Netzwerken im Nahen Osten

von Jan Nowak
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 166 - Mai 2017

Die Neonazi-Partei »Der III. Weg« pflegt intensiv internationale Kontakte. Neben teils langjährig gewachsenen Beziehungen innerhalb Europas knüpft sie in jüngster Zeit auch Verbindungen nach Syrien und in den Libanon.

 

Magazin der rechte rand Ausgabe 166

© Christian Ditsch

 

Wunsiedel, November 2016. Wie jedes Jahr hat »Der III. Weg« anlässlich des Volkstrauertages zum ‹Heldengedenken› geladen. Am Platz der Auftaktkundgebung finden sich nach und nach gut 200 TeilnehmerInnen ein, darunter auch zwei Männer, die Mützen der flämischen »Nationalistischen Studentenvereinigung« (NSV) tragen. Bevor sich der Zug in Bewegung setzt, unterhalten sie sich angeregt mit Stefan Schäfer, einem jungen Anhänger der Partei »Der III. Weg« aus dem oberbayerischen Puchheim im Landkreis Fürstenfeldbruck. Man kennt sich schließlich: Frederik Vandelannoote, der auch beim »Vlaams Belang« und dessen Jugendorganisation aktiv ist, und Rohalt Gysemans nahmen im Mai 2016 gemeinsam mit Schäfer an einer Delegationsreise nach Syrien teil. Organisiert wurde diese von der »European Solidarity Front for Syria« (ESFS), einem Zusammenschluss extrem rechter Organisationen aus verschiedenen europäischen und südamerikanischen Ländern zur Unterstützung des Regimes von Bashar al-Assad. Durch Kongresse, Kundgebungen und Delegationsreisen versuchte die ESFS in den letzten Jahren Öffentlichkeitsarbeit für das Regime in Damaskus zu machen. Zieht man die Berichte der nationalen Sektionen über die eigenen Aktivitäten als Indikator heran, dürfte der Zenit des Engagements in den meisten Ländern zwischenzeitlich jedoch deutlich überschritten sein.

In Deutschland entwickelte die ESFS ohnehin kaum Aktivitäten, ein Vortrag im Januar 2016 in München ist eine der wenigen bekannten Veranstaltungen. Hierfür soll extra ein Referent aus Flandern angereist sein, was kaum für handlungsfähige Strukturen vor Ort spricht. Laut einem Bericht der Partei »Der III. Weg« hat diese Veranstaltung ihren Anhänger Schäfer inspiriert, sich der Delegation nach Syrien anzuschließen. Die Mehrheit seiner Mitreisenden kam indes aus Belgien. Neben den oben erwähnten Vandelannoote und Gysemans war beispielsweise Ruben Rosiers Teil der etwa zehnköpfigen Gruppe. Der emsige Protagonist der extrem rechten ‹Syriensolidarität›, der die ESFS auch schon international repräsentierte, hat Stationen in verschiedenen Organisationen der belgischen extremen Rechten hinter sich. Einst war er bei der NSV aktiv, später bei einer nationalrevolutionären Splittergruppe. Mit von der Partie war auch die in Belgien lebende syrische ‹Bürgerrechtsaktivistin› Rima Darious. Wie auch Rosiers trat sie beispielsweise bei Konferenzen der extrem rechten Hilfsorganisation »Solidarité Identités« (SOL.ID) im September 2015 in Rom und im April 2016 in Antwerpen in Erscheinung. Darüber hinaus ist sie eine gefragte Interviewpartnerin verschiedener Medienprojekte der extremen Rechten im deutschsprachigen Raum. Formaten wie »Zuerst!« oder »FPÖ-TV« diktiert sie, was diese hören wollen: Bei den syrischen Flüchtlingen in Europa handle es sich um ‹Wirtschaftsflüchtlinge› und SympathisantInnen des islamistischen Terrorismus und die syrische Armee kämpfe mit russischer Unterstützung für eine gute Sache. Entsprechende Inhalte konnte sie auch auf Einladung des Bildungsinstituts der »Freiheitlichen Partei Österreichs« und des »Liberalen Clubs« bei deren Nahost-Konferenz im Februar 2016 verbreiten. Ebenfalls Teil der Delegation war Nico Creces, der für den »Vlaams Belang« im Rat der flämischen Stadt Aarschot sitzt. Wie Rosiers und Darious übernahm er während der Delegationsreise auch repräsentative Aufgaben.

Nach der Reise veröffentlichte »Der III. Weg« einen mehrteiligen Reisebericht auf seiner Homepage. Die einwöchige Reise war demnach straff durchgeplant. Die Anreise erfolgte via Istanbul und Beirut. Dort, so der Autor, sei er von Kameraden der ESFS in Empfang genommen worden. Mit einem Kleinbus ging es gemeinsam weiter nach Damaskus, wo die Gruppe drei Tage verbrachte. Auf dem Programm standen einerseits touristische Aktivitäten wie die Teilnahme an einem Gottesdienst der syrisch-orthodoxen Kirche mitsamt Fototermin beim Patriarchen und Sightseeing. Laut dem Reisebericht gab es auch ein Treffen mit dem Informationsminister Omran al-Zoubi und der Präsidentenberaterin Bouthaina Shaaban. Sie erläuterten der Gruppe, die mediale Darstellung des Vorgehens der syrischen Regierung sei völlig verzerrt, und versorgten sie mit ‹alternativen Fakten›. Auch ein Treffen mit dem Großmufti von Syrien, Ahmad Badreddin Hassoun, fand statt. Der islamische Rechtsgelehrte, der im Westen als moderat gehandelt wird, rief syrische Eltern im Jahr 2013 dazu auf, ihre Kinder zur Armee zu schicken, um das Vaterland gegen eine angebliche Verschwörung ausländischer Feinde, verräterischer Araber, Zionisten und Anhänger des Westens zu verteidigen. Nach Damaskus standen der Besuch der erheblich zerstörten Stadt Homs und Treffen mit lokalen Vertretern der »Baath-Partei« sowie dem Gouverneur in Latakia an, die vor ‹Schläfern› unter den syrischen Flüchtlingen in Europa beziehungsweise der Gefahr des islamistischen Terrorismus allgemein warnten; eine Botschaft, die bei den ZuhörerInnen auf offene Ohren gestoßen sein dürfte. Dass der Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in der Kleinstadt Harim ihnen während einer Exkursion versicherte, die syrische Regierung sorge vor Ort gut für die untergebrachten Menschen, dürfte der Gruppe politisch ebenfalls ins Konzept gepasst haben. Zum Ende der Reise traf sich die Delegation noch zu einem Gespräch mit einem verletzten Soldaten, nachdem sie bereits vorher einen ‹Märtyrerfriedhof› besucht hatte.

Die Faszination für Opferbereitschaft und Märtyrerkult wird in den Berichten der Partei »Der III. Weg« ebenso sichtbar wie jene für die Allgegenwärtigkeit des Präsidenten im öffentlichen Raum, den alltäglichen Antizionismus und ‹Antiimperialismus› sowie den Militarismus und syrischen Nationalismus allgemein. Im Kontrast zum ‹verwestlichten› Libanon merkt Schäfer außerdem an: »In Syrien glänzt nichts. In Syrien gibt es keine Fast-Food-Läden. Keine teuren Wagen. Keine grellen Lichter. Aber Syrien hat eine Identität. Diese Identität ist der Stolz der Syrer. Für die Freiheit dieses Landes sind viele bereit zu kämpfen. Und grade jetzt wird mir bewusst, warum mir dieses Land so sympathisch ist.« Bei so viel ‹Natürlichkeit› kann es einem völkischen Nationalisten schon mal warm ums Herz werden. Als Fazit der Reise stellt Schäfer abschließend fest, Europa müsse schon deshalb mit der syrischen Regierung ins Gespräch kommen, um der ‹Flüchtlingskrise› endlich Herr zu werden. Doch auch ideologische Gemeinsamkeiten werden für die Solidarität mit dem Assad-Regime ins Feld geführt. Denn dort passiere bereits das, wovon in Europa oft nur gesprochen werde: »Man kämpft gegen den Einzug des Kapitalismus und Zionismus, für Freiheit und den eigenen Sozialismus.«

Hängengeblieben im Libanon
Nach der Delegationsreise mit der ESFS organisierten verschiedene Stützpunkte der Partei »Der III. Weg« Veranstaltungen, bei denen ihr Kamerad von seinen Eindrücken und Erlebnissen berichtete. Die Schilderungen weckten offensichtlich Interesse: Bereits Ende Februar 2017 wollte sich eine eigene Delegation der Partei auf den Weg nach Syrien machen. Sie kam allerdings nur bis nach Beirut, aufgrund von Visaproblemen konnten die Neonazis nicht nach Syrien einreisen. Der kleinen Gruppe gehörten diesmal unter anderem der Gebietsverbandsleiter Süd der Partei, Kai Zimmermann aus Nürnberg, die Anhänger des Stützpunktes Ostbayern Johannes Kreuzhuber und Marian Mörtlbauer aus Pocking im Landkreis Passau sowie wiederum Stefan Schäfer an. Auch nach dieser Reise veröffentlichte »Der III. Weg« einen Bericht, zwei Aktivitäten sind dabei von besonderem Interesse:
Zum einen besuchte die Gruppe den »Mleeta Widerstandspark«. Die islamistisch-nationalistische Hisbollah präsentiert dort auf dem Gelände ihres ehemaligen Stützpunktes eine verklärende Sicht auf die Geschichte der eigenen Organisation, ihrer terroristischen Anschläge und der Aus­einandersetzung mit Israel. Die Anlage ist eine Mischung aus Kriegsmuseum und Freizeitpark, viel Wert wird dabei auf ‹Erfahrbarkeit› gelegt. Nach einem Begrüßungsfilm, in dem Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah die Hoffnung äußert, das »touristische Dschihad-Center möge ein erster Schritt zur Erhaltung der Geschichte des heroischen Widerstands« sein, geht es los. Zwischen Schützengräben und Tarnnetzen finden sich nachgestellte Kriegsszenen, die als Hisbollah-Kämpfer verkleidete Puppen mit allerlei Kriegsgerät in Aktion zeigen. Geneigte BesucherInnen können auch selbst Hand anlegen und sich beispielsweise im Umgang mit einer Flugabwehrkanone ausprobieren. Eine ‹Kunstinstallation› zeigt außerdem einen israelischen Panzer, militärische Ausrüstungsgegenstände und jüdische Grabsteine, die in einem riesigen Strudel in die Tiefe gezogen werden. Angesichts des eigenen Antisemitismus ist es wenig verwunderlich, dass es für die neonazistische Delegation eine »ergreifende Erfahrung« war, den »heldenhaften Widerstand der kampferprobten libanesischen Miliz gegen die technologisch überlegene jüdische Armee« kennenzulernen. Einem Mitreisenden scheint es die Hisbollah besonders angetan zu haben. So ist im Bericht die Rede davon, ein Souvenir mit dem Logo der Terrororganisation habe beim Zoll in Deutschland zu Irritationen geführt.

Weiter traf »Der III. Weg« im Libanon noch Hassan Sakr, den Auslandsbeauftragten der »Syrisch Sozial-Nationalistischen Partei« (SSNP). Die Partei träumt von einem Großsyrien, das neben dem heutigen syrischen Staat auch den Libanon, Jordanien, Irak und Palästina umfassen soll. Dabei ist sie säkular ausgerichtet, statt Religion zählt für sie Nation und Rasse. Sie lehnt die Existenz Israels ab und ist nicht ‹nur› antizionistisch, sondern auch explizit antijüdisch ausgerichtet. Aktuell sitzt sie mit zwei Abgeordneten im libanesischen Parlament und kämpft mit einer Miliz von etwa 5.000 Mann auf der Seite Assads im Syrienkrieg, eine Abspaltung der Partei ist sogar direkt in die syrische Regierung eingebunden. Da man die SSNP durchaus in einer faschistischen Tradition sehen kann, ist es wenig verwunderlich, dass Sakr nicht zum ersten Mal Kontakt mit Akteuren der europäischen extremen Rechten hatte. Im September 2015 trat er beispielsweise als Redner bei der oben erwähnten Konferenz von SOL.ID in Rom auf, im Oktober 2016 in Wismar beim »Freiheitlichen Kongress« der »Europa Terra Nostra«-Stiftung der europäischen Partei »Alliance for Peace and Freedom« (APF).

Vom Nutzen
Was für eine Bedeutung ist diesen neuen internationalen Kontakten der Partei »Der III. Weg« beizumessen? Eine umfassende Analyse wird dadurch erschwert, dass die meisten Informationen auf von Neonazis zur Verfügung gestelltem Material basieren. Gleichwohl kann festgehalten werden: Anders als bei extrem rechten Parteien, die auf parlamentarischer Ebene vertreten sind, wird sich der propagandistische Nutzen für das Assad-Regime in engen Grenzen halten. Hierzu passt, dass »Der III. Weg« es nur mit der ESFS-Delegation, nicht aber allein nach Sy­rien geschafft hat. Für die Neonazipartei selbst dürfte die Kompensierung der eigenen relativen politischen Bedeutungslosigkeit durch Kontakte auf dem Parkett der großen Politik eine wichtige Rolle spielen. Wie sich durch die Teilnahme der Belgier beim ‹Heldengedenken› in Wunsiedel zeigt, hat die gemeinsame Delegationsreise zudem die innereuropäische Zusammenarbeit im Kleinen gestärkt.