Thüringen

von Ernst Kovahl

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 160 - Mai 2016

»Neu-rechte« Orientierung

Nachdem die Thüringer AfD in ihrer Gründungsphase durch Personalquerelen auffiel, wurde der Streit um die Ausrichtung mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2014 rechtzeitig beendet. Die liberal-konservative Vorsitzende Michaela Merz war schon im Februar 2014 zurückgetreten. Deutlich kritisierte sie den Rechtskurs des Verbandes. Nach den Wahlerfolgen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen trat sie aus der Partei aus, da eine Korrektur des Rechtsschwenks nicht mehr möglich sei. Neuer Vorsitzender wurde Höcke, der aus dem Milieu der »Neuen Rechten« stammt. Das legt ein Kommentar des rechten Aktivisten Götz Kubitschek (Zeitschrift »Sezession« und Verlag »Edition Antaios«) nahe, der im Oktober 2014 über Höcke schrieb, er gehöre zu den Leuten, die er »im Verlauf unserer langjährigen Verlagsarbeit, im Wandervogel, beim Militär oder auf einer der mittlerweile zahllosen Veranstaltungen des Instituts für Staatspolitik (IfS) kennengelernt habe und von denen wir eines nicht erwartet hätten: parteipolitisches Engagement«. Bei seinem medial viel beachteten und scharf kritisierten Auftritt Ende November 2015 bei der »Winterakademie« des IfS in Schnellroda in Sachsen-Anhalt zum Thema »Ansturm auf Europa« zeigte Höcke deutlich seine Verbundenheit mit dem Institut. Der Ort sei für ihn, der in seinen Reden zur blumig-überzogenen Sprache der »Neuen Rechten« tendiert, »eine Oase der geistigen Regeneration« und »ein Labsal«.

Gezielt bedient der 1972 in Nordrhein-Westfalen geborene Höcke Medien der extremen Rechten. Kurz vor der Landtagswahl 2014 gab Höcke dem neu-rechten Online-Portal »Blaue Narzisse« ein Interview, im Oktober 2014 druckte die neonazistische »Zuerst!« ein Gespräch mit ihm ab und im Februar 2015 sprach er mit dem rechten und verschwörungstheoretischen Blatt »Compact« (Nr. 2/2015). In den Interviews polemisierte er gegen die Migrationspolitik, schürte Ängste vor dem Islam und bekannte sich zu Positionen der »Identitären«. Höcke wähnt seine Partei auf »historischer Mission«. Politik sei für ihn »Dienst an Volk und Vaterland«. Es gehe um die »Frage nach der Identität« der Deutschen, um »gesunden Patriotismus« sowie den Kampf gegen »70 Jahre Dauerneurose« der BRD und die »politische Korrektheit«. Verschwörungstheoretisch raunte er, seine Kritik am »american way of life« und dem »Materialismus« der USA, meine »im Wesentlichen eine kleine Elite«. Dass der Verband nach ganz rechts außen tendiert war spätestens im Dezember 2013 erkennbar, als die Partei zur Erarbeitung ihres Landtagswahlprogramms den neu-rechten Autoren Günter Scholdt für ein Grundsatzreferat einlud. Dass dann 2015 Höcke und die überwiegende Mehrheit seiner Fraktion den Aufruf »Erfurter Resolution« unterzeichneten, der sich für einen klaren Rechtskurs der Partei aussprach, war nur folgerichtig.

Austritte

Aufgrund der Ausrichtung des Landesverbandes traten 2015 drei der elf Abgeordneten aus der AfD-Fraktion aus. Siegfried Gentele (Harztor/Landkreis Nordhausen) wechselte erst zur AfD-Abspaltung »Alfa« und schließlich im März 2016 in die konservative »Familienpartei«, Jens Krumpe (Erfurt) blieb bisher partei- und fraktionslos und der Rechtsanwalt Oskar Helmerich (Erfurt) trat im April 2016 der Landtags- und Erfurter Stadtratsfraktion der SPD bei. Er hatte sich zuletzt vor Gericht mit Höcke erbittert darum gestritten, ob in der Vergangenheit aus der Kasse der AfD-Fraktion der IfS-nahe »Verlag Antaios« mit mehreren Tausend Euro unterstützt worden sei. Helmerich, der das in der Presse behauptet hatte, unterlag gegen Höcke vor Gericht.

Provokationen

Von Anfang an setzte die Thüringer AfD auf Provokationen und einen klaren Rechtskurs. So wollte sie beispielsweise anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar 2015 in der Gedenkstätte Buchenwald einen Kranz ablegen, mit dem nicht nur der Opfer des NS-Konzentrationslagers gedacht werden sollte, sondern aller »Opfer des Konzentrations- und Speziallagers Buchenwald«. Nach der Befreiung vom deutschen Faschismus waren auf dem Gelände bis 1950 auch Deutsche, vorrangig Funktionsträger der NSDAP, in einem sowjetischen »Speziallager« inhaftiert gewesen. Der Leiter der Gedenkstätte untersagte die Aufschrift der AfD. Schließlich legte Höcke einen Kranz mit der Aufschrift »In stillem Gedenken« ab – eine bewusst gewählte Leerformel. Denn Höcke ließ sich schon einmal mit den Worten zitieren: »Ich meine, dass es in einer freien Gesellschaft mo?glich sein muss, auch über das Dritte Reich unorthodoxe Meinungen zu äußern.«

Auch im Landtag tritt die Partei provozierend auf – das bevorzugte Angriffsziel sind Abgeordnete der Linkspartei (»Rotfaschisten«, »Grundgesetzschänder«) und der Grünen. Thematisch geht es in Anfragen, Anträgen und Reden vor allem um eine verschärfte Flüchtlings- und Innenpolitik, gegen den »Asyl-Wahnsinn«, um rechte geschichtspolitische Themen, den Kampf gegen die »Gender Ideologie« und »Linksextremismus«, gegen die »Lügenpresse«, gegen das »Politikversagen der Altparteien« und gegen die »Verschärfung des Waffenrechts« – kurz, das klassische Repertoire einer Partei der extremen Rechten. Die Reden des Fraktionsvorsitzenden sind dabei mit den Schlagworten der »Neuen intellektuellen Rechten« und der »Identitären Bewegung« durchsetzt, immer wieder werden den AfD-Abgeordneten Ordnungsrufe für beleidigende Aussagen erteilt. Und in der Debatte um die Einführung eines Gedenktages zum 8. Mai raunte der AfD-Abgeordnete Kießling in verschwörungstheore-tischer Manier mit Blick auf die beiden Weltkriege: »Wer finanzierte diese Weltkriege? Man muss mal ganz klar die Frage stellen. Ja, da muss man fragen: Wer hat denn den ersten Schuss abgegeben, bevor die Kriegserklärung abgegeben wurde (…).«

Verankerung

Mit ihren Abgeordneten, den Büros quer durchs Land, dem Geld für politische Arbeit und Jobs hat die AfD nun eine feste organisatorische Basis, um sich zu verankern. Die Stellen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen in der Fraktion machen die Partei auch attraktiv für rechte Intellektuelle. So hat beispielsweise bereits der Politikwissenschaftler Michael Henkel als Mitarbeiter angeheuert, der in Publikationen der »Junge Freiheit«-nahen »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung« publizierte. Auch der ehemalige Bundessprecher der »Deutschen Burschenschaft« Torben Braga arbeitet für die Fraktion. Das Potential der rechten Einstellungen in der Gesellschaft, das Jahr für Jahr durch die Universität Jena mit dem »Thüringen Monitor« erhoben wird, hat in der AfD seine politische Heimat gefunden – im Parlament und als mobilisierungsstarke Organisatorin von Aufmärschen gegen die Flüchtlingspolitik mit teils mehreren Tausend TeilnehmerInnen in Erfurt.