Siegmund-AfD-Der immer lacht
von Friederike Domrös und Marcel Hartwig
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 208 - Mai | Juni 2024
#Siegmund
Kurze Clips, einfache Sätze, rechte Propaganda. Der sachsen-anhaltische AfD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Siegmund ist als extrem rechter Influencer auf TikTok ein gewichtiger Akteur der Kommunikation der Partei.

»Das muss man sich mal vorstellen!«, ist der Satz, mit dem Ulrich Siegmund seine Videoclips auf TikTok gern garniert. Die Inszenierung von Empörung ist in Siegmunds Videoclips Programm. Was folgt, sind vermeintlich exklusive Wahrheiten über Geflüchtete, über die angebliche Geldverschwendung der Regierung und der »Altparteien« oder abwertende Äußerungen über die LGBTQ-Community. Der Rassismus kommt durchaus subtil daher. In einem Clip von Ende April prangert er die angeblich privilegierte medizinische Versorgung von Asylbewerber*innen im neu gebauten Landesaufnahmezentrum für Flüchtlinge im altmärkischen Stendal an und kontrastiert diese rhetorisch mit der mangelnden medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen. Die Clips kommen im Gewand eines Monologs des Nachbarn am Gartenzaun daher. Keiner der Filme hat eine Dauer von wesentlich mehr als einer Minute. Schnelle Videoschnitte sollen die knappe Ressource Aufmerksamkeit der Zuschauer*innen binden. Der Ton der Ansprechform ist vertraut, aber nicht kumpelhaft. Kurze Hauptsätze und betont lockere Wortwahl, die ohne Fach- oder Fremdwörter auskommt, dominieren. Je Clip gibt es nicht mehr als zwei inhaltliche Kernbotschaften, abgerundet werden diese von der imperativen Aufforderung an die Zuschauerschaft: »Macht Euch ein eigenes Bild.« Siegmund setzt die Regeln populistischer Politikkommunikation durch Emotionalisierung, Personalisierung und inhaltlicher Komplexitätsreduktion wie aus dem Lehrbuch entnommen um. Die erste Argumentationslinie vieler seiner Clips ist Anti-Establishment-Rhetorik, die sich über Elitenschelte zum Kern extrem rechter Deutungsmuster des Zeitgeschehens vorarbeitet.
Für die offensive politische Kommunikation der AfD ist Siegmund einer der Posterboys. Er hat auf TikTok mehr als 390.000 Follower. Der studierte Wirtschaftspsychologe und Betriebswirt überträgt das Einmaleins des Marketings erfolgreich in die Sphäre der politischen Eigenwerbung. Styling, Sprache, Image: Ulrich Siegmund könnte Immobilien, Schokoriegel oder Autos verkaufen. Doch er promotet extrem rechte Politik. Er wirkt smart, wie aus dem Ei gepellt und scheinbar rhetorisch schlagfertig. Anders als bei einigen seiner Bundes- und Landtagskolleg*innen ist Gebrüll nicht Siegmunds rhetorisches Stilmittel. Doch wer seine Reden im Landtag verfolgt, merkt, hier wird eloquent ein rhetorisches Feuerwerk mit wenig inhaltlicher Substanz abgebrannt. Siegmund redet dem radikalisierten Kleinbürgertum politisch nach dem Mund. Kein Wunder, dass er die regressiven Bauern- und Handwerker-Proteste Anfang des Jahres begrüßte und im Sinne der AfD als Vorboten eines Aufstandes gegen die Ampel-Regierung interpretierte. Wie für alle AfD-Politiker*innen sind für Siegmund die »Grünen« derzeit der politische Hauptgegner.
Ulrich Siegmund, Jahrgang 1990, erlebte seine politische Sozialisation in der CDU in der Altmark-Region. Mit 24 Jahren verließ er diese Partei. Seit 2016 ist er über die Landesliste gewählter AfD-Abgeordneter und Mitglied im Landesvorstand der AfD Sachsen-Anhalt. Gemeinsam mit dem neben ihm wenig charismatisch wirkenden Oliver Kirchner führt er die AfD-Landtagsfraktion in Magdeburg. Bis Februar dieses Jahres war Siegmund Vorsitzender des Landtagsausschusses Arbeit, Soziales und Integration. Im Zuge der Berichterstattung über die CORRECTIV-Recherchen wurde er als Ausschussvorsitzender abgewählt. Bei dem von CORRECTIV recherchierten Treffen soll Siegmund um Direktspenden für den Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt 2026 geworben haben. In einem Interview mit der regionalen Tageszeitung Volksstimme vom Februar auf die Vorwürfe angesprochen, sagte Siegmund, bei der gesamten Berichterstattung handle es sich um eine »böswillige Zuschreibung« von CORRECTIV. Das Treffen bei Potsdam sei, so Siegmund, im Einklang mit anderen Stimmen aus der AfD, eines von vielen politischen Gesprächen gewesen und von daher nichts Besonderes.
Siegmund vermied es, sich direkt etwa von Martin Sellner, einem der Referenten des Abends bei Potsdam, zu distanzieren. Es gehe ihm bei Abschiebungen um die Durchsetzung von Recht und Gesetz, so Siegmund gegenüber der Volksstimme. Angesichts des ernsten Themas baten die Journalist*innen Siegmund für ein Foto ausnahmsweise nicht zu lächeln. Er lehnte ab. Siegmund hat gut lachen. Wiewohl kein Ideologe in der AfD, ist er einer ihrer wichtigsten, weil reichweitenstärksten politischen Köpfe. Er ist das junge, scheinbar unideologische Gesicht der AfD, mit dem die Partei wohl vor allem Menschen erreicht, für die der etablierte Politikbetrieb allenfalls so etwas wie ein fernes Hintergrundrauschen ist. Seine Auftritte bei Kundgebungen und Demonstrationen der AfD erreichen via Video weitaus mehr Menschen als nur Partei-Fans.
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Über all seine Aktivitäten empfiehlt sich Ulrich Siegmund dafür, künftig in der AfD eine wichtige politische Rolle zu spielen. Die Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt im Juni werden für die Landespartei eine Art Test, ob die Wahlumfragen sich kommunal in Stimmen niederschlagen. In Siegmunds Heimatregion Altmark dominiert bisher traditionell die CDU die Kommunal- und Landespolitik.