NSU: Mühsame Aufklärung

von Sandra Lex und Ernst Kovahl
Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 162 - September 2016

keine isolierte Zelle und auch kein »Trio« war, sondern als Netzwerk begriffen werden muss. »Im Untergrund, aber nicht allein«, so beschrieb es die Journalistin Andrea Röpke. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe kamen aus militanten Neonazi-Strukturen (»Thüringer Heimatschutz« und dem Milieu von »Blood & Honour«), in dem sie zahllose Kontakte pflegten. Auch im »Untergrund« hielten sie Kontakt zu »KameradInnen«, die ihnen halfen, wie an Zschäpes Mitangeklagten deutlich wird. Carsten Schultze und Ralf Wohlleben sollen die Mordwaffe besorgt haben, Holger Gerlach habe seine Identität zur Verfügung gestellt und Kontakt mit den Untergetauchten gehalten. André Eminger wird vorgeworfen, Mietwagen für die Taten gemietet zu haben und ist wegen Beihilfe zum Sprengstoffanschlag 2001 und wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt.
Dennoch geht im Strafverfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht, das seit 2013 gegen fünf Personen geführt wird, der Generalbundesanwalt davon aus, dass ein Trio am Werk gewesen sei. Ob es MitwisserInnen oder MittäterInnen gab, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Auch ob weitere Personen verfolgt werden, die zwischen 1998 und 2011 Kontakt zu Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hielten – so etwa Susan Eminger –, ist unklar. Die Frage nach einem Netzwerk hat keinen Platz in der Anklage und muss immer wieder von den VertreterInnen der Nebenklage und der kritischen Öffentlichkeit aufgeworfen werden.

Rassismus

Eine zweite Erkenntnis ist zentral für das Verständnis der Geschehnisse: Rassismus spielte im NSU-Komplex eine entscheidende Rolle. Die Taten waren rassistisch motiviert, die Radikalisierung der TäterInnen fiel in eine Zeit, in der die Neonazi-Szene noch von den Erfahrungen der rassistischen Stimmungsmache, den Übergriffen und Morden zu Beginn der 1990er zehrte. In den 2000er Jahren offenbarte sich mit den voreingenommenen und auf die Opfer fokussierten Ermittlungen zu der Mordserie und dem Anschlag in der Keupstraße der Rassismus in den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden. Es ist ein Fakt, dass dem NSU bekannt war, dass die ErmittlerInnen die Täter für die Serienmorde im Drogenmilieu und der Organisierten Kriminalität suchten. Die Polizei ging davon aus, dass die Opfer selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen seien. Es ist anzunehmen, dass der NSU keinen Anlass sah, die wahren Gründe für die Taten zu offenbaren und die Stigmatisierung der Opfer wohlwollend in Kauf nahm. »Am Dönerstand herrschen Angst und Schrecken. Kommt er vorbei, müssen sie verrecken«, höhnte 2010 die Neonazi-Band »Gigi und die braunen Stadtmusikanten« in ihrem Lied »Döner-Killer« – ein Zeichen, dass die extrem rechte Szene auch ohne Kenntnis der wahren Hintergründe die Taten verstand und guthieß. Die Botschaft des NSU war angekommen – in den migrantischen Communities und in der Neonazi-Szene.

Blackbox Verfassungsschutz

Die Verfassungsschutz-Ämter sind tief in den NSU-Komplex verstrickt. In den 1990er Jahren war gerade die Thüringer militante Neonazi-Szene rund um den THS von Spitzeln umstellt. Mit Tino Brandt stand ein V-Mann des Thüringer Dienstes an der Spitze, die drei späteren NSU-Mitglieder waren Teil der Struktur und in ihr aktiv. Auch mehrere der späteren NSU-UnterstützerInnen kamen aus der mit V-Leuten mehrerer Ämter durchsetzten Szene zwischen Jena und Saalfeld. Mehrfach erhielten die Verfassungsschutzämter Informationen über