Parlamentswahlen in Schweden

von Anne Jessen
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 151 - November 2014

Mit der Parlamentswahl am 14. September 2014 wurde die rechtspopulistische Partei »Sverigedemokraterna« zur drittstärksten Partei im schwedischen Parlament.

»Gestern stimmten 781.120 Schweden für die«, so die Schlagzeile auf dem schwarz eingefärbten Titelblatt der Tageszeitung »Expressen«, danach folgte die Abbildung einer blauen schwedischen Blume, dem Logo der »Sverigedemokraterna« (»Schwedendemokraten«, SD).

Magazin der Rechte rand Ausgabe 151

»Sie haben 781120 Schweden gewählt« titelte die Zeitung Expressen

781.120 Stimmen entsprechen 12,9 Prozent, womit die Partei die drittstärkste nach den »Socialdemokraterna« (»Sozialdemokraten«, S) mit 31,2 Prozent und der bürgerlichen Partei »Moderaterna«, (»Die Moderaten«, M) mit 23,2 Prozent, die unter Staatsminister Fredrik Reinfeldt die bisherige Regierungsmacht innehatte, wurde.
Mit diesem Wahlergebnis konnten die »Sverigedemokraterna« ihren Stimmenanteil im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2010 mehr als verdoppeln (2010: 5,7 Prozent, s. drr Nr. 127) und zogen zum dritten Mal in Folge in den »Riksdag« ein.

Für die Zeitung und viele andere gelten die »Schwedendemokraten« immer noch als eine rassistische, stark ausländerfeindliche Partei, obwohl sie die offen rassistische und rechtsradikale Rhetorik seriös verpackt, und Jimmi Åkesson, der seit 2005 Parteivorsitzender ist, die extremsten Mitglieder aus der Partei warf. Die Partei, die 1988 aus den Resten mehrerer neonazistischer Gruppierungen gegründet wurde, arbeitet seit Jahren an einer Strategie, die jener der rechtspopulistischen »Dansk Folkeparti« (»Dänischen Volkspartei«, DF) sehr ähnelt. Die »Dansk Folkeparti« gilt als ihr politisches Vorbild.
Die Wahlthemen der »Sverigedemokraterna« lagen schwerpunktmäßig auf der starken Begrenzung der Einwanderung nach Schweden und der Abschaffung der multikulturellen Gesellschaft. Laut den »Schwedendemokraten« sollen ImmigrantInnen sich der schwedischen Lebensweise anpassen. Viele Vorschläge zu Flüchtlingsfragen entliehen die SD der dänischen Flüchtlingspolitik.

Das zweite zentrale Thema ist die EU. Die SD ist eine EU-kritische Partei, die es am liebsten sähe, wenn Schweden aus der EU austreten würde (s. drr Nr. 147). Bei den EU-Wahlen im Mai erhielt sie 9,7 Prozent der Stimmen und zwei Plätze im EU-Parlament.
Obwohl die Partei nun die drittstärkste Partei in Schweden ist, wird es für sie schwer parlamentarischen Einfluss zu üben. Sämtliche Parteien im »Riksdag« lehnen es ab, mit ihr zusammenzuarbeiten.
In der Wahlnacht opferte Reinfeldt seine Regierungsallianz der Frage der Zusammenarbeit mit den »Schwedendemokraten« und überließ wie versprochen dem Sozialdemokraten Stefan Löfven die Regierungsmacht. Dieser wiederum setzte ein klares Zeichen: Die Hälfte der 24 MinisterInnen in der neuen rot-grünen Regierung sind Frauen und das Integrationsministerium ist abgeschafft worden.

Welche Rolle werden die »Schwedendemokraten« spielen können? Diese Frage wird in Schweden heftig diskutiert. Im Parlament werden sie ignoriert und isoliert. Dies hängt deutlich mit ihrem neonazistischen Ursprung zusammen – im Gegensatz zu Norwegen und Dänemark, wo die rechtspopulistische »Fremskrittspartiet« und die »Dansk Folkeparti« trotz ihrer fremdenfeindlichen Politik keine neonazistischen Wurzeln haben. Diese beiden Parteien haben einen großen parlamentarischen Einfluss.

Mit der Wahl 2014 haben 781.120 Schweden und Schwedinnen ein Signal gesetzt, dass sie ihre Interessen von der SD vertreten sehen, RassistInnen oder Neonazis sind sie deshalb nicht. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Ursachen für den Zuwachs in der Öffentlichkeit diskutiert werden.
In der dänischen Tageszeitung »Information« erklärt Jimmy Ståhl, ein Hafenarbeiter, der früher aktiv in der Gewerkschaft war, seine Mitgliedschaft bei den »Schwedendemokraten« so: »Die Probleme, auf die die Partei zeigt, können nicht einfach als rassistisch verurteilt werden. Eigentlich meine ich, dass die Parteien, die die Wohlfahrt beschneiden, den Rassismus befördern. Reinfeldt hat den bürgerlichen Arbeiter mit Steuererleichterungen hinters Licht geführt. Es sind ja die mit den niedrigsten Löhnen, die am wenigsten davon profitiert haben – dagegen bekommen sie die schlechteste Wohlfahrt.« Er ist davon überzeugt, dass die Partei breiter akzeptiert werden wird.

Die Botschaften der »Sverigedemokraterna« werden durch andere Kanäle wie zum Beispiel soziale Medien verbreitet. Es sind Botschaften wie Jimmy Ståhl sie formuliert hat. Das schwedische Establishment ist der Meinung, dass der Erfolg der SD darauf beruht, dass die Arbeiterklasse intoleranter geworden ist. Das etablierte Schweden »versteht nicht, dass es um einen sozio-ökonomischen Konflikt geht. Um verschiedene Gruppen, die um weniger Ressourcen kämpfen«, sagt Dan Andersson, ehemaliger Chefökonom des schwedischen Gewerkschaftsbundes. »Der Zulauf zu den Schwedendemokraten ist Resultat der Verringerungen in der Wohlfahrt und den Sozialleistungen, die in den letzten acht Jahren unter Reinfeldt aggressiv zugenommen haben«, meint Andersson.

Eine Strategie des Ignorierens kann nur Erfolg haben, wenn das gesellschaftliche Establishment und besonders die Sozialdemokraten, die in Skandinavien historisch immer stark waren, die sozio-ökonomischen Ursachen und Probleme erkennen, diskutieren und Lösungen formulieren, die eine ökonomische Umverteilung der gesellschaftlichen Werte mit einbeziehen. Darauf warten wir noch. Bis jetzt sind es die Rechtsnationalisten, die mit ihren Lösungen Erfolg haben.
In Schweden und in anderen Teilen Europas.