Club Mate, Hakenkreuze und Gewalt: Die »JN Braunschweig«

von David Janzen

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Neonazischmierereien in Braunschweig

Neonazischmierereien in Braunschweig

»Schlägerei auf Schulgelände – Opfer erleidet schwere Verletzungen«, »KZ-Gedenkstätte in der Schillstraße verschandelt« – »Rechtsextreme Schmierereien am AStA der TU«.
Seit Monaten häufen sich in Braunschweig die Schlagzeilen über rechte Aktivitäten und Gewalttaten.

Die Serie rechter Aktivitäten reißt nicht ab: Vorläufiger Höhepunkt war der Angriff eines JN-Anhängers (JN, »Junge Nationaldemokraten«) auf zwei Schüler an einem Braunschweiger Gymnasium im Februar diesen Jahres. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Anklage gegen den mutmaßlichen Täter, den Kampfsportler und Bodybuilder Pierre B., erlassen. Er soll auf einen der beiden Schüler so brutal eingeschlagen haben, dass dieser mit einem Kieferbruch im Krankenhaus behandelt werden musste. Rund um die Wohnung des 24-jährigen mutmaßlichen Täters, der sich mittlerweile in U-Haft befindet, häufen sich seit Monaten rechte Schmierereien: »Nazi Kiez«, »NS Area« oder »NS Zone« ist dort neben Kürzeln und Aufklebern der JN/NPD an Dutzenden Laternenpfählen, Häuserwänden und Stromkästen zu lesen. Ein selbstgemalter Aufkleber mit einem Galgenmännchen fordert sogar: »Töte Linke!« Auch in zwei anderen Stadtteilen finden sich vermehrt ähnliche Schmierereien. Mehrmals wurden zudem »Stolpersteine« beschmiert oder zerkratzt. Anfang Mai wurden an die KZ-Gedenkstätte Schillstraße »NS«-Schriftzüge sowie Hakenkreuze gesprüht und Tafeln mit Erinnerungen und Mahnungen Braunschweiger BürgerInnen an die NS-Zeit zerstört. Bereits ein paar Tage zuvor, am 8. Mai, waren die JN-Aktivisten Sebastian W. und Lasse R. zusammen mit Pierre B. am Rande einer Gedenkveranstaltung an der Gedenkstätte aufgetaucht, hatten die TeilnehmerInnen abfotografiert und mit Sprüchen wie »Antisemiten lassen sich nicht verbieten« provoziert. Das zunehmend provokative, aggressive und gewaltsame Auftreten des Braunschweiger Parteinachwuchses scheint der NPD trotz laufenden Verbotsverfahrens keine Sorgen zu machen: So durfte Pierre B. als Ordner beim Landesparteitag der NPD am 12. Juni 2016 in einem Kleingartenvereinsheim die Anreisenden begrüßen, darunter auch den ehemaligen Bundesvorsitzenden Udo Voigt.

Regionale Entwicklungen

Der brutale Angriff auf die beiden Schüler ist zwar bisheriger Höhepunkt rechter Gewalt in der Stadt, aber kein Einzelfall: Bereits 2015 sind die Zahlen rechter Straf- und Gewalttaten in Braunschweig sprunghaft angestiegen. Auch die Polizei sieht das in Zusammenhang mit den seit Anfang 2015 wöchentlich stattfindenden »Spaziergängen« des Braunschweiger PEGIDA-Ablegers BRAGIDA. Die »Spaziergänge« sind auf großen und breiten Gegenprotest gestoßen und von anfänglich ein paar Hundert Teilnehmenden auf 20-30 Personen zusammengeschrumpft. Für die eher marginalisierte lokale und regionale Neonaziszene boten die Versammlungen allerdings die Möglichkeit, neue Kontakte und Vernetzungen zu knüpfen.

Der erst 2014 gegründete »JN Stützpunkt Braunschweig« konnte so von anfänglich einer Handvoll auf circa 15 Mitglieder anwachsen. Profitieren konnten die JN auch davon, dass im Frühjahr 2015 nach internen Querelen und dem öffentlich erklärten Ausstieg des Kreisvorsitzenden die Tätigkeit des »Kreisverbandes Braunschweiger Land« der Partei »Die Rechte« zum Erliegen kam. Auch aus dem Hildesheimer Kreisverband der »Rechten« verlegten Mitglieder ihre Aktivität zur JN, nachdem Streitereien nicht nur zum Austritt des ehemaligen Kreisvorsitzenden Johannes Welge, sondern auch zur weitgehenden Inaktivität des Verbands geführt hatten. Auch die diversen neonazistischen »Aktionsgruppen« in der Region, die sich noch 2012 zu einem »Aktionsbündnis 38« zusammengeschlossen hatten und damit laut Behörden über ein Potential von 50-60 Personen verfügten, sind zerfallen oder bestehen nur noch aus einzelnen Personen. Und selbst die NPD verfügt in den Städten und Dörfern zwischen Harz und Heide kaum mehr über wahrnehmbare Strukturen.

Querverbindungen und personelle Überschneidungen der JN-Mitglieder gibt es dabei zu den RechtsRockveranstaltern von »Honour & Pride Niedersachsen« und der HOGESA-Abspaltung »Gemeinsam Stark Niedersachsen«. Gute Kontakte bestehen außerdem zur »Identitären Bewegung« (IB), die gewisse personelle Überschneidungen mit der »Jungen Alternative« aufweist. Und auch mit anderen Gruppierungen aus der Grauzone zwischen Neofaschismus und Rechtskonservatismus wird der Schulterschluss gesucht: So besuchten am 4. Juni Mitglieder der »JN Braunschweig« und AnhängerInnen der IB gemeinsam einen »Zeitzeugenvortrag« mit einem »Veteranen des II. Weltkriegs« auf dem Haus der »Burschenschaft Thuringia«.

Die Aktivitäten der »JN Braunschweig« konzentrieren sich vor allem darauf, junge Menschen durch gemeinsame Freizeitaktivitäten einzubinden und im Sinne einer völkisch-nationalistischen »Weltanschauung« zu schulen. Dabei versuchen die JN den Spagat zwischen einer Rückbesinnung auf völkisch-bündische Traditionen und der Selbstdarstellung als eine trendige Jugendgruppe, die in den sozialen Netzwerken zu Hause ist, wo man Club-Mate trinkt und sich mit veganer Ernährung beschäftigt. Des Weiteren setzen die »JN Braunschweig« vor allem auf eine Vielzahl kleinerer, oft Flashmob-artiger Aktionen, an denen kaum mehr als eine Handvoll AktivistInnen beteiligt sind. So tauchten zum Beispiel fünf Personen mit einem Transparent vor einer Flüchtlingsunterkunft auf und hielten dort eine »Kundgebung« ab, mischten sich mit einem Transparent unter den städtischen Karnevalsumzug und vier AktivistInnen entrollten ein Transparent mit der Aufschrift »Rapefugees not welcome« an einem Infostand der »Frauen- und Mädchenberatungsstelle bei sexueller Gewalt«. Darüber hinaus gelingt es der Neonaziszene in der Region bislang allerdings nicht, die zunehmend islam- und flüchtlingsfeindlichen Stimmungen für eigene öffentlich mobilisierte Aktionen zu nutzen.