Hamburg

von Felix Krebs

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 160 - Mai 2016

Vor gut einem Jahr, am 15. Februar 2015, zog die »Alternative für Deutschland« mit 6,1 Prozent der Stimmen und damals acht Abgeordneten in die Hamburger Bürgerschaft ein. Es war der erste Einzug in ein westdeutsches Parlament.

Die anfänglich von einigen Medien noch attestierte hanseatische Zurückhaltung der Hamburger »Alternative für Deutschland« (AfD) wich spätestens mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen seit Herbst 2015 teilweise rabiater Agitation gegen diese und vor allem gegen Muslime. Auch im Norden hat die Partei längst den Schwenk von der euro-feindlichen Rhetorik hin zu wenig verbrämtem Rassismus vollzogen, um an vorhandene Ressentiments anknüpfen zu können. Die Anprangerung von politischen GegnerInnen hatte zwischenzeitlich Morddrohungen zur Folge.

Jörg Kruse

Jörg Kruse

Das Personal

Neben dem Fraktionsvorsitzenden Jörn Kruse, welcher immer noch zu den (bundesweit) am häufigsten interviewten AfD-LandespolitikerInnen gehört, tritt vor allem Dr. Bernd Baumann für die AfD in der Bürgerschaft und den Medien auf. Er gilt vielen als der klügste und gleichzeitig medienkompatible Kopf in der Fraktion. Allerdings weiß auch er die Klaviatur von Ängsten, Vorurteilen und Rassismus zu spielen. Im Oktober wurde Baumann zum neuen Landesvorsitzenden der Hamburger AfD gewählt, weil Kruse zuvor von dem wenig lukrativen und unattraktiven Job zurücktrat und dies nebenbei als persönliche Konsequenz gegen den Rechtsruck der Hamburger AfD verkaufte. Beim Wahlparteitag schwadronierte Baumann: »Im Orient und Afrika werden 100 Millionen Menschen durch die Grenzöffnung und Versprechen angelockt.« Der promovierte Volkswirt lernte sein Handwerk viele Jahre im Management und in Redaktionen großer Zeitschriftenverlage und dürfte zum rechten Flügel der Fraktion gezählt werden.

Schon kurz vor der Bürgerschaftswahl wurde Baumann dann auch von einem Insider auf dem antimuslimischen Hetzblog »PI-News« zusammen mit Dirk Nockemann (Ex-«Schill-Partei«) und Ludwig Flocken zu den »sehr wählbaren AfD-Kandidaten« gezählt. Neben den erwähnten AfD-Politikern muss auch der »Alte Herr« der »Burschenschaft Danubia«, Dr. Alexander Wolf, noch zum rechten Flügel der Fraktion gerechnet werden. Dass Dr. Ludwig Flocken – einer der exponiertesten Agitatoren – Anfang 2016 die Fraktion verlassen musste, dürfte weniger an seinen rassistischen Überzeugungen und seinen Kontakten in die Neonaziszene liegen, als an dem offensichtlichen Imageschaden. Schließlich blieben dessen üble Ausfälle im Parlament, auf Kundgebungen und in sozialen Netzwerken immer unkommentiert durch seine ehemaligen FraktionskollegInnen. Im Wahlkampf Anfang 2015 waren Flockens Auftritte bei den Ablegern von PEGIDA in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin noch als Wahlkampfhilfe willkommen. Erst als das Bundesministerium des Innern im Dezember 2015 nachträglich erklärte, dass unter anderem diese beiden Ableger neonazistisch beeinflusst sind, wurde Flockens Engagement zum Makel und musste als Begründung für einen erzwungenen Austritt dienen.

Wie viele parlamentarische MitarbeiterInnen die jetzt noch siebenköpfige Fraktion hat, wer diese sind und wie groß ihr Budget ist, ist in Hamburg unbekannt. Zwar suchte die Fraktion zeitweise per Anzeige nach MitstreiterInnen, öffentlich gibt sie allerdings keine Auskunft. Manche MitarbeiterInnen versucht die Fraktion wohl auch eher zu verheimlichen. So tauchte schon im Bürgerschaftswahlkampf 2015 der Name Torsten Uhrhammer auf. Der Mittvierziger ist Autor der »Jungen Freiheit« und »Sezession« und war bereits in der »Schill-Partei« und der »Deutschen Volksunion« aktiv. 2009 leitete er einen Zirkel namens »Hamburger Freiheitsgespräche« (s. drr Nr. 119) an dem Korporierte, »Neue Rechte«, aber auch Neonazis Interesse hatten. Mittlerweile scheint er bei der AfD angekommen zu sein. Im Wahlkampf stand Uhrhammer im Hintergrund beratend zur Seite, ohne selbst erwähnt zu werden. Im Zuge einer Hetzkampagne, welche die AfD-Fraktion dann im letzten Herbst gegen eine Politikerin der Partei »Die Grünen« lostrat und die Vergewaltigungs- und Morddrohungen zur Folge hatte, verwies Vorsitzender Kruse auf einen IT-Berater der Fraktion, weil die Kampagne auf den Facebookseiten der Fraktion ihren Ausgang hatte. Der Name: Torsten Uhrhammer.

Im Parlament

Angst schüren und Ressentiments bedienen, so könnte die eher dürftige parlamentarische Arbeit der Fraktion beschrieben werden. Die AfD nutzt die Bürgerschaft fast ausschließlich als Bühne und scheint an der Lösung von gesellschaftlichen Problemen wenig Interesse zu haben. Die meisten ihrer Beiträge kreisen um die Steckenpferde der Partei: »Gender«, »Linksextremismus« und »Flüchtlinge/ Islam«. Aber nicht nur die geringe Anzahl an Anträgen und Anfragen im Vergleich zu den Aktivitäten anderer, auch kleiner Parteien, wird immer wieder festgestellt, sondern auch die mangelnde oder gar fehlende Mitarbeit in den Fachausschüssen. In mehr als 70 Prozent der Ausschusssitzungen des ersten Bürgerschaftsjahres hat die AfD-Fraktion nicht einen einzigen inhaltlichen Beitrag abgeliefert, hat also weder etwas gefragt noch eine inhaltliche Einschätzung vorgenommen. In vielen Ausschüssen ist die AfD erst gar nicht vertreten. Die FDP zog daraus gar den Schluss, dass die AfD die Arbeit in der Bürgerschaft verweigere. Vielleicht konnte die AfD in Hamburg auch deshalb nicht vom momentanen, bundesweiten Höhenflug profitieren: Laut einer repräsentativen Umfrage von »infratest dimap« hätte sich die Partei nur auf acht Prozent steigern können, wäre Anfang April 2016 Bürgerschaftswahl gewesen. Vielleicht hat sich die selbsternannte Alternative zu den »Systemparteien« schon ein stückweit entzaubert.