Editorial / Kommentar Ausgabe 174

von der Redaktion

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

in Sachsen hat die rechte Szene ein sicheres Homeland. Die verschiedenen Spektren scheuen eine enge Zusammenarbeit nicht. Auf der Straße agieren sie in ihrem Hass gegen Geflüchtete und Andersdenkende gemeinsam. Die AkteurInnen aus den einzelnen Gruppen, Kameradschaften, Parteien und Vereinen bilden immer wieder Mischszenen.
In Chemnitz und auch in Sachsen-Anhalt, in Köthen, konnte bei den Aufmärschen der vergangenen Wochen diese Entwicklung verfolgt werden. Diese Einschätzung formulierte schon vor 18 Jahren Raimund Hethey im Magazin »der rechte rand«. Allein die Orte waren andere. Und er postulierte damals bereits, was heute immer wieder wiederholt wird: Die CDU im Freistaat Sachsen bestärkt durch das Ignorieren der rechten Gewalt und der Selbstpositionierung zur eigenen Heimat die Rechtsentwicklung. Der Fall Maaßen, der längst zum Fall Merkel und zum Fall Nahles wurde, hätte ihn nur in der Annahme bestärkt, dass der Verfassungsschutz eben der Verfassungsschutz ist, der nicht Probleme löst, sondern selbst ein Problem ist.
Am 14. September wurde Raimund, der nur 65 Jahre alt wurde, in Oldenburg beigesetzt. Er gehörte zur Gründungsgeneration unseres antifaschistischen Magazins. In einer Zeit, in der große Medien und öffentliche Sender lieber nicht über rechte Entwicklungen berichteten. Keine Ausgabe über viele Jahre, an der Raimund nicht mitwirkte, Artikel lieferte, Recherchen anstieß oder Beiträge redigierte. Über 100 eigene Reportagen, Analysen und Rezensionen verfasste er – neben Vollzeitberuf und Familie. Mit seinen Themen von NPD und Anti-Antifa über Anthroposophie und Ökofaschismus bis zu Vertriebenenverbänden und konservativen Vereinen füllte er den Namen unseres Magazins »der rechte rand« aus. So sehr er auf die militante Szene schaute, so sehr betrachtete er auch das bieder-bürgerliche Milieu. Vor 27 Jahren legte er als Co-Herausgeber »In bester Gesellschaft. Antifa-Recherchen zwischen Konservatismus und Neo-Faschismus« vor. Ein Knall, ein Standardwerk, denn selten wurde die Verzahnungen der Spektren so nachgezeichnet und selten wurden die alten Bezüge der »Neuen Rechten« so früh dargelegt.

Nagazin der rechte rand

Raimund Hethey © privat

Schon damals erschienen Akteure, die heute bei der »Alternative für Deutschland« wirken. Er kannte sie, benannte sie und blendete nie die Mitte der Gesellschaft aus. Für ihn galt der Satz von Max Horkheimer: »Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.« Mehr noch, es war seine Maxime, die bestehenden Verhältnisse mitzudenken.

Mit Leidenschaft setzte er sich ein, stritt um Worte und Begriffe. Nicht ohne Grund hieß es im Buch-Untertitel »Neo-Faschismus«. Die Extremismustheorie bekämpfte er und hinterfragte auch Antifa-Initiativen, wenn sie zum Beispiel den Begriff »Rechtsextremismus« verwendeten. Eine Entwicklung aus dieser Diskussion: Wir benutzen im Magazin »der rechten rand« diesen Verfassungsschutz-Begriff absichtlich nicht. Harten Debatten, wichtigen Diskussionen wich Raimund nicht aus, er führte sie mit Verve. Eine Energie, die widerspiegelte wie wichtig ihm »die Sache« war.

Von Niedersachsen war Raimund aus beruflichen Gründen nach Sachsen gegangen und später nach Niedersachsen zurückgekehrt. Dort wo er lebte, schrieb er nicht bloß für unser Magazin. Er verließ nicht nur für Recherchen den Schreibtisch. Er gründete Anti-Rechts-Initiativen und Lokalzeitungen, stieß Menschen an und konnte Räume eröffnen. Eine klare Grenze zog er in einer heute wiederkehrenden Diskussion. 1993 schrieb er »über vergangene Versuche, mit Faschisten zu reden«. Sein Fazit: zu wenig aus der Geschichte gelernt. »Ohne Worte«, titelte er, der nie sprachlos wurde.

Eure Redaktion