Chaostage bei der AfD

von Kai Budler

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Wer steht noch auf Petrys Seite?

Wer steht noch auf Petrys Seite?

Ein Jahr nach dem Sturz des Parteigründers und Vorsitzenden Bernd Lucke steht die AfD erneut vor einer Zerreißprobe. Parteichefin Frauke Petry muss sich gegen große Teile des Bundesvorstandes behaupten.

Ende Juni trafen sich die Mitglieder des Bundesvorstandes und die Länderchefs der »Alternative für Deutschland« (AfD) zu einer Klausur in Braunlage im Harz, um strategische Fragen zu klären. Auf der Tagung wurden unter anderem Spielregeln für die Kommunikation nach außen beschlossen. Äußerungen über Vorstands- oder ParteikollegInnen sollten nur erlaubt sein, wenn vorher mit der betroffenen Person gesprochen worden sei. Nach dem »Prinzip der regionalen Nichteinmischung« sollte außerdem niemand Konflikte eines anderen Landesverbandes kommentieren. Was von dem Beschluss bleibt, zeigten schon zwei Wochen später die AfD-Chaostage in Baden-Württemberg, wo die Partei bei den Wahlen im März mit 15,1 Prozent der Stimmen als stärkste Opposition in den Landtag einzog – das bislang beste Ergebnis für die AfD in einem westdeutschen Bundesland. Schon vier Monate später hat sich die Fraktion nach dem Antisemitismusstreit um den Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon in zwei Fraktionen gespalten. Beide behaupten, die wahre AfD zu sein.

Petrys Gegner

Mittendrin die Bundeschefin der AfD, Frauke Petry, die in den Südwesten gereist war, um sich in den Streit einzumischen. Doch es dürfte ihr auch darum gegangen sein, ihren Vize Jörg Meuthen zu schwächen und als unfähigen Landesvorsitzenden der AfD in Baden-Württemberg zu demontieren. Mit dem stellvertretenden Bundeschef Alexander Gauland (Brandenburg) und Björn Höcke (Thüringen) hatte Meuthen im Juni JournalistInnen zu einem Treffen im Berliner »Café Einstein« eingeladen. Dort hieß es, Petry sei für eine Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2017 charakterlich nicht geeignet. Höcke, Vorsitzender der Thüringer Landtagsfraktion und des dortigen Landesverbandes, hatte bereits vorher bei einem Treffen der AfD-internen Gruppe »Der Flügel« auf dem Kyffhäuser seine Getreuen um sich geschart. Neben Meuthen und Gauland waren André Poggenburg und Hans-Thomas Tillschneider, beide aus Sachsen-Anhalt, sowie Andreas Kalbitz aus Brandenburg zum Rechtsaußen-Treffen in Nordthüringen gereist.

Der Pakt hat System. Denn je mehr Höcke die Front gegen Petry stärkt, desto stärker macht er die Partei abhängig vom extrem rechten Lager, das dadurch mit seinen Positionen in der Partei gestärkt würde. Die Stärkung steht Dämpfern gegenüber, die Höcke vom Bundesvorstand unter Petrys Federführung erhalten hat, wie beispielsweise im Dezember 2015, als er »nachdrücklich« aufgefordert wurde, »zu prüfen, inwieweit seine Positionen sich noch in Übereinstimmung mit denen der AfD befinden«. Doch der beurlaubte Lehrer macht immer wieder deutlich, wie wenig er von Ratschlägen und Beschlüssen der Bundesebene hält. Trotz der Empfehlung, bei AfD-Veranstaltungen keine PEGIDA-VertreterInnen ans Mikrofon zu lassen, hatte Höcke im Mai 2016 bei einem AfD-Aufmarsch in Erfurt Siegfried Däbritz vom »PEGIDA-Orgateam« auf die Bühne geholt und sprechen lassen. Zuvor hatte er PEGIDA beim Thüringer Landesparteitag ausdrücklich gedankt und erklärt, ohne diese Bewegung hätte die AfD keine solchen Erfolge feiern können.

Machtfrage

Höcke ist der typische Vertreter des Bruchs innerparteilich auferlegter Tabus. Er propagiert eine AfD als »fundamentaloppositionelle Bewegungspartei«, die ihre Inhalte auch massiv mit Kundgebungen und Aufmärschen auf die Straße trägt. Schon bei der Vorbereitung des Machtwechsels an der Bundesspitze im Juli 2015 wusste Petry, dass sie sich ohne den ganz rechten Flügel um Höcke nicht gegen den Parteigründer Lucke durchsetzen könnte. Doch nun wird sie die Geister, die sie rief, nicht mehr los und befindet sich ein Jahr nach ihrem Sieg auf dem Bundesparteitag in Essen im Fadenkreuz ihrer KritikerInnen von ganz Rechtsaußen. Diese sind aus den Landtagswahlen im März gestärkt hervorgegangen und fordern nun ihren Tribut für die guten Wahlergebnisse. Dabei geht es aber nicht um einen politischen Grundsatzkampf; es geht um die Frage, wer in der AfD das Sagen hat. Schon jetzt ist das Lager, auf das sich Petry verlassen kann, nicht groß. Dass die Parteichefin die Zusammenarbeit mit dem offiziellen Pressesprecher der AfD aufkündigte und ein eigenes Pressebüro installierte, hat sie Sympathie gekostet. Petrys wichtigster Stichwortgeber in der Partei ist ihr Lebensgefährte und AfD-Landeschef in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell. Doch auch ihm wurden gerade von seinem am rechten Rand angesiedelten Ko-Sprecher Martin Renner öffentlich die Leviten gelesen. Der Machtkampf und ein mögliches Ausscheiden Petrys aus dem Vorstand kommt völkisch-nationalen AfD-Politikern wie Höcke und Poggenburg gerade recht, um ihren Einfluss zu stärken.

Parteitag im Herbst?

Sollte der Konflikt andauern, könnte die aktuelle Vorsitzende auf das Votum der Parteibasis im Herbst hoffen, das der bayrische AfD-Landesvorstand ins Spiel gebracht hat. In einem offenen Brief an die Mitglieder aus dem Juli heißt es: »Entweder die Streitigkeiten hören auf und die Spitze tritt geschlossen zurück oder die Mitglieder werden zeitnah bei einem außerordentlichen Parteitag über die Neubesetzung des Bundesvorstandes entscheiden«. Auch wenn sich Petry auf der Führungsebene mit fast allen überworfen hat, werden ihr von weiten Teilen der Basis immer noch Sympathien entgegengebracht. Die Mehrheit des Bundesvorstandes aber dürfte einem solchen Mitgliederparteitag mit Schrecken entgegen sehen: Ein dort öffentlich ausgetragener Showdown mit möglichen Neuwahlen der Vorstandsmitglieder wäre für die AfD im Bundestagswahlkampf ein herber Rückschlag.