Folgerungen aus dem NSU?

von Gerd Wiegel
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

ARD-Trilogie oder auch die zahlreichen Dokumentationen zum NSU, Hintergrundartikel und Recherchen zum Thema, dann wird dem Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit so ziemlich jedes Verbrechen in diesem Zusammenhang zugetraut – von der bewussten Verhinderung der Festnahme des Trios, über die Kenntnisse ihres Aufenthaltes und wahlweise auch ihrer Taten bis hin zur Liquidierung von ZeugInnen, die zur Aussage bereit sind. Die hierfür gesammelten und präsentierten Indizien, die sich bisher jedoch nicht handfest beweisen lassen, perlen freilich am Amt ohne jegliche sichtbaren Folgen ab.
Noch während des laufenden ersten NSU-Untersuchungsausschusses wurden die Weichen in Richtung Stärkung des Bundesamtes gestellt. Unverzüglich und mit einer an anderen Stellen vergeblich erhofften Schnelligkeit wurde das »Gemeinsame Abwehrzentrum Rechts« (GAR) gegründet, das dann kurze Zeit später, der Extremismuslogik folgend, zum »Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum« (GETZ) mutierte. Hier wird der vom Ausschuss tatsächlich angemahnte bessere und schnellere Austausch von Informationen zwischen Polizei und den Verfassungsschutzbehörden organisiert – immer unter Wahrung des Trennungsgebots, wie natürlich versichert wird.

Fehler im System

Herzstück der Veränderungen beim VS ist die Reform des Verfassungsschutzgesetzes des Bundes (Bundestagsdrucksache 18/4654), die 2015 verabschiedet wurde. Neu geregelt wird hier der Informationsaustausch im Verfassungsschutzverbund, womit dem Bundesamt die Funktion einer Zentralstelle zugebilligt wird. In den Landesämtern stieß diese Änderung auf wenig Begeisterung, will man sich hier doch nicht auf eine Zuträgerrolle für das BfV reduzieren lassen. Zentraler Punkt in der Debatte zum Gesetzentwurf waren jedoch die Regelungen für den Einsatz von verdeckten MitarbeiterInnen sowie Vertrauenspersonen (VP). Insbesondere der Einsatz letzterer – angeworbene Spitzel aus der Neonazi-Szene – hatte im Rahmen der NSU-Untersuchungsausschüsse gezeigt, dass sich das V-Leute-System in Teilen zu einer Finanzierungs- und Organisationsbasis für die extrem rechte Szene entwickelt hatte, die entweder völlig aus dem Ruder gelaufen war oder mit welcher bewusst die Szene gesteuert und finanziert wurde. Eklatante »Auswüchse«, welche die PUA-NSU bekannt gemacht hatten, sollte das Gesetz eindämmen. So dürfen die Honorare nicht länger die Hauptfinanzierungsquelle der V-Leute darstellen, die »erlaubten« szenetypischen Straftaten fasst das Gesetz genauer und es konkretisiert die Ausschlussgründe für die Werbung von Spitzeln. »Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden« sind, sollen die Anwerbung und den Einsatz grundsätzlich ausschließen. Damit sollte auf den Fall »Piatto« (Carsten Szczepanski) reagiert werden, einem V-Mann aus dem NSU-Zusammenhang, den das Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg trotz schwerster Straftaten angeworben hatte. Ausnahmen sind, so wird es in der Begründung zum Gesetz formuliert, jedoch unter Abwägung der konkreten Umstände möglich und da in solchen Fällen die Behördenleitung die Entscheidung treffen kann, werden die errichteten Barrieren gleich wieder eingerissen.
Sieht man sich die aktuelle Debatte zu der Frage an, ob Uwe Mundlos und Beate Zschäpe möglicherweise zwischen 2000 und 2002 in Firmen eines damaligen V-Mannes des Bundesamtes (Ralf Marschner) beschäftigt waren, dann wird die fatale Wirkung der V-Leute deutlich. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dann zeigt sich bestenfalls die Nutzlosigkeit des Mittels, da der V-Mann dem Amt zentrale Ereignisse eben nicht berichtete oder – schlimmer, aber nicht unwahrscheinlich – das Amt kannte durch seinen V-Mann den Fakt, wollte aber aus Gründen des Quellenschutzes keine Informationen an die Polizei weitergeben. Wie immer die Antwort ausfallen wird, die einzig richtige Schlussfolgerung aus dem NSU-Skandal wäre der sofortige Verzicht auf das Mittel VP gewesen.
Durchgreifende Veränderungen beim Verfassungsschutz hat es indes nirgends gegeben. Zwar mussten diverse Amtschefs nach dem Auffliegen des NSU ihren Hut nehmen, strukturell hat sich jedoch wenig bis nichts geändert. Selbst eine angemahnte und von Bund und Ländern 2012 beschlossene zentrale V-Leute-Datei ist erst Ende 2015 eingerichtet worden. Einzig in Thüringen wurde von der rot-rot-grünen Landesregierung der generelle Verzicht auf V-Leute erklärt, wenngleich man sich auch hier eine Hintertür (besondere Lagen) offen gelassen hat. Dennoch hat diese einschneidende Entscheidung zu einer weiteren