Sprachbarrieren

von Hans Stutz
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Schweiz

In der Schweiz erscheinen einige extrem rechte Publikationen, doch die Sprachgrenzen verhindern eine grössere Reichweite.

Magazin der rechte rand

© apabiz

Die Schweiz hat innerhalb der westeuropäischen Staaten einen besonderen Status. Sie hat sich zur Neutralität verpflichtet, ist weder Mitglied der Europäischen Union noch der Nato. Die Schweiz vereint drei Sprachgebiete. Französisch im Westen, Italienisch im Süden und Deutsch im zentralen Mittelland, im Norden und im Osten. Eine vierte Sprache, das Räteromanisch wird nur von einem Prozent der Bevölkerung gesprochen.
Politisch hat die Schweiz den Erfolg nationalistisch-konservativer Parteien in Europa vorweggenommen. Die »Schweizerische Volkspartei« (SVP), 1919 als »Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei« (BGB) gegründet, hat seit 1999 die meisten Sitze im Nationalrat und stellt zwei der sieben Mitglieder des Bundesrats. Seit Mitte der 1980er Jahre konnte sie ihren Stimmenanteil bei den Nationalratswahlen kontinuierlich ausbauen. 2015 stimmten 29,5 Prozent der WählerInnen für die SVP. Zu ihren politischen Hauptbetätigungsfeldern gehören ein strikter Anti-EU Kurs und Kampagnen gegen Migration im Allgemeinen und MuslimInnen im Speziellen. Über die Landesgrenzen bekannt wurde die 2009 von SVP-ExponentInnen mitinitiierte erfolgreiche Volksabstimmung »Gegen den Bau von Minaretten«. In Sicherheitsfragen fordert sie einen starken Staat, ansonsten soll dessen Einfluss zum Beispiel in der Sozialpolitik und bei Rechtsfragen zurückgedrängt werden.

Fast ein Parteiblatt
Am Rande der Rechtsaußen-Szene erscheint vierzehntäglich seit 1979 die »Schweizerzeit«, mit der Selbstbeschreibung als »bürgerlich-konservatives Magazin für Unabhängigkeit, Föderalismus und Freiheit«, in einer beglaubigten Auflage von knapp 15.000 Exemplaren. Dominante Figur – sowohl als Chefredakteur wie auch als Leiter des gleichnamigen Verlages – ist der SVP-Politiker Ulrich Schlüer, viele Jahre lang Mitglied des eidgenössischen Parlaments (Nationalrat) und seit den 1960er-Jahren Aktivist gegen AusländerInnen, AsylbewerberInnen, nun – auch als Mitinitiator der Minarettverbots-Initiative – auch gegen MuslimInnen. Wie viele Schweizer NationalistInnen bemüht sich Schlüer um Distanz zu extrem rechten ExponentInnen, aber es gelingt nicht immer. Redakteur Anian Liebrand, einst Präsident der »Jungen SVP Schweiz«, beschwor unlängst – wie die »Identitäre Bewegung« – die Gefahr des »grossen Austausches« und Schlüer verantwortet ein langes Interview mit Michael Klonovsky, ohne dabei dessen Tätigkeit für den Vorsitzenden der »Alternative für Deutschland«, Alexander Gauland, zu erwähnen.

Die extreme Rechte
Im extrem rechten Spektrum der Schweiz finden sich HolocaustleugnerInnen, Naziskinheads wie »Blood&Honour« und »Hammerskins« sowie VertreterInnen der »Neuen Rechten«. Die Szenen sind getrennt durch die Sprachgrenzen: Die Tessiner Skinheads orientieren sich an ihren italienischen Kameraden, die französischsprachigen WestschweizerInnen an den französischen Bewegungen und die DeutschschweizerInnen an den Verhältnissen in der Bundesrepublik. Austausch oder Zusammenarbeit ist selten, nur die völkisch-nationalistische »Partei National Orientierter Schweizer« (PNOS) verfügt über Ortsgruppen in zwei Sprachgebieten, doch ihr Parteiblatt »Harus!« (»Harus!« war der Schlachtruf der mittelalterlichen »Eidgenossen«) erscheint ausschliesslich deutschsprachig. In der italienischen Schweiz erscheinen keine extrem rechten Publikationen.

Holocaustleugnung und Frankreichbezug
Einige italienische Texte enthält »Cahier« (»Heft«) des Westschweizer »Vereins der Freunde von Paul Gentizon«, eines faschistischen Schweizer Journalisten und Mussolini-Bewunderers, gestorben 1955. Am ‹vielfältigsten› ist das Angebot denn auch in der Westschweiz. Dort bewegen sich seit Jahrzehnten Ideologen, die sich wie der Genfer Anwalt Pascal Junod (geboren 1959) an den Vorstellungen der französischen »Nouvelle Droite« um Alain de Benoit oder Pierre Krebs orientieren. Junod, der häufig extrem Rechte bei ihren Strafprozessen verteidigt, ist auch Präsident der international tätigen »Association des Amis de Robert Brasillach« (»Verein der Freunde von Robert Brasillach«). Der Verein veröffentlicht seit Jahrzehnten seine »Cahiers des Amis de Robert Brasillach«. Der französische Autor Robert Brasillach war Antisemit und Faschist. Nach der Befreiung Frankreichs wurde er wegen Kollaboration mit den Nazis im Februar 1945 hingerichtet. Brasillach wird von seinen BewunderInnen gerne als ebenso hochbegabter wie feinsinniger Literat verklärt. Prozess und Hinrichtung deuten sie als Zeichen einer unerbittlichen »Siegerjustiz«.
Die Periodika dieser Gedenkvereine haben eine geringe Reichweite. Anders die Zeitschrift »Le pamphlet«, herausgegeben seit 1970 vom Ehepaar Mariette und Claude Paschoud. Aus Kostengründen verbreiten sie ihr Heft seit wenigen Jahren nur noch online. Zusammen mit wenigen AutorInnen bedienen sie einerseits die Vorstellungen reaktionärer, aber bürgerlicher Westschweizer FöderalistInnen, andererseits kritisieren sie – meist gesittet in der Wortwahl – linke Positionen und verteidigen eine restriktive Politik gegen AusländerInnen, nun auch gegen MuslimInnen. Mitte der 1980er Jahre unterstützte Mariette Paschoud den französischen Holocaust-Leugner Henri Roques. Bei ihrer Pensionierung kündigte »die braune Mariette« an, sie wolle sich nun »neuen Abenteuern« zuwenden, womit sie die Verteidigung von inhaftierten Holocaust-LeugnerInnen meinte. Seit Jahren finden sich in »Le pamphlet« Unterstützungshinweise zu Gunsten von Holocaust-Leugnern im Strafvollzug.
Ebenfalls seit Jahrzehnten erscheint »Courrier du Continent«. Das einfach gestaltete Blatt ist meist zwölfseitig, in schwarz-weiß gehalten und kommt ohne Illustrationen oder Fotos aus. Es trägt den Untertitel »Bulletin du Nouvel Ordre Européen« (»Bulletin der Neuen Europäischen Ordnung«). Gegründet wurde »Courrier du Continent« 1946, unter anderem von Gaston-Armand Amaudruz (geboren 1920). Amaudruz war von Anfang der 1950er bis in die 2010er Jahre als alleiniger Redakteur tätig. Er kritisierte bereits 1949 die Nürnberger Prozesse und gehörte jahrzehntelang zu den internationalen Strippenziehern neofaschistischer Bewegungen. Bis Mitte der 1990er Jahre vertrieb er Bücher, deren Verbreitung ausserhalb der Schweiz strafbar war. Das hektographierte Blättchen, Auflage wenige hundert Exemplare, vermittelte Kurznachrichten aus anderen extrem rechten Publikationen und einen Leitartikel »Amaudruz«. Seit einigen Jahren produziert der Holocaust-Leugner René-Louis Berclaz (geboren 1950) das Heft, geblieben ist die Verbreitung von holocaustleugnenden Inhalten und von antisemitischen Unterstellungen.
Neue Wege in der Publizistik beschreiten die Online-Plattform »Les observateurs« (Die Beobachter), seit 2012 betrieben vom emeritierten und altersradikalen Genfer Soziologie-Professor Uli Windisch (geboren 1946), und der Newsletter »Antipresse«, wöchentlich an AbonnentInnen verbreitet vom serbischen Nationalisten und Verleger Slobodan Despot (geboren 1967), auch Verharmloser des Völkermords in Srebrenica und einst persönlicher Mitarbeiter des abgewählten islamophoben und reaktionären Walliser Regierungsrats Oscar Freysinger von der SVP. »Les observateurs« verbreitet – neben täglichen Agenturmeldungen – die Texte militanter französischsprachiger MuslimfeindInnen und behauptet, täglich zehntausende von BesucherInnen generieren zu können. Zu den AutorInnen zählen auch einige SVP-ExponentInnen.

Langeweile in der Deutschschweiz
Anders als in der Westschweiz existiert in der deutschsprachigen Schweiz keine durchgehende Tradition extrem rechter IdeologInnen. Nebst der Parteizeitung »Schweizer Demokrat« der NationalistInnenpartei »Schweizer Demokraten« erscheinen zwei Titel, »Recht+Freiheit« und »Harus!«.
Das Blättchen »Recht+Freiheit«, erscheint laut Eigenangabe »mind. viermal jährlich«. Offizieller Herausgeber ist zwar ein »Presseclub Schweiz«, doch bestreitet Ernst Indlekofer (geboren 1939) die redaktionelle und verlegerische Arbeit weitgehend allein, auch die meisten Texte. Indlekofer, damals noch Mitglied der SVP, war 1993/1994 bekannt geworden als Aktivist gegen die Rassismus-Strafnorm. Nach deren Inkrafttreten gründete er im Sommer 1995 das Blatt, das mehrere Jahre in einer Auflage von mindestens 4.000 Exemplaren erschien. Zwanzig Jahre später sterben dem Blatt die LeserInnen weg, wie Indlekofer Anfang 2017 klagte. Seit den Anfängen leugnet das Blatt den Völkermord an den Jüdinnen und Juden, was Indlekofer um die Jahrtausendwende eine Verurteilung wegen Holocaust-Leugnung eintrug. Zu den Autoren gehörte auch Jürgen Graf, der nach seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ins russische »Exil« flüchtete. Ansonsten sieht Indlekofer vielfältige Verschwörungen, manchmal sind es die Freimaurer oder »die Bilderberger«, manchmal sind es »die jüdischen Freimaurer« oder »die Juden« insgesamt, verbunden mit der Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
»Harus!«, früher »Zeitgeist«, ist die Parteizeitschrift der PNOS und erscheint seit Sommer 2001, zuerst monatlich, später vierteljährlich, immer vierfarbig. Mit einer Auflage von einigen hundert Exemplaren kommt das Blättchen kaum über den SympathisantInnenkreis der Partei hinaus, die im September 2000 von Exponenten der »Blood&Honour«-Skinheads gegründet wurde. Heute publiziert das Parteiblättchen häufig heimattümelnde Artikel über »Landwirtschaft« und »Brauchtum«, illustriert mit Fotos, die aus Ferienprospekten stammen könnten. Die AutorInnen veröffentlichen häufig unter Pseudonym, abgesehen von Dominic Lüthard (geboren 1983), langjähriger Parteipräsident und einst Sänger der rechtsextremen Band »Indiziert«.