Extreme Rechte stürzt ab

von Sascha Schmidt
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 188 - März 2021 - online only

#Hessen

Profitieren konnte von der Corona-Krise in Hessen keine extrem rechte Partei. Im Gegenteil: Das gesamte Spektrum musste am 14. März 2021 große Verluste bei den Kommunalwahlen hinnehmen.

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Hessen Kommunalwahlen 2021

Während die Parteien »Die Rechte« und »Der III Weg« mit ihren überschaubaren Strukturen in Hessen noch nicht einmal zur Kommunalwahl antraten, zählen die »Alternative für Deutschland« (AfD), die NPD und »Die Republikaner« (REP) zu den großen Verlierern der Wahl. Vor fünf Jahren waren AfD, NPD und REP – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der »Flüchtlingsdebatte« – noch die großen Gewinner.

Zunehmend bedeutungslos: die NPD
Die NPD errang bei den Wahlen 2016 in der Wetterau und dem Lahn-Dill-Kreis – ihren langjährigen Hochburgen – zweistellige Ergebnisse und landesweit 23 Sitze in Kommunalparlamenten. Im Westen der Republik konnte kein anderer Landesverband der NPD in den vergangenen Jahren solche Erfolge vorweisen.

Doch es war zu erwarten, dass sich das nicht wiederholen würde. Denn weiterhin ist der Landesverband personell wie organisatorisch schlecht aufgestellt. Und so kandidierte die NPD diesmal nur noch für 8 Gremien (2016: 11), allesamt in Mittelhessen. Auf den Listen der Partei standen zudem nur noch 133 Kandidat*innen gegenüber 174 in 2016. Als Konkurrenz trat die AfD nun erstmals auch in den Hochburgen der NPD an.

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Der desolate Zustand der NPD offenbarte sich bei ihren lediglich zwei Wahlkampfveranstaltungen. Obwohl diese im Landkreis Wetterau stattfanden, blieb der Zuspruch höchst gering. An einer Saalveranstaltung in Altenstadt unter Beteiligung des ehemaligen Bundesvorsitzenden Udo Voigt und des bundesweit bekannten Nazi-Barden Frank Rennicke nahmen gerade mal 50 Personen teil. Nicht mehr als ein gutes Dutzend Teilnehmer*innen beteiligten sich an der Wahlkampfabschlussveranstaltung in Büdingen, auf der Axel Michaelis (NPD-Landesvorstandsmitglied aus Bayern) und Stefan Hartung (Stadt- und Kreisratsmitglied im sächsischen Erzgebirge) als Gastredner auftraten.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis muss die NPD nahezu in allen Gremien deutliche Verluste hinnehmen: In Wetzlar erreichte sie nur noch 1,2 Prozent (2016: 7,7Prozent), in Leun 6,2Prozent (11,2Prozent), im Lahn-Dill-Kreis 0,7 Prozent (2Prozent). Das gleiche Bild im Landkreis Wetterau: Dort stimmten nur noch 0,9Prozent (2,2Prozent) der Wähler*innen bei der Kreistagswahl für die NPD, in Büdingen, dem Wohnort des Landesvorsitzenden Daniel Lachmann, waren es nur noch 2,6Prozent (10,2Prozent). Lediglich im Wohnort des stellvertretenden Landesvorsitzenden Stefan Jagsch konnte die NPD mit 8,5Prozent (2016: 10Prozent) einen herben Absturz vermeiden.

Bald Vergangenheit?: »Die Republikaner«
Mit 280 erreichten Mandaten war Hessen bei den Kommunalwahlen 1993 eine Hochburg der REP. Doch davon war bereits 2016 kaum noch etwas zu erkennen. Zwar konnte die Partei zumindest teilweise an frühere Zeiten anknüpfen – bei landesweit 15 Sitzen und Spitzenergebnissen von 9,6 Prozent in Hanau und 6,9Prozent in Fulda. Vor Ort profitierte sie jedoch ebenso wie die NPD vom Nicht-Antritt der AfD. Fünf Jahre später bleibt ihnen nur noch in der Stadt Hanau, wo ein Großteil des überalterten Landesvorstandes lebt, mit 6,9Prozent ein nennenswerter Erfolg. Sollte die AfD dort das nächste Mal antreten und die Partei keine Verjüngungskur praktizieren, könnten die REP in Hessen endgültig in Vergessenheit geraten.

2016 drittstärkste Kraft: die AfD
2016 war die AfD der große Gewinner der Kommunalwahlen: mit landesweit 11,9 Prozent wurde sie drittstärkste Kraft. (siehe @derrechterand 159)

Dieser Erfolg und die relative Befriedung des Landesverbandes nach der Wahl von Robert Lambrou und Klaus Herrmann zum neuen Sprecherduo verlieh dem Landesverband Auftrieb. Bis 2019 stiegen die Mitgliederzahlen stetig auf rund 3100 an. Zudem gründete die Partei zahlreiche neue Orts- und Stadtverbände. Die damit verbundene Präsenz in der Fläche zeigte sich nun bei den Kommunalwahlen. War die AfD 2016 nur in 18 Städten und Gemeinden, jedoch in 20 (von 21) Kreistagen angetreten, stand die Partei nun in allen Kreistagen und über 60 Städten und Gemeinden zur Wahl. Doch der »gärige Haufen« konnte die im Jahr 2016 auf Kreisebene erzielten 223 Mandate weder zur Profilierung nutzen noch halten. Die Fraktionen verloren in ihrer ersten Legislatur zwischen 15 Prozent und 20Prozent ihrer Sitze – einige gar die Hälfte, einzelne lösten sich ganz auf.

Holpriger Wahlkampf – überschattet von Personaldebatten
Dass auch in Hessen nicht mehr alles rund läuft für die AfD, verdeutlichten bereits Ende des vergangenen Jahres sowohl die harschen Auseinandersetzungen in der Landtagsfraktion als auch der Verlust von rund 600 Mitgliedern. Auch der Wahlkampf wies Ecken und Kanten auf. So gelang es der Partei kaum, öffentlich in Erscheinung zu treten – und wenn, dann negativ. Dazu gehören nur wenige, oft schlecht besuchte Saalveranstaltungen. Unter freiem Himmel konnte sie weder in der Hochburg Fulda noch mit dem Auftritt von Björn Höcke am 4. März in Offenbach punkten. 50 Höcke-Fans standen etwa 1000 Gegendemonstrant*innen gegenüber. Zudem sorgte die Listenwahl einiger Kandidat*innen für negative Schlagzeilen, auf die der Landesverband kurzfristig reagieren musste: So wurde Patrick Pana (ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der »Jungen Alternative« Hessen mit wiederkehrenden Verbindungen zur »Neuen Rechten«, nach Medienschelte von der Liste für die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung gestrichen. Mit Christian Willi Wenzel fand sich ein bekannter Neonazi aus Nordhessen auf Platz 15 der AfD-Liste für den Kreistag Kassel. Infolge der Berichterstattung schloss man Wenzel aus der Partei aus – konnte ihn jedoch nicht mehr von der Liste streichen. Der Einzug in den Kreistag blieb ihm letztlich verwehrt. Wenige Tage vor der Wahl wurde bekannt, dass Sascha Herr (Listenplatz 2 im Hochtaunus-Kreis) auf Fotos mit bekennenden Neonazis zu sehen ist. Die Frankfurter Rundschau berichtete nach der Wahl zudem, dass mit Siegfried Schülbe ein ehemaliger Funktionär der REP für die AfD in den Kreistag des Werra-Meißner-Kreises einzog. Zwar ist ein ehemaliger REP-Politiker in den Reihen einer AfD-Fraktion in Hessen keine Ausnahme, besonders pikant ist dabei jedoch, dass unter Schülbes Führung der verurteilte Rechtsterrorist Peter Naumann 1998 als Gastredner zu einem Parteitag der REP eingeladen worden sein soll.

Goße Verluste landesweit: die AfD 2021
Nur noch landesweit 6,9Prozent erreicht die AfD bei diesen Wahlen und ist damit – knapp vor der FDP (6,7Prozent) – nur noch viertstärkste Kraft. Gegenüber 2016 verlor sie fast 100.000 Stimmen. Der durchschnittliche Verlust von 5 Prozentpunkten zieht sich bei Spitzenverlusten von rund 8 Prozent nahezu durch alle 21 Kreistage. Während die AfD 2016 in 19 Kreistagen zweistellige Ergebnis erzielen konnte, gelang ihr dies nun nur noch im Landkreis Fulda (2021: 10Prozent; 2016: 14,3Prozent). Auf Kreisebene stehen nun 132 Sitze zu Buche – gegenüber 2016 ein Verlust von 91 Mandaten.

Rückschläge musste die Partei auch in den Städten und Gemeinden hinnehmen, ihr schlechtestes Ergebnis erzielte sie mit 1,9Prozent in Marburg. Auch in ihren Hochburgen im Landkreis Fulda konnte sie dieses Mal keine zweistelligen Ergebnisse erzielen. Selbst dort, wo etablierte Parteien, wie in Frankfurt und Wiesbaden, aufgrund von Korruptionsvorwürfen Vertrauen verloren hatten, büßte die AfD Stimmen ein. Viele Wähler*innen des konservativen Spektrums, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind, bevorzugten nun offenbar lokale Wählergemeinschaften.

Die großen Verluste dürften zu großer Unzufriedenheit innerhalb des Landesverbandes führen und vorhandene Spannungen fördern. Sollte die AfD in Hessen auch bei der Bundestagswahl im September ein ähnlicher Bedeutungsverlust ereilen, könnte es eng werden für Lambrou und Herrmann.

Eine ausführliche Studie über das rechte Parteienspektrum und deren Wirken auf kommunaler Ebene in Hessen, an der auch der Autor mitgewirkt hat, findet sich hier:

http://www.gew-bergstraße.de/mediapool/100/1003718/data/dgb_broschure_ggRechts_final.pdf