Welche Chancen hat Marine Le Pen?

von Bernard Schmid

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 165 - März/April 2017

Nicht mehr im Programm enthalten ist die Rückkehr zur 1981 in Frankreich abgeschafften Todesstrafe, deren Wiedereinführung allerdings in Umfragen in den letzten Jahren – anders als früher – auch keine Mehrheit mehr findet. Der FN nutzt diese Positionierung, um seine relative »Mäßigung« zu unterstreichen, im Hinblick auf den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl, bei dem er WählerInnen aus anderen politischen Lagern herüberziehen möchte. Allerdings hält die Partei sich eine Hintertür offen, denn über eine »Volksinitiative für ein Referendum« – nach Vorbild von schweizerischen Abstimmungen – soll eine Wiedereinführung dennoch möglich sein.

Mehr für alle
In sozioökonomischer Hinsicht gibt es ebenfalls ein paar Verschiebungen. Die 2012 erhobene Forderung nach Erhöhung der Niedriglöhne um je 200 Euro – vor allem durch den Abbau von Sozialabgaben der Lohnabhängigen und Arbeitgeber – findet sich nicht mehr im Wahlprogramm. Dort bleibt allein eine Sondersteuer in Höhe von drei Prozent auf alle Importprodukte bestehen. Diese soll angeblich dazu führen, dass eine »Kaufkraftprämie« von achtzig Euro monatlich an gering verdienende Lohnabhängige ausbezahlt werden könne.
Gleichzeitig hat der FN sein programmatisches Repertoire um wirtschaftsliberale Vorschläge erweitert. So sollen wohlhabende Personen – die etwa bei der Übertragung einer im Familienbesitz befindlichen Firma Erbschaftssteuern sparen möchten – alle fünf Jahre bis zu 100.000 Euro an Schenkungen an ihre Familienmitglieder gänzlich steuerfrei durchführen können. Derzeit ist dies nur alle fünfzehn Jahre möglich, selbst der rabiat wirtschaftsliberal auftretende bürgerliche Kandidat François Fillon will diesen Zeitraum »nur« auf zehn Jahre senken.
An Lohnabhängige gerichtet wird der Vorschlag unterbreitet, ihnen ein monatliches Mehreinkommen ganz ohne Lohnerhöhungen zu ermöglichen, indem sie steuerbefreite Überstunden ableisten können. Das hatte bereits der damalige Präsident Nicolas Sarkozy 2007 gesetzlich festschreiben lassen. Als Folge der wirtschaftlichen Rezession wurde diese Option kaum in Anspruch genommen. Die sozialdemokratische Regierung schaffte die Regelung 2012 wieder ab, sie wollte eher Personaleinstellungen als häufige Überstunden bevorzugen. In den letzten Monaten nahmen sowohl der Konservative Fillon als auch der – im Januar gescheiterte – rechtssozialdemokratische Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur Manuel Valls diese Maßnahme in ihre jeweiligen Programme auf. Nun also auch der »Front National«.