»Die Dämme brechen«

von Nina Juliane Rink
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Lifestyle

Das neue Magazin »Arcadi« ist mehr als ein Lifestyle-Magazin für rechte Jugendliche, es vernetzt Mitglieder der »Alternative für Deutschland«, »Identitäre« und Neonazis.

Magazin der rechte rand

© Kai Budler

Wird über das »Arcadi«-Magazin geschrieben, fallen Vergleiche wie »VICE, bento oder BRAVO von rechts«. Selbstformuliertes Ziel des Magazins ist es, zu »unterhalten, informieren und einen Kontrast zum Alltag (zu) bilden.« Zielgruppe seien (national-)konservative oder patriotische junge LeserInnen, für die bisher das Angebot eines »wertigen Kulturmagazins« fehlte, so Chefredakteur Yannick Noé. Bislang liegen zwei Ausgaben vor, die auf je 80 Seiten Themen aus Politik, Ernährung, Gesundheit, Sport, Reisen, Kultur und Leben behandeln. In der ersten Ausgabe kommt die Trump-Unterstützerin Brittany Petti­bone zu Wort und es wird ausführlich über die »Defend Europe«-Mission der »Identitären Bewegung« (IB) als erfolgreiches Projekt der »Re­migration« berichtet. Autor Frederic Höfer berichtet in einer Reportage, wie er sich den französischen »Identitären« anschloss, um den Wahlkampf des extrem rechten »Front National« zu unterstützen. In der zweiten Ausgabe wird das Blog »radikal feminin« vorgestellt, das dem »vorherrschenden Frauenbild« entgegentreten will. Eine ausführliche Bilderstrecke zeigt Grafiken des Instagram-Blogs »Radikal Estétique« (»während Verlage wie Antaios und Jungeuropa die theo­retischen Waffen an die Front schaffen, schieben wir die Munition nach«). Das Prinzip der Artikel ist meist: Die ganze Bandbreite der Lebenswelt rechter Jugendlicher abbilden, die Vokabeln der »Neuen Rechten« unterbringen und – wenn das thematisch nicht auf der Hand liegt – eine »patriotische« Umdeutung vornehmen. Man erfährt, warum Club-Mate ein urdeutsches Getränk ist, Onanie unmännlich und welche Freizeitaktivitäten, Tätowierungen, Filme, Computerspiele, Comics und vor allem Bücher (aus patriotischer Sicht) empfehlenswert sind. Daneben gibt es auch politisch unverdächtige Beiträge wie Rezensionen von Gedichtbänden, Wanderberichte und eine Sex-Kolumne. Warum sollte nicht auch der junge Nationalkonservative wandern gehen oder Sex haben?

Who is who
Initiator des rechten Lifestyle-Magazins ist der 21-jährige Leverkusener und Sprecher des dortigen Kreisverbandes der »Alternative für Deutschland« (AfD), Yannick Noé, als Herausgeber fungiert der Verein »publicatio e. V.«. Im als »Mitmach-Projekt« beworbenen »Arcadi« machen derzeit junge Rechte aus allen Milieus mit – unter anderen Robin Classen, AfD-Mitglied und Autor der neu-rechten »Blaue Narzisse«, Simon Kaupert, WÜGIDA-Veranstalter mit familiären Kontakten ins völkische Milieu, oder Volker Zierke, IB-Aktivist. Die meisten AutorInnen sind irgendwo in der AfD, IB oder deren Umfeld zu verorten, finanziell unterstützt wird das Magazin durch das »patriotische Bürgernetzwerk« »Ein Prozent e. V.«. Weiteres Geld wird durch Anzeigen generiert, die zum Beispiel von Verlagen wie »Antaios«, »Arktos«, vom Magazin »Zuerst!«, von der »Berliner Burschenschaft Gothia« oder von den Neonazi-Versandhandeln »Sonnenkreuz« und »Greifvogel Wear« geschaltet werden. Hier vernetzt sich eine junge rechte Szene ohne gegenseitige Berührungsängste.

»Arcadi« als Vernetzungsprojekt
In einem Interview philosophierten Noé und sein politischer Weggefährte Martin Sellner über die Funktion des »Arcadi«-Projekts: Angesichts der beginnenden »kulturellen Gegenrevolution« gelte es auch »abseits von politischer Berichterstattung und Theorie« den kulturellen Raum zu füllen, ob jetzt mit »Klatsch und Tratsch« aus der »patriotischen Szene«, mit Veranstaltungen oder eigenen Medienprojekten. Treffpunkt im realen Leben war das bereits zweimal ausgerichtete »Arcadi«-Fest, wo AutorInnen und LeserInnen mit einem »Pils Identitär« aus dem IB-Laden anstießen, Martin Sellner mit seinem Versand »Phalanx Europa« vertreten war, sein Buch vorstellen durfte, der »nationalistische« Rapper Chris Ares auftrat oder das musikalische Aushängeschild der »Identitären Bewegung«, Melanie Schmitz, Balladen sang. Ein weiteres Projekt, für das Noé bereits Sellner und weitere rechte »Vlogger« gewonnen hat, ist »KRONOS TV«, eine Video-Plattform, die später einmal als »funk von rechts« fungieren soll. Die Szene verspricht sich die Umgehung von »Zensur« und Sperrung ihrer Accounts sowie den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zum »linken Mainstream«.

Next Generation
»Arcadi« ist nicht nur ein rechtes Lifestylemagazin, sondern ein Vernetzungsprojekt – durch personelle Überschneidungen, gegenseitige Bezugnahmen, finanzielle Beziehungen und Treffen außerhalb des virtuellen Raums übernimmt es eine Scharnierfunktion zwischen AfD-FunktionärInnen, Identitären, Burschenschaftern und Neonazis. Im Sinne der Metapolitik der »Neuen Rechten« werden für den »Kulturkampf von Rechts« gezielt Felder des vorpolitischen Raums besetzt. Diese junge Generation (extrem) Rechter hält sich nicht an Koopera­tionsverbote und zeigt keine Abgrenzungstendenzen. Das »polarisiert« innerhalb der Szene, aber das sei auch erwünscht – das Magazin »soll im Grunde genommen die Dämme brechen«, wie es Noé formuliert . Das ist die nächste Generation AfD-PolitikerInnen, die hier heranwächst und die längst in Freundeskreisen und Netzwerken mit extrem Rechten und Neonazis verwoben ist.