Schweigen als Prozessstrategie

von Björn Elberling

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 156 - September / Oktober 2016

Die Medienberichterstattung zu Beate Zschäpe und ihren VerteidigerInnen beschränkt sich zumeist auf interne Streitigkeiten und haltlose Spekulationen, ob die Angeklagte doch noch »reden« werde. Wenig ist hingegen über die Verteidigungsstrategie Zschäpes und ihrer AnwältInnen zu lesen.

 

Der dunkle Fleck mag auch daher rühren, dass es nicht leicht ist, am Handeln der VerteidigerInnen Heer, Stahl und Sturm eine Strategie festzumachen. Und der neu berufene vierte Verteidiger Grasel ist bisher nur wenig in Erscheinung getreten.
Einen möglichen Grund hierfür hat Zschäpe vor kurzem gegenüber dem Gericht offenbart: Zur Begründung ihres Antrags, Rechtsanwältin Sturm zu entpflichten, zitiert sie aus einem Brief der drei VerteidigerInnen an sie. Darin beschweren sich diese, die Verteidigung werde dadurch erheblich erschwert, dass Zschäpe ihr exklusives Wissen nur sehr eingeschränkt mit ihnen teile. Die Angeklagte spricht somit auch mit ihren VerteidigerInnen nur wenig über das Leben im Untergrund, über Struktur und Taten des NSU. Diese fehlende Offenheit verstärkt nicht nur den Eindruck vieler ProzessbeobachterInnen, dass Zschäpe im Prozess sehr kontrolliert und kontrollierend vorgeht – was wiederum Aufschluss über ihre Rolle im Verhältnis zu ihren toten Komplizen Mundlos und Böhnhardt geben kann. Gleichzeitig könnte dieses Verhalten erklären, warum in ihrer Verteidigung nur selten ein ›roter Faden‹ erkennbar ist.

Klar ist hingegen, dass die VerteidigerInnen Zschäpe ausdrücklich geraten haben, zu den Vorwürfen zu schweigen – mehr noch, sie haben ihr »verboten«, durch Mimik oder Gestik auf das Geschehen im Gerichtssaal zu reagieren. Der Rat zu schweigen scheint konsequent, denn was sollte sie mit einer Aussage erreichen? Eine politische Verteidigung, die sich zu den Taten und der Ideologie bekennt, oder eine wie die von Wohlleben, welche die bestehenden Beweismittel anzugreifen versucht und dabei auch mitunter zu rechten Verschwörungstheorien greift, will Zschäpe offenbar nicht. Das hat sie schon mit der Wahl ihrer politisch farblosen VerteidigerInnen deutlich gemacht.

Bleibt nur der Versuch, ihre eigene Rolle innerhalb des NSU, ihre mittäterschaftliche Verantwortung für dessen Taten, in Frage zu stellen und sich als weitgehend ahnungslos darzustellen. Dazu darf sie aber nicht reden, kein Wort, denn sonst sähe sie sich Nachfragen von Gericht, Bundesanwaltschaft und Nebenklage ausgesetzt. Und im Strafprozess gilt: Wenn eine Angeklagte konsequent schweigt, darf dies nicht gegen sie verwendet werden. Wenn sie aber zu bestimmten Punkten aussagt, zu anderen nicht, darf das Gericht aus diesem ›Teilschweigen‹ belastende Schlüsse ziehen. Diese Situation wollen die VerteidigerInnen wohl vermeiden – nachvollziehbar anhand der Fülle sachlicher Beweismittel für eine mittäterschaftliche Rolle Zschäpes, die sie nicht würde wegerklären können.

Aus diesem Grund muss die Verteidigung versuchen, ihre These von Zschäpe als »Hausfrau im Untergrund« ohne eine Einlassung der Angeklagten zu verfechten; und das versucht sie. Dabei stellt die Verteidigung nicht wirklich in Frage, dass Zschäpe wie Böhnhardt und Mundlos natürlich Neonazi war – von Rechtsanwalt Stahl fiel in einer Stellungnahme zu den Aufklärungsbemühungen der Nebenklage einmal der Satz, dass das damals »alles stramme Rechtsradikale« gewesen seien, bezweifle doch niemand.

Aktiv wird die Verteidigung, wenn es darum geht, einzelne Beweisaspekte anzugreifen, welche die Rolle Zschäpes innerhalb des Trios betreffen. So stützt sich die Anklage unter anderem darauf, sie habe bei gemeinsamen Reisen das Geld verwaltet – keine Urlaubsbekanntschaft, welche die Verteidigung hierzu nicht befragt hätte. Zur angeblich mangelnden Gewaltbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit Zschäpes werden alte Neonazibekanntschaften als ›Leumundszeugen‹ befragt.

Gleichzeitig hat die Verteidigung den sonstigen Beweismitteln zur Rolle ihrer Mandantin wenig entgegenzusetzen. So wurde in der NSU-Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 eine Datei mit einer Wette aus dem Jahr 2006 gefunden, bei der Zschäpe den Wetteinsatz »200x ­Videoclips schneiden« bot. Doch Videoschnitte enthielt einzig das NSU-Bekennervideo. Verteidiger Stahl präsentierte mit Getöse die Alternative dazu: Zschäpe habe bei Mitschnitten der Fernsehserie »Dr. House« die Werbung rausgeschnitten. Dass die Aufnahmen gar nicht beim Trio gefunden wurden und die Serie zum Zeitpunkt der Wette noch gar nicht in Deutschland ausgestrahlt wurde, war ihm anscheinend entgangen.

Anders liegt der Fall bei der Brandlegung in der Frühlingsstraße. Hier ist Zschäpe wegen versuchten Mordes angeklagt, denn in der Nebenwohnung lebte eine schwer hör- und gehbehinderte alte Dame, deren Leben in Gefahr war. Gegenüber ihrem damaligen Verteidiger hat Zschäpe wohl schon im November 2011 darauf gedrängt, dass die Nachbarin aussagt, sie habe noch bei ihr geklingelt, damit sie das Haus verlasse. Diese Verteidigungsstrategie verfolgen Heer, Stahl und Sturm mit Nachdruck. Ob dies sinnvoll ist oder eben gerade Zschäpes Wissen um die Gefährdung der Nachbarin und damit ihren Tötungsvorsatz bestätigt, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Damit kommen wir zurück zur oft gestellten Frage: »Wird Zschäpe reden?« In einer Stellungnahme gegenüber dem Gericht hat sie lediglich angekündigt, sie überlege zu einzelnen Tatvorwürfen auszusagen. Angesichts dessen, was bisher von der Verteidigungsstrategie erkennbar ist, spricht vieles dafür, dass es sich dabei vor allem um die Explosion in Zwickau handelt. So wird es weiter auch an den NebenklägerInnen bleiben, Zschäpe gerichtsfest als Neonazi-Terroristin zu überführen.

Berichte dazu unter www.nsu-nebenklage.de, Dr. Björn Elberling ist Rechtsanwalt und Vertreter eines Nebenklägers.