Drei Jahre des Grauens

von Carl Kinsky
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182 - Juli | August 2020

Donald Trump beherrscht mit seiner Außenpolitik die Schlagzeilen. Innenpolitisch sieht sich eine zunehmend radikalisierte Rechte durch ihn zu Gewalt bis hin zum Mord ermächtigt. Aber auch in anderen Bereichen hat Trump erzielte Fortschritte rückgängig gemacht.

Antifa Magazin der rechte rand
Die US-Grenze zu Mexiko © Janko Woltersmann / attenzione

 

»Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität, sie sind Vergewaltiger«, sagte Donald Trump über Menschen, die aus oder durch Mexiko in die USA einwandern und eröffnete mit diesen rassistischen Stichwörtern seinen Präsidentschaftswahlkampf. Seine restriktivere Einwanderungspolitik zielt einerseits auf die Reduzierung der Zahl an Einwanderer*innen insgesamt, andererseits auf eine Wiederbelebung der rassistischen Einwanderungspolitik der 1920er bis 1960er Jahre. Symbolisch dafür steht sein Versprechen, die seit den 1990er Jahren errichteten Sicherheitszäune an der Grenze zwischen den USA und Mexiko zu einer undurchdringbaren Barriere auszubauen.
1924 wurde ein Einwanderungsgesetz verabschiedet, das die Einwanderung von Menschen aus Ostasien verbot und ein rassistisches Quotensystem einführte, das »weiße« Einwanderer*innen aus Nord-, West- und Mitteleuropa bevorzugte, um eine »weiße Nation« zu erhalten und die befürchtete »Überflutung« des Landes durch »nicht-weiße« Menschen abzuwenden. Erst 1965 wurde das Einwanderungsrecht reformiert, das rassistische Quotensystem abgeschafft und die Privilegierung des Familiennachzugs eingeführt. Seitdem wandern deutlich mehr nicht-weiße Menschen in die USA ein und tragen zum demografischen Trend bei, was bedeutet, dass Weiße in naher Zukunft nicht mehr die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen werden. Diese Entwicklung wollen »white supremacists« mit allen Mitteln verhindern.
Trump geht es vor allem darum, Einwanderung insgesamt zu reduzieren, Familiennachzug und das ius solis abzuschaffen, das heißt den automatischen Erwerb der Staatsbürgerschaft durch die Geburt in den USA. Letzteres ist Grundlage der historischen Anerkennung der Staatsbürgerschaft von nicht-weißen Menschen, darunter Afro-Amerikaner*innen, amerikanische Indianer*innen und Einwanderer*innen aus Ostasien.

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Insgesamt wurden alle Einwanderungsprozesse in die USA durch die Einführung neuer Hürden verlangsamt. Um »die Nation vor ausländischen Terroristen« zu schützen, wurde 2017 per Dekret die Einreise aus sieben Ländern erschwert oder sogar untersagt. Darunter vor allem mehrheitlich muslimische Länder wie Syrien, Jemen, Somalia, Libyen und Iran. Bereits 2015 hatte Trump im Wahlkampf gefordert, die Einreise von Muslim*innen in die USA komplett zu verbieten. Die jährliche Aufnahme von anerkannten Flüchtlingen durch Programme der UNO ist reduziert worden, für 2020 wurde eine Obergrenze von 18.000 Personen festgelegt. Seit Jahren war die Zahl der Migrant*innen und Asylsuchenden an der Grenze zu Mexiko rückläufig, allerdings ist diese seit 2017 wieder stark angewachsen: Zwischen Oktober 2018 und September 2019 wurden mehr als 850.000 Menschen an der Grenze verhaftet, darunter zu zwei Dritteln Familien und unbegleitete Minderjährige, vornehmlich aus Guatemala, Honduras, El Salvador und Mexiko. Um dies zu unterbinden, hat die Regierung im Juli 2017 begonnen, selbst Kleinkinder von ihren Familien zu trennen: Über 5.400 Kinder wurden ihren Familien entrissen und unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert und misshandelt, indem sie in überfüllte Käfige gesperrt wurden, in denen es an allem mangelte, von Decken hin zu Windeln und Zahnpasta. Zugleich nutzten Beamt*innen diese Kinder als Druckmittel gegen ihre Eltern, damit diese »freiwillig« wieder ausreisten. Diese Praxis wurde auch nach richterlicher Unterbindung im Juni 2018 fortgesetzt, einige der betroffenen Familien sind trotz rechtlicher Verpflichtung nicht wiedervereint worden. Zusätzlich führte die Regierung noch sehr niedrige Quoten ein für die Anzahl der Asylanträge, die pro Tag gestellt werden können; seit Dezember 2018 wurden daher knapp 20.000 Menschen nach Mexiko abgeschoben, wo Zehntausende bereits an der Grenze ausharren. Ein Dekret, das Asylgesuche verbietet, wenn die Person über »sichere Drittstaaten« einreist und auf die Verunmöglichung von Asylanträgen abzielt, befindet sich noch in juristischer Aushandlung. Trump nutzte die Einwanderungspolizeibehörde ICE (»Immigration and Customs Enforcement«), um weitreichendere Razzien gegen Personen ohne gültige Aufenthaltspapiere durchzuführen. In Zukunft möchte die Regierung von fast allen festgesetzten Einwanderer*innen DNA-Proben entnehmen und sie in die Datenbanken der Bundespolizei aufnehmen.Besonders einflussreich in der Einwanderungspolitik waren der ehemalige Justizminister Jefferson »Jeff« Sessions und Trumps Berater Stephen Miller. Miller war Kommunikationsdirektor von Sessions und eng mit »Breitbart News« verbunden, bevor er Trumps Wahlkampf unterstützte. Er konzipierte in weiten Teilen die Maßnahmen, während Sessions sie auf Trumps Anweisung hin umsetzte. Miller geriet zuletzt in die Kritik, da geleakte E-Mails belegen, dass er »Das Heerlager der Heiligen« (1973) von Jean Raspail bei »Breitbart« anpries – ein rassistischer Roman, der von einer »Invasion« Europas durch nicht-weiße Migrant*innen handelt und eine zentrale rassistische Mär der zeitgenössischen extremen Rechten darstellt.Allerdings wird die menschenverachtende Einwanderungspolitik der US-Regierung im Rahmen von Dekreten und Direktiven umgesetzt, eine nachhaltige Veränderung durch die Einführung neuer Gesetze konnte noch nicht erreicht werden. Somit können alle Maßnahmen von nachfolgenden Regierungen widerrufen werden. Auch sein Versprechen, eine undurchdringbare Barriere zwischen den USA und Mexiko zu schaffen, ist bisher im Sande verlaufen.


»Religionsfreiheit« statt Menschenrechte
Trumps Präsidentschaft wäre ohne die Unterstützung der einflussreichen evangelikalen Rechten nicht möglich. So wurde er nicht nur von circa 80 Prozent der Evangelikalen gewählt, die 2016 ihre Stimme abgaben, sondern er ernannte mit Mike Pence einen evangelikalen Hardliner zu seinem Vizepräsidenten (s. drr Nr. 170). Der größte Erfolg der Regierung war die Ernennung von zwei konservativen Richtern am Obersten Gerichtshof, mit denen eine konservative Mehrheit für die nächsten Jahrzehnte garantiert wurde: Neil Gorsuch (2017) und Brett Kavanaugh (2018). Beide entschieden in der Vergangenheit bereits im Sinne der christlichen Rechten. Da das Abtreibungsrecht in den USA lediglich durch einen Gerichtsentscheid von 1973 garantiert wird, kann dieser auch jederzeit vom Obersten Gerichtshof widerrufen werden. Die Strategie rechter Evangelikaler zielt darauf ab, dass in den nächsten Jahren durch Berufungsprozesse zu ihren Gesetzen in einzelnen Bundesstaaten, die den Zugang zu Abtreibungen zu verunmöglichen versuchen, eine Aufhebung des Rechts auf Abtreibung erreicht wird. Unwahrscheinlich ist diese Entwicklung bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen nicht, ebenso bedroht ist die gleichgeschlechtliche Ehe.Obwohl Trump sich im Wahlkampf als Unterstützer der Rechte von FLTI* (FrauenLesbenTransIntersex*) ausgab, setzte sich seine Regierung durchgehend für deren Aberkennung ein. Viele Direktiven der Regierung von Barack Obama, die Diskriminierungsverbote gegen FLTI* in Leitlinien der Bundesregierung vorsahen, wurden aufgehoben. Im Wesentlichen geht es dabei um Verbote der Diskriminierung bei der Einstellung von Mitarbeiter*innen sowie um den Zugang zu sozialen und medizinischen Leistungen. Hierbei wurde nach dem Grundsatz rechter Evangelikaler argumentiert: Bei der Benachteiligung von FLTI*-Personen gehe es um die Bewahrung der »religiösen Freiheit« von Christ*innen. Hier zeigte sich aber auch Widerstand gegen die Maßnahmen der Regierung: Obwohl Trump gerne alle Trans*-Personen aus dem US-Militär verbannen würde, wird dieses Direktiv bisher weitestgehend nicht umgesetzt, die Nationalgarden mehrerer Bundesstaaten verweigern dessen Umsetzung komplett.


Umweltpolitik für Großkonzerne
Trump leugnete schon vor seiner Präsidentschaft den menschengemachten Klimawandel. Diese Leugnung findet vor allem aus ökonomischen Erwägungen statt. Die Umweltpolitik der Trump-Regierung zielt daher vor allem auf die Abschaffung von Umweltschutzmaßnahmen. Parallel dazu finanzierten Großkonzerne und Großindustrielle allein zwischen 2003 und 2010 mit mehr als 550 Millionen US-Dollar Organisationen, die den menschengemachten Klimawandel leugnen. Die wichtigsten Geldgeber waren der Ölkonzern ExxonMobil und Koch Industries, ein Unternehmen, das auf chemische Weiterverarbeitungsprozesse spezialisiert ist. Die Mehrheitseigner von Koch Industries, Charles und der verstorbene David Koch, finanzieren seit Jahrzehnten die rechtslibertäre Bewegung in den USA, vor allem durch das »Cato Institute«. Ebenso leugnen viele christliche Fundamentalist*innen, darunter rechte Evangelikale, den menschengemachten Klimawandel, da allein Gott das Klima beherrsche. Mit Scott Pruitt ernannte Trump zunächst einen rechten Evangelikalen zum Umweltminister, der in Interviews von der Notwendigkeit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes aus einer »biblischen Weltsicht« sprach. Nachdem Pruitt im Juli 2018 nach andauernden Skandalen und einem verlorenen Machtkampf mit Jeff Sessions zurücktreten musste, übernahm mit Andrew Wheeler ein ehemaliger Lobbyist der Kohleindustrie das Amt. Beide setzten bisher vorbehaltlos Trumps konzernfreundliche Umweltpolitik um.Die Regierung setzte beispielsweise trotz aller Gefahren die Dakota Access Öl-Pipeline durch, öffnete bisher geschützte Gebiete für Öl- und Gasbohrungen, erlaubte in größerem Umfang Methan- und Fluorkohlenwasserstoffemissionen, hob Wasserschutzstandards bei Fracking auf Gebieten der Bundesregierung und in Indianerreservaten auf, genehmigte die Nutzung von seismischen Luftkanonen bei Ölbohrungen im Ozean und reduzierte die Kompetenz der Environmental Protection Agency (Umweltministerium), Regularien umzusetzen oder gar Untersuchungen durchzuführen. Die Regierung plant, Naturschutzgebiete stark zu reduzieren, um diese Gebiete für Öl- und Gasförderung sowie Fischerei freizugeben. Zuletzt wandte sich die Atom-Lobby an Trump mit der Bitte, den heimischen Uranabbau wieder mit staatlichen Geldern zu subventionieren. Das bisher einzige Hindernis für diese Umweltpolitik bilden erfolgreiche Klagen von Umweltverbänden, allerdings werden diese nicht ausreichen, um die Maßnahmen der Regierung wesentlich einzudämmen.