Editorial der 165

Eure Redaktion

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 165 - März 2017

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

ein Begriff geistert in diesen Tagen durch die Welt: »Fake News«. Vom rechten US-Präsidenten Donald Trump Anfang des Jahres als Vorwurf gegen die CNN gerichtet, ist der Schlagabtausch mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Medienhäuser und Bundesregierung suchen nach Wegen des Umgangs mit Desinformationen und greifen zu althergebrachten Mitteln: Löschen und bestrafen. Dabei sind Fehlinformationen ein alter Schuh und schon immer Teil von Propaganda, ganz gleich ob in Diktaturen oder westlichen Demokratien. Und während auf dem weltpolitischen Tableau die großen Kämpfe gefochten werden, machen auch die KolporteurInnen rassistischer Hassreden und rechter Stimmungsmache im Kleinen weiter. Etwa nachdem ein Amokfahrer Ende Februar in Heidelberg in eine Menschenmenge raste. Im Internet verbreiteten sich Spekulationen, dass der Täter »Flüchtling« oder »Terrorist« sei. Die Polizei wies die Gerüchte via Twitter mehrfach zurück: »Und nun noch mal für alle. Tatverdächtiger: Deutscher OHNE Migrationshintergrund!« Doch der Hinweis auf diese Fakten dürfte kaum geholfen haben – zumindest nicht bei jenen, die eh nur noch denken, was sie glauben wollen.
Indes ist vollkommen offen, ob die »Alternative für Deutschland« (AfD) im Bundestagswahlkampf »Social Bots« einsetzt, um in sozialen Medien automatisierte Meinungsmache zu betreiben. Zwar widerspricht die Partei dem Vorwurf in altbekannter Weise: Meldung in die Welt setzen, dann zurückrudern. Doch laut der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« scheint auch das Dementi der Rechtspartei »Fake News« zu sein. Nach ihren Recherchen gäbe es Indizien auf zahlreiche rein virtuelle AfD-NutzerInnenprofile bei Facebook. Die Strategie dahinter ist klar: anderslautende Meldungen als »Lügenpresse« abkanzeln, die eigenen Postillen als Verkünder der reinen Wahrheit in Position bringen und somit eine rechte Meinungsführerschaft suggerieren.
Ebenfalls in einer Welt zwischen Wirklichkeit und Eigensuggestion leben die »Reichsbürger«. In den letzten Monaten wurde durch eine Schießerei mit einem getöten Polizisten, möglichen Anschlagsplänen und Razzien offensichtlich, dass die Bewegung eine reale Bedrohung darstellt. Auf den ersten Blick handelt es sich um skurrile SpinnerInnen und RevanchistInnen. Doch bei genauerer Betrachtung befindet sich unter ihnen eine Reihe guter Bekannter. Schon vor über zehn Jahren berichteten wir über Verbindungen von Horst Mahler oder dem mittlerweile verbotenen »Collegium Humanum« zu den »Reichsbürgern« (s. drr Nr. 99, 102). Seit dem ist viel passiert. Über 10.000 AnhängerInnen soll die Bewegung heute haben, meint der Verfassungsschutz. Allein in Bayern über 1.700, davon fast 300 mit Waffenerlaubnis. Das Spektrum der Szene ist breit: Von neonazistischen ÜberzeugungstäterInnen über antisemitische VerschwörungstheoretikerInnen bis hin zu jenen, die sich mit ihrer Ideologie vom Fortbestand des »Deutschen Reiches« vor dem Fiskus drücken wollen.
Einmal mehr stellt sich die Frage: Warum muss erst ein Repräsentant des Staates sterben, bevor dieser handelt, und das, obwohl sogar die Behörden die Szene immer im Blick hatten, sie aber offenbar nie ernst nahmen.