»Sie werden sich wundern, was alles gehen wird!«
von Carina Klammer
Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016
Österreich geht nach rechts
Die Polarisierung der Gesellschaft, die nach der Wahl gern diagnostiziert wurde, ist jedoch weder neu noch hat sie nach der Wahl messbar zugenommen. Wie in anderen europäischen Ländern verlieren auch in Österreich die sogenannten Großparteien an Bedeutung jedoch mit dem Unterschied, dass Parteien links der Mitte davon kaum profitieren können. Van der Bellen trat nicht zufällig als unabhängiger Kandidat an. So verstellt vor allem die Rede von der »Spaltung des Landes« vielmehr den Blick darauf, dass sich in Österreich politische Inhalte seit geraumer Zeit eher angleichen als auseinanderzudriften – nämlich nach rechts (s. drr Nr. 157).
Tatsächlich polarisierend wirkte jedoch, dass die FPÖ mit ihrem politischen NS-Erbe wieder äußerst unverhohlen kokettierte. 50 Prozent der Van-der-Bellen-WählerInnen nannten die Verhinderung von Hofer als ihr primäres Wahlmotiv. Mehrfach wurde offengelegt, dass Hofer Ehrenmitglied der schlagenden Burschenschaft »Marko-Germania zu Pinkafeld« ist, die sich im Rahmen ihrer deutschnationalen Ideologie vielmehr zum »deutschen Kulturraum«, denn zur österreichischen Nation bekennt. Zu ihrer ‹Angelobung› (Vereidigung) als Abgeordnete im Jahr 2013 hefteten sich Hofer und seine Parteikollegen blaue Kornblumen ans Knopfloch. Die Kornblume war das Erkennungszeichen der illegalen NSDAP, die im Juni 1933 von Kanzler Engelbert Dollfuß verboten wurde. Das engste Umfeld von Hofer ist einschlägig bekannt. Rene Schimanek etwa, der heute Hofers Büro leitet, demonstrierte schon 1987 mit dem Neonazi-Kader Gottfried Küssel.
Während Hofers politischer Hintergrund kurzfristig international für Schlagzeilen sorgte, versandete ein Großteil der medialen Auseinandersetzung in Österreich im typischen Jargon inhaltsleerer Kommunikations- und ExpertInnen-Analysen sowie resignierendem bis ignorierendem Schulterzucken angesichts der Normalisierung rechten Denkens und Agierens. Hofer selbst inszenierte sich als Mann der Mitte. Stets mit einem Lächeln auf den Lippen, ruhig, gelassen und – laut Eigenangabe – mit Vernunft. Teile der »Österreichischen Volkspartei« (ÖVP) sowie auch der »Sozialdemokratischen Partei Österreichs« (SPÖ) gerieten mitunter ins Schwärmen.
Im ersten Wahlgang lag Hofer mit 35 Prozent der Stimmen noch deutlich vorn, gefolgt von Van der Bellen mit 21 Prozent. Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss, ehemalige Höchstrichterin, galt zunächst als liberale Konkurrenz zu Van der Bellen. Kurz vor der Wahl meldete sie sich mit verharmlosenden Aussagen zum Nationalsozialismus zu Wort und erhielt 20 Prozent der Stimmen. Die Einschätzungen, wohin ihre Stimmen in der Stichwahl wandern würden, fielen deshalb durchwachsen aus. Danach folgten deutlich abgeschlagen die beiden Kandidaten der »Großparteien«, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) mit elf Prozent und Andreas Kohl (ÖVP) mit ebenfalls elf Prozent. Der Baumagnat Richard Lugner kam mit seiner PR-Kandidatur nur auf zwei Prozent. Die Stichwahl gewann Van der Bellen mit 50,3 Prozent beziehungsweise mit 31.026 Stimmen Vorsprung. Letztendlich waren es die Stimmen der »Auslands-Österreicher«, also der BriefwählerInnen, die Hofer den Sieg gekostet hatten. Für die FPÖ gab es dafür zunächst nur eine Erklärung: Wahlbetrug. Zwar waren wahrscheinlich schon beim ersten Wahlgang, als Hofer deutlich den ersten Platz einnahm, Wahlkarten zu früh geöffnet und ausgezählt worden, aber: Gestern war gestern und heute ist eben heute. Einmal mehr offenbart sich das instrumentelle Verhältnis der FPÖ zur Demokratie, die immer dann ernst genommen wird, wenn sie dem eigenen Machtzuwachs dienlich ist. Nachdem keine Manipulation der Wahl festgestellt werden konnte, bleibt die Annullierung der Wahl aufgrund der Handhabung der Briefwahlstimmen und der zu frühen Bekanntgabe der ersten Ergebnisse am Wahltag jedoch nicht gänzlich unumstritten.