Intro Ausgabe 217

Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 217 - November | Dezember 2025

 

Liebe Leser*innen,

Fingerspitzengefühl in der Öffentlichkeit ist keine Kernkompetenz von Friedrich Merz. Nach dem Klimagipfel COP30 im brasilianischen Belém erklärte er, alle seien froh, »dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, (…) wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind«. Der Gouverneur des brasilianischen Teilstaates Pará mit der Hauptstadt Belém konterte: »Eine voreingenommene Äußerung offenbart mehr über den, der das sagt, als über das, worüber er spricht.« Gleiches könnte man auch zu den »Stadtbild«-Äußerungen von Merz sagen. Auf einer Pressekonferenz hatte er »Probleme im Stadtbild« mit Migration und einer härteren Abschiebepraxis verschränkt. Danach: Schweigen, während die Kritik immer lauter wurde. Stattdessen verteidigte er seine Aussage mit dem Hinweis: »Fragen Sie doch mal Ihre Töchter!«, sie sollten »das Problem« bestätigen. Die Töchter aber wollen nicht »als billige Ausrede dienen, wenn rassistische Narrative gerechtfertigt werden sollen«. So steht es in dem offenen Brief mit dem Titel »Wir sind die Töchter«, den mehr als 50 Frauen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft unterschrieben haben. Erst mehr als eine Woche nach seiner Äußerung konkretisierte Merz, er meine Personen ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus, die nicht arbeiteten und sich nicht an die Regeln hielten. Eine Woche, in der sich die AfD genüsslich zurücklehnen konnte. Ohne ihr Zutun hat der Kanzler mit seinem rassistischen Geraune erneut das Kernthema der Partei bedient, die derweil ihre Attacken auf die Zivilgesellschaft fortsetzt. Auch hier kann sie sich auf die Union als Türöffnerin stützen: Erst im Frühjahr hatten CDU und CSU im Bundestag eine Anfrage im Bundestag zur Finanzierung von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen im Bundestag gestellt. Nun legt die AfD nach und attackiert zum Beispiel die Amadeu Antonio Stiftung, um deren staatliche Finanzierung zu beenden. Für die Stiftung ist es der »vorläufige Höhepunkt einer Kampagne (…) auch gegen die Zivilgesellschaft und vor allem gegen alles, was der AfD im Wege steht«. Dazu gehört eine antifaschistische Bewegung. Auch sie wollte die Partei im Bundestag verbieten lassen. Die Richtung gibt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán vor, der erklärt, »die Antifa und ihre Unterorganisationen« hätten zwar noch keine Verbrechen begangen, es müssten aber Maßnahmen gegen sie ergriffen werden, »bevor sie welche begehen«. Das Feindbild »Antifa« ist so diffus und flexibel gehalten, um alles darin einzusortieren, was den Feind*innen der offenen Gesellschaft im Weg steht. Dazu gehört offenbar auch der Anstand – laut Marlene Dietrich die Grundlage für eine antifaschistische Haltung. Was es braucht? Mehr Anstand, mehr Haltung – und mehr Antifa.

Eure Redaktion

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