Folgerungen aus dem NSU?

von Gerd Wiegel
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

Isolierung Thüringens im Verfassungsschutzverbund geführt, denn kein anderes Bundesland war zu einem solchen folgenreichen Schritt bereit.

Motiv Rassismus erkennen

Neben dem Verfassungsschutz war es vor allem die als strukturell rassistisch kritisierte Ermittlungsarbeit der Polizei im Rahmen der Ceska-Mordserie, die massive Änderungen nahelegte. In den Antworten der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion »Die Linke« nach Umsetzung der Empfehlungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses NSU fällt die starke Differenz zwischen Polizei (BKA und Bundespolizei) auf der einen und Verfassungsschutz und Justiz auf der anderen Seite auf. Während für den Bereich der Polizei die Thematisierung der NSU-Erfahrungen in Aus- und Fortbildung sehr detailliert aufgeführt wird, finden sich bei Verfassungsschutz und Justiz nur allgemeine Bekenntnisse.
Eine zentrale Folgerung für die in zahlreichen Fällen strukturell ­rassistischen Ermittlungen zog die Empfehlung Nr. 1 des Untersuchungsausschusses. Demnach soll bei Gewaltdelikten, die aufgrund der Person des Opfers einen rassistischen oder anderen politischen Grund haben könnten, dieser geprüft und der Vorgang dokumentiert werden. Lange hat es gedauert, bis die Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Empfehlung zwischen Bund und Ländern abgestimmt und formuliert wurden. Ob sie jedoch in der Praxis die Ermittlungsarbeit der Polizei verändern, muss abgewartet werden. Die Bundesregierung legte einen Gesetzentwurf vor, mit dem es unter anderem zu einer Verschärfung von §46 StGB gekommen ist, womit eine festgestellte »rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende« Motivation einer Tat als strafverschärfend gewertet werden soll. Viele ExpertInnen verweisen darauf, dass es sich bei dieser Verschärfung vor allem um Symbolpolitik handelt. Einerseits, weil eine höhere Strafzumessung bei entsprechender Motivation auch vorher schon möglich gewesen sei und andererseits, weil nicht die Frage der Strafzumessung, sondern die Berücksichtigung und Thematisierung der rassistischen Motivation entscheidend sei. Noch immer wird diese Dimension bei zahlreichen Taten bagatellisiert oder schlicht nicht zur Kenntnis genommen.

Fazit

Auf politischer Ebene sind Schlussfolgerungen aus dem NSU gezogen worden, wenn auch teilweise nicht weitgehend genug und aus antifaschistischer Sicht häufig die falschen. Ob die im positiven Sinne veränderten Rahmenbedingungen zur rassistischen Tatmotivation tatsächlich zu einer größeren Sensibilität führen, bleibt abzuwarten. Die Reaktionen auf die Tat von München am fünften Jahrestag der Breivik-Morde waren ernüchternd: Rassistische Einstellungen des Täters, Menschen mit Migrationshintergrund als Opfer und Tatausführung am Jahrestag eines der schlimmsten extrem rechten Massaker – und dennoch war das Wort »Rechtsextremismus« als Element der Tatmotivation nur (und ausgerechnet) vom bayerischen Innenminister Joachim Hermann zu hören. Es scheint so, als falle die Politik sehr schnell hinter den selbstformulierten Anspruch beim Thema Rechtsterrorismus zurück.