NSU: Mühsame Aufklärung

von Sandra Lex und Ernst Kovahl
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

die Abgetauchten – auch, dass sie sich um den Kauf von Waffen bemühten und mutmaßlich Straftaten begingen. Die Polizei, die mit teils immensem Aufwand nach den dreien fahndete, berichtete, der Geheimdienst habe Informationen zurückgehalten. Einzelne BeamtInnen notierten, der Verfassungsschutz habe die abgetauchten Neonazis gar geschützt. Ein internes Papier des Bundeskriminalamtes warnte 1997 davor, dass der Geheimdienst die Szene aufbaue, finanziere, ausstatte und schütze. Die Arbeit von Spitzeln habe einen »Brandstifter-Effekt« (s. drr Nr. 150). Bis heute ist das System der V-Leute und ihrer Führung eines der undurchschaubarsten Kapitel im Fall des NSU.

Untersuchungsausschüsse

Gegenüber den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gab und gibt es eine hohe Erwartungshaltung, die teils aus der Logik der Ausschüsse, teils aus Behinderung durch Regierungen und teils aus mangelndem Engagement jedoch nicht immer erfüllt werden. Die Abschlussberichte der ersten Ausschüsse des Thüringer Landtages und des Bundestages sind im Vergleich Meisterwerke. Aber auch spätere Berichte und durch öffentliche ZeugInnenbefragungen gewonnene Erkenntnisse haben intime Einsichten in die Neonazi-Szene und das Innenleben der Behörden erlaubt. Für eine erfolgreiche Ausschussarbeit, für Öffentlichkeitswirksamkeit und vor allem für politische Konsequenzen braucht es aber mehr als gute Arbeit von ParlamentarierInnen, es braucht öffentliches Interesse, Antifa-Recherchen, politische Begleitung und Druck.

Antifaschistische Recherchen

Die Menge an Informationen, die zum NSU bekannt geworden ist, stellt AntifaschistInnen vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe: Wie soll all das Wissen gesammelt, archiviert und analysiert werden, ohne dass in nächster Zeit ein Großteil davon verloren geht? Wer soll all dies leisten und zugleich die politisch wichtige Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit machen, und das in Zeiten, wo mehr denn je die Präsenz auf der Straße gefordert ist? Es gibt darauf wahrscheinlich keine befriedigende Antwort. Doch was Initiativen, Antifa-Gruppen, Archive und Redaktionen in den letzten Jahren begonnen haben, scheint ein guter Weg zu sein, nämlich Prozess und Untersuchungsausschüsse zu beobachten und zu dokumentieren, Material zu sammeln und Analysen zu erstellen. Noch nie zuvor war es möglich, so viele Erkenntnisse über die militanten Neonazi-Szenen der letzten 20 Jahre zu gewinnen – nicht zuletzt, weil der politische Druck Behörden und Verfassungsschutzämter gezwungen hat, bisher geheim gehaltene Akten offen zu legen. Es ist ein großes Wissen und unterschiedliche Kompetenzen in dem Themenfeld entstanden, die in naher Zukunft gebündelt und weitergegeben werden sollten.

Wissenschaft

Wer etwas Anschub gebrauchen könnte, wäre die kritische wissenschaftliche Welt, die sich bisher mehr oder weniger auf den eingefahrenen Bahnen der Parteien- und Einstellungsforschung bewegt. Bis auf einige Ausnahmen hört man vor allem Stimmen, die Forschungslücken beklagen – aber wenige Ansätze für eine konkrete wissenschaftliche Beschäftigung. Bezeichnenderweise sind es vor allem ForscherInnen an den Fachhochschulen sowie junge NachwuchswissenschaftlerInnen, die sich mit dem Thema beschäftigen, die etablierten Universitäten hingegen glänzen weitestgehend mit Schweigen.

Offene Fragen

Auch nach fünf Jahren NSU-Aufklärung bleiben viele Fragen offen. Statt fertige Antworten zu geben, sollten wir weiterhin Fragen stellen und auf Beantwortung drängen. Zu beleuchten sind unter anderem die nicht geklärten Vorgänge um den NSU-Mord an Halit Yozgat in Kassel, die Rolle