteinander geredet«. E gibt selbst gemachten Apfelsaft und selbst gebackenes Brot. Viele Kinder, Tischspruch und die Kubitscheks siezen sich – die üblichen Geschichte aus Schnellroda nun auch im »Spiegel«. Im Verlag von Kubitschek erschienen »Sachbücher und Romane«, heißt es neutral. Und es würden »Gedanken aus dem französischen Sprachraum« importiert. Alles, was Kubitschek hier am Abendbrottisch über Völker oder »Schicksalsgemeinschaften« dem Journalisten erzählt hat, lässt sich in den Publikationen des Verlags besser nachlesen. Dort steht es ungeschminkt, dort fehlt das Gefühl, man befinde sich im Lifestyle-Magazin »Landlust«, wie Rapp meint. Dort wird klar, dass die »Neue Rechte« in faschistischer Tradition steht, Rassismus verbreitet und nicht bloß ein bisschen konservativ ist, Bücher liebt und »Kapitalismuskritik« übt.

»Geistiger Führer der Neuen Rechten«
Die Redakteure der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ, 16. April 2017), Justus Bender und Reinhard Bingener, sind sich sicher: Götz Kubitschek halte »die rechten Fäden in der Hand«. Er sei »geistiger Führer der Neuen Rechten«. Dem zum Cholerischen neigenden Kleinverleger wird Einfluss zugesprochen. Für die Fotos zum Text posieren Ellen und Götz Kubitschek wie gewohnt beim Abendbrot, beim Melken oder vor Bücherwänden. Ernst, grüblerisch, streng. Der »geistige Führer« lasse im Stall »die Ziegenmilch vom Euter in den Kochtopf spritzen, damit seine nach den Helden germanischer Sagen benannten Kinder sie am nächsten Morgen über ihr Müsli schütten können«, finden die Redakteure heraus. Auch was es zum Abendessen gibt, ist wichtig: Selbstgemachter Ziegenkäse, Brot, Wurst, Butter und Bier. Nachdem der Text erschienen war, machte sich Götz Kubitschek im Blog der »Sezession« (18. April 2016) über den Besuch lustig und offenbarte die Inszenierung. Während des Interviews wechselte man vom Balkon in den Ziegenstall, wo Kot an den Gummistiefeln klebt. Das sei »auf ausdrücklichen Wunsch« der Redakteure geschehen, »die das aufgrund des 3sat-Films für schwer authentisch hielten«, höhnt Kubitschek. Und dennoch wurde hier die Selbstinszenierung auch durchbrochen: »Kubitschek sitzt am Kopf des Tisches (…). Seine Rückenlehne ist höher als die seiner Gesprächspartner.« Und der Choleriker tritt hervor: »Kubitschek droht mit Rauswurf. In seinem Haus soll über Deutschland nicht anders als in den Erhabenheitsformeln einer radikalisierten Spätromantik gesprochen werden.« Bender und Bingener nutzen die rechten Schrullen, um Kubitscheks antidemokratischen Kern zu zeigen: »Die altgermanischen Namen seiner Kinder etwa, die Idee der Selbstversorgung, die Beschwörung der Gemeinschaft auf dem Land und seine Verachtung der anonymen Gesellschaft der Städte. Das Siezen der eigenen Ehefrau als Umgestaltung der Gesellschaft bis tief in die Intimität der Familie hinein – hin zu einem ständischen Bewusstsein. Die Frage ist, wie das politische System eines solchen Deutschlands aussähe.«

»Wie im Wendland«
Einen Höhepunkt der Übernahme des neu-rechten Narrativs druckte »Die Zeit« (02. August 2017). Deren Autorin Mariam Lau befand nach ihrem Besuch beim nur »rechtsnationalen Verleger«, hier sei »eigentlich alles wie im Wendland«. Sie fühlte im Haus der Familie »eine verblüffende Vertrautheit«. Ziegen, Hasen und Hühner, »denen sich das Abendbrot verdankt, das Besucher hier bei Kerzenlicht mit der Familie teilen«, die »große Bibliothek« und »aktiver, wenn möglich herrschaftsgefährdender politischer Protest« – so soll es »in den achtziger Jahren in bestimmten Häusern im Wendland gewesen« sein, meint sie. Auf die Idee, dass es es kaum um die Existenz einer Bibliothek an sich, sondern um die Auswahl der Bücher darin geht, kommt sie nicht. Und ob der Protest gegen den Staat von rechts oder von links kommt, was macht das schon? Kubitschek weiß, wie er sich darstellen muss: Die »Neue Rechte« sei ein »Diskussionspartner, der langsam nicht mehr ignoriert werden kann«. »Ökologisch ist, wenn wir im Winter Kraut und Schlachteplatte essen«, erzählt Kubitschek der Journalistin – und die glaubt ihm, dass es ihm um Umweltschutz und nicht um Heimatschutz geht. Wenn er seine Ziegen melke, sei das »Teil seiner großen ‹Absage an die One-World-Ideologie›«, weiß sie. Das »Lob des Regionalen, des Unverstellten, Natürlichen – das alles hat man schon einmal ganz woanders gehört«, meint Lau in Anspielung auf die Grünen und in direkter Adaption der rechten Erzählung. Dass die Motive und Begründungen völlig unterschiedlicher Art sind, wird nicht in Betracht gezogen.

»Das Postergirl der neuen Rechten«
Ob im Rittergut in Schnellroda je ein einziger Ritter lebte, sei dahingestellt – aber es klingt einfach gut. Ob die Familie Kubitschek Selbstversorger ist oder nur, so wie fast alle auf dem Land, ein paar Tomaten und Kartoffeln zieht, wird nicht hinterfragt – die schöne Geschichte von den rechten Aussteigern wäre dahin. Und dass der »dunkle Ritter« bei Licht besehen nur ein hölzerner Demo-Redner, Autor rechter Postillen, Kleinverleger und Choleriker ist, wäre kein Argument für langatmige Portraits. Aber Homestorys sind beliebt. Abgehalfterte Stars und First-Ladies, deren Ehemännern ein positives Image verpasst werden muss, stellen sich dafür gern zur Verfügung. Doch falls es wirklich einmal gelingt, damit Überraschendes ans Licht zu bringen, hatte der oder die Porträtierte vor dem Besuch nicht ordentlich aufgeräumt. Ansonsten ist die Homestory lediglich Teil der Selbstinszenierung von Promis.
Für die »Neue Rechte« haben die bisherigen Homestorys gut funktioniert. Ihr Selbstbild, ihre Bildsprache und Ästhetik wurde wieder und wieder reproduziert. In der ersten Reportage von »Kulturzeit« wurde das deutlich, als ein Video der damals von Kubitschek betriebenen »Konservativ-Subversiven Aktion« eingeblendet wurde: Hier wie dort derselbe Stil, dieselbe Inszenierung. Im Blog »Störungsmelder« machte sich Michael Barthel jüngst Gedanken, wie man »über die Neue Rechte schreiben sollte und wie nicht« (19. Juni 2017). Anlass war der Bericht im Magazin »Der Spiegel« (22/2017) über eine medienaffine Aktivistin der rechten »Identitären« aus Halle. Titel: »Das Postergirl der neuen Rechten«. Etliche Texte über die Szene fielen auf deren »Selbstinszenierung« herein, meint Barthel. Doch der Erkenntnisgewinn tendiert gen Null. Stattdessen wird ein »Resonanzraum geschaffen, in dem es nicht mehr ohne weiteres möglich ist, Fakten oder Einschätzungen zu den Aktivitäten der ‹Neuen Rechten› zu präsentieren ohne das Narrativ der dynamischen Kämpfer für Volk und Vaterland zu bedienen«, kritisiert Barthel. Es ist eine glattgezogene Geschichte der »Neuen Rechten« ohne Brüche. Medien werden »als Vehikel ihrer Inszenierung« eingesetzt. Mit den eigenen Medien wäre diese Verbreitung nie möglich. Doch um sich in den Massenmedien zu präsentieren braucht es Lockmittel. Kuriositäten sind da nur förderlich. Widersprüche im Denken oder im vermeintlichen Musterleben werden nicht gesucht. Dass es auch anders geht, zeigte die »Mitteldeutsche Zeitung« (30. Juni 2016), die einen Auftritt von Kubitschek zur Diskussion von Kritik an seinem Agieren mit Menschen aus seinem Dorf nüchtern als das beschrieb, was er war: »eine Die-Leute-fragen-Götz-Kubitschek-antwortet-Show«. Und in der FAZ machte man sich subtil über den Selbstdarsteller aus Steigra lustig, in dem man seine Inszenierung ins Lächerliche zog: »Wie es die Urahnen taten: Kubitschek am Euter seiner Ziege«. Ob das hilft? Wohl nicht, aber es bedient nicht die Interessen der »Neuen Rechten«.