»Ungewöhnliche Geschichtsschreibung«

von Robert Andreasch
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 121 - November / Dezember 2009

Die Renaissance von Joachim Fernau

Unerwartet, zum einhundertsten Geburtstag erinnerte sich die extreme Rechte plötzlich an den 1988 verstorbenen Schriftsteller Joachim Fernau und gedenkt seiner mit einer Bildmonographie und Veranstaltungen.

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Kubitschek und Lehnert vor dem Haus der »Danubia« © Robert Andreasch

Auf »über hundert Gäste« hofften Götz Kubitschek (Albersroda) und Erik Lehnert (Berlin) vom »Institut für Staatspolitik« am Abend des 11. September 2009 vor der Villa der »Burschenschaft Danubia« in München. Zusammen mit Gabriele Fernau (München) stellten sie im Festsaal der völkischen Burschen den von ihnen herausgegebenen Band »Joachim Fernau – Leben und Werk in Texten und Bildern« vor, ein recht grob aus Archivalien der Witwe Fernaus zusammengeschustertes Buch. Der groß angekündigte Auftakt zu zwei »Fernau-Abenden« der »Edition Antaios« (in München und Hamburg) zum hundertsten Geburtstag des Schriftstellers misslang. Nur zwei Dutzend Fernau-Fans erschienen, darunter bündische Aktivisten, die »Pro München«-Funktionäre
Stefan Werner und Rüdiger Schrembs sowie die einschlägig bekannten Ex-Militärs Klaus Hammel und Fritz Zwicknagl. Immerhin spazierte mit DVU-Bundespressesprecher Andreas Molau noch etwas rechte Prominenz herein.

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Der rechte Rand. Das antifaschistische Magazin (Hrsg.) Das IfS. Faschist*innen des 21. Jahrhunderts Einblicke in 20 Jahre »Institut für Staatspolitik« 184 Seiten | zahlreiche Fotos | 2020 | EUR 12.80 ISBN 978-3-96488-074-1

Fernau vor 1945
Wenige hundert Meter vom Haus der Danubia entfernt befindet sich auf dem Friedhof von St. Georg im Münchner Stadtteil Bogenhausen das Grab des am 11. September 1909 in Bromberg/Westpreußen geborenen Fernau. 1936 begann dessen journalistische »Karriere« als »Kunstbetrachter« bei der nationalsozialistischen Olympia-Zeitung. Ab November 1939 nahm Fernau als Soldat am Polenfeldzug teil. Nach militärischer Ausbildung in der »Leibstandarte Adolf Hitler« ging er im Jahr 1940 zur Kriegsberichterkompanie der Waffen-SS und arbeitete für Goebbels Propagandablatt »Das Reich«. 1944 beschwor Fernau in widerlichen Durchhalteartikeln den Glauben an eine Wunderwaffe Hitlers. Noch nach der Landung der Alliierten in der Normandie verfasste er die Radioansprache »Das Geheimnis der letzten Kriegsphase«, die auch der »Völkische Beobachter« druckte. »Spätere Zeiten« würden es dereinst ganz »klar und deutlich sehen […] daß es auszurechnen gewesen sein mußte, warum Deutschland siegte«. Fernau forderte von den Deutschen eine »letzte große Anstrengung«, denn: »Der Sieg ist wirklich ganz nahe.«

… und danach
Fernau ging nach dem Nationalsozialismus zuerst nach Bielefeld, ab 1949 nach München, von wo aus seine Publizistik eine bemerkenswerte Kontinuität besaß: 1952 verfasste er das Buch »Deutschland, Deutschland über alles… von Arminius bis Adenauer«. Was eine populär geschriebene Geschichte »der Deutschen« sein sollte, war in Wirklichkeit ein Eintopf aus Fakten, Erfindungen und populistischen Phrasen auf Stammtischniveau. »Disteln für Hagen«, Fernaus 1966 erschienene Version des Nibelungenlieds, machte dem Untertitel »Bestandsaufnahme der deutschen Seele« alle Ehre: »Denn das ist es, was die Seele der Deutschen braucht: das Makellose, nicht die Wahrheit.« Fernau blieb Antidemokrat: »Darf Quantität über Qualität gehen?« fragte er 1953 rhetorisch in seiner »Fibel der Demokratie«.

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Grab von Joachim Fernau in München © Robert Andreasch

Ehrerbietungen posthum
In rechten Kreisen wird der Bestsellerautor Fernau verehrt. Als der Verlag Herbig, bis vor kurzem unter der Leitung von Herbert Fleissner, Preisträger der »Gesellschaft für freie Publizistik«, die bekanntesten Fernau-Bücher 2009 in neuer Edition und als Hörbücher veröffentlichte, inserierte der  Buchverlag ganzseitig in der extrem rechten Zeitschrift »Deutsche Geschichte«. Zum hundertsten Geburtstag Fernaus erkannte die »Nationalzeitung« in dem 1988 in Florenz gestorbenen Schriftsteller einen »Meister der ungewöhnlichen Geschichtsschreibung«, auf »sezession.de« schwärmte Ellen Kositza über die »Vielfachbegabung« und Götz Kubitschek über die »berühmtesten Bücher« des »Nationalschriftstellers im alten Sinne des Wortes«, wie Armin Mohler einst in »Criticón« über Fernau schrieb. Von »rhetorischer Brillanz« und »genialen Formulierungen« Fernaus wollte die Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) wissen und feierte den »erfrischend reaktionären« Autoren mit einer 16-seitigen Sonderbeilage zur Ausgabe 38/2009 als »einen der wenigen faszinierenden deutschen Schriftsteller nach 1945« ab. Martin Lichtmesz gratulierte darin dem Jubilar und lobte dessen »ungeheure Ketzereien gegen bundesrepublikanische Denk- und Sprachregelungen«. Im JF-Interview sprach Gabriele Fernau vom »bitteren Ende 1945«, von »Meinungssoldaten« in den heute »gleichgeschalteten« Medien, und spottete – im Tonfall ihrem verstorbenen Mann ähnlich: »In Italien bekommt keiner Halsschmerzen, wenn er das Wort Vaterland ausspricht.« Marleen Loebuch bewunderte in der »Nationalzeitung « Fernaus »Festhalten an Werten«, die »man uns heute versucht abzutrainieren, zum Beispiel Selbstdisziplin, Treue, Verantwortungsgefühl, Pflichtbewusstsein und Ehrfurcht.«

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Anschlussstellen im Werk Fernaus
Fernaus Werk bietet sich für solche Anschlüsse und Lobhudeleien vor allem aufgrund der tatsächlichen Fülle an Ressentiments und deutschen Sentiments an, die es konsequent durchzieht. In dem 1977 veröffentlichten Buch »Halleluja – die Geschichte der USA« lässt Fernau beispielsweise kein antiamerikanisches Stereotyp aus. »Die Regierungsform der USA ist laut Fernau der Kapitalismus schlechthin. Kapitalismus sagt nach seiner Meinung nichts über die Verteilung der Produktionsmittel aus, sondern legt vielmehr den Übergang von der Herrschaft des Volkes (in der Demokratie) zur Diktatur der Hochfinanz dar« loben Aktivisten der JN Chemnitz am 11. September 2009 auf dem rechten Internetportal »Altermedia« genau dieses Buch und erinnern ebenfalls an den hundertsten Geburtstag des »revolutionären Autors«: »Die Quintessenz seines Werkes ist das Bekenntnis zum Deutschsein«.