Partei ohne Mäßigung
von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 216 - September | Oktober 2025
#AfD
In der »Alternative für Deutschland« (AfD) toben bereits die innerparteilichen Machtkämpfe um die Gunst der noch zu gründenden neuen Jugendorganisation. Weder bei ihr noch in der Partei ist eine vermeintliche Mäßigung in Sicht – noch nicht einmal taktischer Art.

© Pressefuchs Brandenburg
Nach der von der Mutterpartei erzwungenen Selbstauflösung der »Jungen Alternative« (JA) im Frühjahr 2025 soll Ende November auf einem Kongress in den Gießener Messehallen die Neugründung der AfD-Jugendorganisation stattfinden. Doch bereits Mitte Juli hatte die Kanzlei von Rechtsanwalt Ralf Höcker gleich vier Wort-/Bild-Marken für die noch nicht existierende Parteijugend beim Patent- und Markenamt angemeldet, als Eigentümerin wird dort die AfD genannt. Dabei soll eigentlich der im Herbst neu gewählte Bundesvorstand jener Jugendorganisation über Logo und Design entscheiden. Die Logos zeigen jeweils einen Adler in kantigem Design mit scharfen, geraden Linien, der an Reichsadler-Abbildungen aus NS-Deutschland erinnert. Dazu gesellen sich das AfD-Logo und der Name. Der Schriftzug variiert zwischen »Parteijugend«, »DeutschlandJugend«, »Junge Patrioten« und »Patriotische Jugend«. Ebenfalls lange vor dem Kongress begonnen haben die innerparteilichen Machtkämpfe um den Einfluss in der zu gründenden Organisation. Diese soll zukünftig eng an die AfD angebunden sein und nicht mehr wie zuvor als eigenständiger Verein agieren.

Jugend als Machtfaktor
Auch Björn Höcke weiß um die Bedeutung der Jugend für jene, die es verstehen, sie einzubinden. Der Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzende hatte bis zuletzt seine schützende Hand über die JA gehalten und damit auch über ihre Scharnierfunktion zu rechtsradikalen Netzwerken und Vorfeldorganisationen. Sie hatte seine Machtbasis gestärkt, vielerorts war die Rede von der JA als »Höcke-Jugend«, deren Funktionär*innen mit Jobs in Partei und Fraktionen entlohnt wurden. Anfang August nun plädierte Höcke in den sozialen Medien dafür, Eigenleben und Namen der JA zu erhalten. Nach der Selbstauflösung zu ihrem organisatorischen Höhepunkt könne die JA »wie ein Phönix aus der Asche auferstehen: Professioneller, aber eben nicht ferngesteuert«. Kurz darauf löschte Höcke seinen Post, nachdem öffentlich wurde, dass er darin einen Kernsatz der »Hitler-Jugend« für die Zukunft der AfD-Jugendorganisation verwendet hatte. Die Aktiven der ehemaligen und künftigen Radikalisierungsmaschine werden in ihrem Streben für maximale Autonomie innerhalb der vorgesehenen Grenzen Höckes Worte verstanden haben. Eine vermeintliche Deradikalisierung der Parteijugend durch die Neugründung wird der Wunschtraum einiger Weniger bleiben. Dafür spricht, dass als Vorsitzender der Jugendorganisation der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete und Cottbuser AfD-Chef Jean-Pascal Hohm im Gespräch ist. Dieser hatte bereits zwischen 2014 und 2016 die JA Brandenburg geleitet und war für die »Identitäre Bewegung« tätig. 2021 hatte er in seiner Ansprache bei einem Aufmarsch gegen die Corona-Schutzmaßnahmen getönt: »Machen wir es kurz und knapp: Dieses System ist krank!« Einem Block vermummter Neonazis an der Spitze des Aufmarschs hatte er per Megafon die Parolen vorgegeben. Im Gutachten zur Einstufung der Brandenburger AfD als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« taucht Hohms Name gleich 27 Mal auf.
Von Spaltern und »Feindzeugen«
Sollte mit der Einhegung der JA kurzzeitig der Eindruck entstanden sein, die AfD wolle sich – aus taktischen Gründen – selbst mäßigen, macht die Partei ihn schnell wieder zunichte. Der »Verhaltenskodex der AfD-Fraktion« war ausgerechnet von Parteivize Stephan Brandner erarbeitet worden, der in der vergangenen Legislatur die meisten Ordnungsrufe im Bundestag erhalten hatte. Selbst Fraktionschefin Alice Weidel konnte der darin vorgeschlagenen Mäßigung nicht folgen, was an dem von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) angedrohten Rausschmiss aus dem Plenarsaal deutlich wurde. Auch Weidels Gleichsetzung der SPD mit Hitler nach ihrem Votum für ein AfD-Verbotsverfahren ist für die Partei wenig hilfreich, wenn sie sich als »gemäßigt« inszenieren will. Zu sehr ist es offensichtliche Heuchelei. Zu sehr gehört das laute, pöbelnde und radikale Auftreten zum Geschäftsmodell der Partei. Doch genau dieses Auftreten könnte sie gefährden, glauben einige ihrer Vertreter*innen, allen voran der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah. Er führt vor allem die massive Verwendung des Begriffs »Remigration« ins Feld, der erst Anfang des Jahres ins AfD-Wahlprogramm aufgenommen wurde. Denn inzwischen wird das Konzept in mehreren Urteilen als Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote im Grundgesetz eingestuft. So stellte das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren um das Verbot des »Compact-Magazins« fest, dass »Remigrations«-Konzept ziele darauf ab, deutschen Staatsbürger*innen mit ausländischen Wurzeln grundlegende Rechte zu entziehen (s. drr Nr. 215). Auch in den Gutachten zur Hochstufung der AfD in Brandenburg und der Bundespartei als »gesichert extremistische Bestrebungen« spielt die von der Partei geforderte »Remigration« eine große Rolle. Krahs Befürchtung: Ohne einen – wenn auch nur taktischen – Bruch mit der »Blut und Boden«-Rhetorik sowie einer Distanzierung vom »Remigrations«-Konzept und dessen Initiator Martin Sellner könnte die Gefahr eines AfD-Verbotsverfahrens steigen. Aufgrund seiner Ansicht hatte sich Krah bereits einen veritablen Schlagabtausch mit Götz Kubitschek vom inzwischen umbenannten »Institut für Staatspolitik« (IfS) geliefert, der dem Bundestagsabgeordneten eine »Spaltung zwischen Partei und Vorfeld« vorwirft. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum »Feindzeugen«, wie ihn Kubitschek wenig später nennt. Es ist wohl einer der schlimmsten Vorwürfe in der Partei und ihrem Vor- und Umfeld, die einer Person aus den eigenen Reihen gemacht werden kann. Sellner wiederum kritisiert eine planlose Anpassung mit dem Vorwurf der bloßen »Stimmenmaximierung in der ›Mitte‹ der Gesellschaft«. In seiner monatlichen Kolumne in »Compact« kritisiert Sellner eine »AfD light« und konstatiert: »Wer sich Begriffe vom Gegner diktieren lässt, wird zu seinem Sklaven. Ohne Remigration ist die AfD wie ein Paketbote mit leerem Sack.
Schneller am Ziel, aber sinnlos.« Die AfD mutiere zur »Altpartei«, sie verliere ohne die »Remigrations«-Forderung ihre »Daseinsberechtigung« – der Druck des Um- und Vorfelds auf die Parteispitze ist groß. Das Pfund, mit dem sie wuchern können, sind ihre Mobilisierungsstärke und ihre Unterstützer*innen, die für das gute Abschneiden besonders bei jungen Wähler*innen gesorgt haben. Immerhin hatte sich deren Anteil bei der Bundestagswahl im Februar 2025 gegenüber 2021 fast vervierfacht. Am Ende steht der Sieg von Sellner und Co über eine – wenn auch nur inszenierte – Selbstmäßigung und Selbstverharmlosung. Im Interview mit der »Welt« erklärt Alice Weidel als Bundesvorsitzende im August 2025: »Ich sehe keine Veranlassung zu einer Mäßigung der AfD.« Auf die Frage nach dem gemeinsamen Auftritt des Brandenburger AfD-Chefs Hans-Christoph Berndt mit Martin Sellner auf dem »Compact«-Sommerfest ätzte sie gegen einen »politisierten Verfassungsschutz« und wiederholt: »Die Leute glauben diesen Quatsch auch nicht mehr. Es geht darum, eine politische Konkurrenzpartei auszuschalten.« Diese Haltung impliziert auch die stetige Diskreditierung der Person Krah. Um sie stärker einzubinden, werden die meist jüngeren Akteur*innen aus den Um- und Vorfeldorganisationen belohnt, die Krah massiv kritisiert haben.
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Regierungsbeteiligung und Sturz der Brandmauer
Gerade zu große interne Streitereien jedenfalls sind Fallstricke auf dem Weg der Partei zu weiteren Erfolgen. Einen solchen strebt auch die AfD-Bundestagsfraktion an und legte im Juli »Ideen und Vorschläge zum Strategieprozess« vor. Ziele sind demnach »Einsturz der Brandmauer und Regierungsverantwortung der AfD«. Dazu will die Partei dauerhaft die Stammwähler*innenschaft an sich binden, zu der sie auch Jungwähler*innen zählt. Als »junge Deutsche als Hoffnungsträger einer besseren Zukunft« will sie ein »positives Bild dieser Gruppe« zeichnen. Besonders darauf soll ein Arbeitsschwerpunkt der künftigen Jugendorganisation liegen.
Dafür sollen verstärkt »Frauen, Bürger mit Hochschulreife und Hochschulabschluss, Bürger in Großstädten und Metropolen, Wähler über 60 Jahre und konfessionsgebundene Christen« gewonnen werden. Sie gehören laut Fraktion zu den Gruppen, in denen die Partei »ihr Potenzial nicht ausgeschöpft hat«. Im Bundestag sieht das Papier einen »Kulturkampf« vor, der SPD und Grüne nach links zwingen und die Gegensätze zwischen SPD und Union »unüberbrückbar« machen soll. Während dieser Graben wachse, will die AfD gleichzeitig den Druck auf die Union erhöhen und hofft so auf die Spaltung der aktuellen Regierungskoalition und den »Sturz der Brandmauer«. Der parlamentarische Hauptfeind bleibt die Union, ihre Zerstörung hatte Maximilian Krah bereits 2023 als Ziel ausgegeben. Für die konkrete Umsetzung dieser Strategie werden jetzt vor allem jene verantwortlich sein, die es geschafft haben, durch ihre Kritik Krah als Bauernopfer zu desavouieren. Dazu gehört auch die künftige Jugendorganisation, die dafür weiterhin Scharnier zu rechtsradikalen Netzwerken und Vorfeldorganisationen bleiben wird.