Die frauen- und queerfeindliche Agenda eines Donald Trump.
von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024
#USA2024
Zeitgleich zur Wahl zum Präsidentenamt wird in zehn Bundesstaaten über ein mögliches Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen abgestimmt. Diese Frage hatte der Demokratischen Partei bei den Midterm Elections Anfang November 2022 deutliche Stimmengewinne beschert. Kamala Harris hat das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu einem ihrer zentralen Wahlkampfthemen gemacht und dafür viel Zustimmung erhalten. Trump lehnt ein Bundesgesetz ab, mit dem Schwangerschaftsabbrüche legalisiert würden. Er hat sich vor Jahrzehnten als Vertreter einer Pro-Choice-Position bezeichnet, die das Recht von Frauen betont, selbst zu entscheiden; inzwischen tritt er jedoch seit Jahren als der »most pro-life president« in der Geschichte auf und beansprucht für sich, dass das Urteil Roe v. Wade aufgehoben wurde, mit dem 1973 fixiert worden war, dass die Verfassung der USA das Recht auf Schwangerschaftsabbruch schützt. Trump hatte im Jahr 2020 als erster amtierender Präsident auch an dem »March for Life« teilgenommen, der zentralen jährlichen Demonstration der Gegner*innen freier Entscheidungsmöglichkeit für Frauen. In den Vorjahren hatte er bereits per Videoschaltung zu den Teilnehmenden gesprochen. Weil im Trump-Lager wahrgenommen wird, dass eine strikte Anti-Abtreibungsposition zahlreiche Stimmen kosten kann, gibt sich Trump flexibel und vertritt nun die Position, darüber sollte in den Bundesstaaten entschieden werden. Das Wahlprogramm der Republikanischen Partei verzichtet erstmals seit Jahrzehnten auf die Forderung, dem Schutz ungeborenen Lebens Verfassungsrang zu geben.
Die Bewegung gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch hat in etlichen Bundesstaaten restriktive Regelungen durchsetzen können und auch die Aufhebung des Urteils Roe v. Wade durch den Supreme Court als epochal bezeichnet. Diese Entscheidung wurde durch die von Trump hergestellte konservative Mehrheit am Obersten Bundesgericht möglich. Nun erwartet die Bewegung jedoch eine klarere Positionierung Trumps; wichtige Vertreterinnen haben erklärt, ihn zwar zu wählen, aber nicht zu seiner Wahl aufzurufen. Trump versucht nun, dieses Wähler*innenpotential damit an sich zu binden, indem er tönt, durch einen Wahlerfolg von Harris seien die erreichten Restriktionen wieder in Gefahr.
Eine Umfrage des Wall Street Journal hat ergeben, dass 33 Prozent der Trump-Wähler*innen Schwangerschaftsabbruch ganz oder mit wenigen Ausnahmen legalisieren wollen und 62 Prozent diesen verbieten möchten. Bei den Wähler*innen von Harris sind es 92 Prozent beziehungsweise 6 Prozent. Harris setzt in ihrer Kampagne stark auf die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung und hebt im Rahmen des Wahlkampfs die dramatischen physischen und psychischen Folgen für Frauen hervor, denen die Möglichkeit zum Abbruch verwehrt wurde.
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In den USA werden Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Förderung von Vielfalt häufig unter der Begrifflichkeit Diversity, Equity and Inclusion (DEI/Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion) verhandelt. Sie zielen darauf ab, faire Behandlung und volle Teilhabe aller Menschen zu fördern, insbesondere von Gruppen, die in der Vergangenheit unterrepräsentiert waren oder aufgrund ihrer Identität oder Behinderung diskriminiert wurden. Vielfalt bezieht sich dabei unter anderem auf Beschäftigung in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Hat die Biden-Regierung knapp zwei Drittel Frauen für das Amt von Richter*innen nominiert, so waren es unter der vorhergehenden Trump-Regierung lediglich ein Viertel. Dabei waren 84 Prozent der von Trump nominierten Richter*innen Weiße, während es unter Biden 39 Prozent waren. »Project 2025« – eine Initiative der einflussreichen erzkonservativen »Heritage Foundation«, bei dem zahlreiche enge Mitarbeiter*innen Trumps beteiligt sind – zielt auf eine weitreichende Umsteuerung der Strukturen und Politiken der Bundesbehörden ab. Neben einem umfangreichen Austausch von Personal, um absolute Loyalität zu Trump herzustellen, geht es auch darum, konservativ-christliche Wertvorstellungen als Norm zu verankern. In diesem Kontext ist auch die Streichung der DEI-Programme vorgesehen. Damit würden etwa LGBTQ+-Menschen höheren Alters noch gefährdeter für Diskriminierungen im Beruf, im Gesundheitswesen und auf dem Wohnungsmarkt. Diese Gruppe ist ohnehin bereits von einem hohen Maß an sozialer Isolation, Armut und gesundheitlichen Problemen betroffen.
Trump und die Republikanische Partei haben zweistellige Millionenbeträge investiert, um transfreundliche Kandidat*innen anzugreifen. In Montana wird der demokratische Senator Jon Tester wegen seiner pro-LGBTQ+-Haltung an den Pranger gestellt. Und eine der am häufigsten ausgestrahlten Wahlkampfanzeigen Trumps zeigt ein Foto von Harris, das so bearbeitet wurde, dass es aussieht, als stünde sie neben einer glatzköpfigen Person mit Schnurrbart in einem roten Kleid. Der Spot beginnt mit einem Sprecher, der mit Erstaunen und Verachtung sagt: »Kamala unterstützt vom Steuerzahler finanzierte Geschlechtsumwandlungen für Gefangene« und endet mit den Worten: »Kamala is for they/them. President Trump is for you.« Die Trump-Kampagne nimmt dabei in Kauf, transgeschlechtliche Menschen aus dem republikanischen Lager die in der Angst leben, ihr tatsächliches Selbst werde öffentlich, abzuwerten. Manche erinnern an die Selbsttötung von F.L. Copeland, einem Bürgermeister der Republikanischen Partei in Alabama. Er brachte sich um, nachdem eine rechte Internetplattform Fotos von ihm in Frauenkleidern, mit Perücke und Make-Up verbreitet hatte.
Rechte Angriffe auf die Normalisierung von Vielfalt finden sich zudem quer durch die USA im Bildungsbereich. Weil dort auf kommunaler Ebene wichtige Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel über Finanzen, den Lehrstoff und die Lehrmaterialien, hat die Republikanische Partei in Kooperation mit lokalen und regionalen rechten Initiativen systematisch begonnen, die knapp 14.000 School Boards – Ausschüsse, die den lokalen Schulbetrieb regeln – ins Visier zu nehmen und ihren Einfluss dort zu vergrößern. Die School Boards werden zum größten Teil gewählt; auch dort wird der Kulturkampf von rechtsaußen vorangetrieben. Im Ergebnis werden Bücher zu Homosexualität und gesellschaftlicher Vielfalt aus den Schulbibliotheken verbannt. Beispiel Maryland: In Carroll County waren davon ein Jugendroman für Homosexuelle von Steven Salvatore (»And They Lived«) und ein Roman von Ellen Hopkins über eine junge Frau, die von ihrem Vater sexuell misshandelt wird (»Identical«) betroffen. Im Wicomico County traf es »All Boys Are Blue« von George M. Johnson, einen Roman über das Erwachsen werden eines* queeren Teenagers, und im Queen Anne’s County einen Roman von Jacqueline Woodson (»Harbor Me«) über Kinder unterschiedlicher kultureller Herkunft, die sich mit einer Vielzahl an Problemen konfrontiert sehen.
Fabian Virchow ist aktuell in Washington, D.C. und schreibt zur US-Wahl für das Antifa-Magazin @derrechterand.