Ungarn als Vorbild

von Ernst Kovahl


Magazin »der rechte rand« Ausgabe 136 - Mai / Juni 2012

#Zuerst

Fast alle Medien der extremen Rechten in Deutschland loben die ungarische Regierung unter Viktor Orbán. Seine Politik könnte Modell für eine rechts-reformistische Strategie sein.

Magazin der rechte rand

»Ungarn macht Ernst mit der konservativen Revolution«, jubelte das neonazistische Blatt »Zuerst!«. Vor wehenden Fahnen seines Landes grüßte Viktor Orbán vom Cover der Zeitschrift. »Zuerst!«-Chef Manuel Ochsenreiter war extra nach Budapest gefahren, um Land und Regierung ins rechte Licht zu rücken. Interviews mit der Regierungssprecherin Anna Nagy und dem Staatssekretär für Regierungskommunikation Zoltan Kovács sowie ein Besuch bei der neofaschistischen Partei »Jobbik« rundeten das Porträt im April 2011 ab. Mit der neuen Verfassung seien »keine postmodernen Gesellschaftsexperimente« mehr möglich, lobte er: »Für homosexuelle Regenbogenfamilien ist […] kein Platz.« Ungarn könne Vorbild sein: »Bereits jetzt führen Orbán und seine konservative Partei vor allem die deutschen Christdemokraten […] ordentlich vor. Denn er zeigt: Sehr wohl kann man auch als Konservativer sein Land wieder umkrempeln, wenn man über eine Mehrheit verfügt. Linksliberale gesellschaftspolitische Experimente lassen sich rückgängig machen.«

Gegen »Fremdbestimmung«
Auch die »Nationalzeitung« (NZ) aus dem Haus des Verlegers Gerhard Frey berichtete nach den Pro-Orbán-Demonstrationen im März 2012 begeistert, »das ungarische Volk [steht] mehrheitlich fest zu seinem Premierminister« (23. März 2012). Ungarns Regierung wehre sich »gegen Fremdbestimmung« durch die »Europäische Union und ausländische Medien«, die Orbán zu einer »Gefahr für die westliche Wertegemeinschaft und deren Errungenschaften« machen würden. Kritik an seiner Politik sei unberechtigt, so die NZ.
Bei der neu-rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) verfolgt man die Entwicklung in Ungarn schon lange mit deutlicher Sympathie. Erst jüngst ergriff hier der österreichische Europaparlamentarier Andreas Mölzer (»Freiheitliche Partei Österreichs«) für die Regierung Partei: »Weil in der politisch korrekten Europäischen Union nicht sein kann, was nicht sein darf, werden nun die unbotmäßigen Ungarn zur Räson gebracht«, kritisierte er das Agieren der EU (16. März 2012). Als Autoren vor Ort hat die JF den Herausgeber der deutschsprachigen »Budapester Zeitung« und der englischsprachigen »Budapest Times« Jan Mainka gewonnen. Mehrfach verteidigte er in der JF die Orbán-Regierung. Zuletzt kritisierte er am 27. Januar 2012 die deutschen Medien, da sie die Pro-Orbán-Demonstrationen nicht gewürdigt hätten: »Meinungspluralismus, objektive Berichterstattung – erneut Fehlanzeige!«, so sein Fazit. Zuvor berichtete er in dramatischem Ton von dem »verzweifelt geführten Kampf der ungarischen Regierung um nationale Unabhängigkeit«, die Regierung durchlebe »die bittersten Stunden ihrer Amtszeit« (13. Januar 2012).

Antikommunismus
»Gegen linksliberalen EU-Zeitgeist« richte sich die neue Verfassung Ungarns, freut sich die JF am 6. Mai 2011. Der JF-Autor Klaus Hornung (CDU) beurteilt die Verfassung positiv: »Dieses Volk und seine Verfassung wird von einem geschichtlichen Selbstbewusstsein geprägt, das sich in schweren geschichtlichen Erfahrungen gebildet hat, von dem Kampf gegen die Türkenherrschaft vor dreihundert Jahren bis hin zur Rebellion gegen das Sowjetimperium. Eine solche Nation kann nur als Gewinn für das heutige Europa verstanden und gewürdigt werden.« Und weiter: »Die nationalkonservative Tradition kommt […] darin zum Ausdruck, dass die Verfassungspräambel ausdrücklich Familie und Nation als den wichtigsten Rahmen des Zusammenlebens bezeichnet.« Das stoße »natürlich bei weiten Teilen der meinungsbildenden Schichten in Europa« auf Kritik. »Hier, wo man längst Homosexualität, Singletum und Alleinerziehung zum fortschrittlich-demokratischen Wertesystem rechnet«, so ekelt er sich, »ist man natürlich mit dem Vorwurf leicht bei der Hand, die neue ungarische Verfassung sei undemokratisch, wenn nicht gleich reaktionär oder antidemokratisch«. Gerade der harte Antikommunismus Orbáns begeistert deutsche Rechte.
Auch der verschwörungstheoretische »Kopp Verlag« verteidigt Ungarns Regierung. In einem Artikel vom 30. März 2012 (»Kulturrevolution: Warum Ungarn auf der EU-Abschussliste steht«) stellt sich Autor Ralph Studer hinter Orbán. Dessen Umgestaltung des Landes sei richtig und werde von »linken und liberalen Journalisten« absichtlich falsch dargestellt. »Die wahren Gründe für den Angriff auf Ungarns Regierung« lägen im »Kulturkampf auf europäischer Ebene« zwischen den Verteidigern der Nationalstaaten einerseits und »Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Liberalen« andererseits. Orbán sei »ein Mann, der gegen das kommunistische Regime kämpfte und seinen Teil für ein demokratisches Ungarn geleistet hat«, lobt Studer. Doch er solle »zu Fall gebracht werden«, bangt er (2. April 2012). Aufgrund seiner »werteorientierten Politik« sei er »zum Angriffsziel nicht nur der EU-Kommission, sondern vor allem auch der politisch korrekten Macht- und Medienelite geworden«.

Rechtsbündnis?
Das Bündnis zwischen extremer Rechter mit demokratischem Anstrich und offen faschistischen Kräften, der Abbau von Demokratie sowie der Aufbau eines autoritären Staates, der gegen Minderheiten vorgeht und völkische Ideologie in Gesetze gießt, ist für die extreme Rechte in Deutschland interessant. Denn eine solche Option zur Erringung der Staatsmacht und für eine rechte Realpolitik ist hier zwischen rechten Kleinstparteien, zersplitterter NS-Szene und Subkultur einerseits sowie der Merkel-CDU andererseits nicht denkbar.