Die Gedankenwelt des Frank Steffen

von Verena Grün

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Frank Steffen (zweiter von links im Vordergrund) beim Hess-Marsch 1993 in Fulda

Frank Steffen (zweiter von links im Vordergrund) beim Hess-Marsch 1993 in Fulda

Wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung wurde Frank Steffen am 1. Juli 2016 zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Oktober letzten Jahres hatte er die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker mit einem Messer in den Hals gestochen und weitere Menschen teils schwer verletzt. Das Motiv: ein Zeichen gegen die »verfehlte Flüchtlingspolitik«.

»Er wollte ein Klima der Angst schaffen und die Politik beeinflussen«, formulierte die Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf in ihrer Urteilsbegründung. Mit dem Strafmaß blieb sie unter der von der Bundesanwaltschaft und der Nebenklage geforderten lebenslangen Haftstrafe. Ausschlaggebend hierfür sei gewesen, dass Reker das Krankenhaus schon nach zwei Wochen wieder verlassen konnte, auch wenn sie nur durch Glück überlebte. Außerdem war Steffens schwere paranoide und narzisstische Persönlichkeitsstörung strafmildernd.

Die »Messerstecher«-Biographie

Obwohl der Sachverhalt klar und der Angeklagte in Teilen geständig war, verliefen die elf Verhandlungstage im Hochsicherheitstrakt des OLG skurril. Am Tag der Prozesseröffnung zeigte sich der Beschuldigte kooperativ, schilderte seine Biographie und beantwortete dazu die Fragen des Gerichts. Um seine politische Einbindung ging es dabei aber nur am Rande. Er sei zwar als Rechter bekannt gewesen, als Neonazi habe er sich jedoch nie verstanden, eher als »wertkonservativer Rebell«. Die Bedrohungen seien immer von anderen ausgegangen, von »der Antifa«, die jeden zweiten Tag vorm Haus aufgetaucht sei, oder von »ausländischen Schlägertrupps«. Daraus sei auch seine Haftstrafe Ende der 1990er Jahre wegen mehrerer Körperverletzungen resultiert. Dass er damals bereits den Spitznamen »Messerstecher« trug, blieb unerwähnt. Er sei »nicht Jäger gewesen, sondern Gejagter«. Auch seine Teilnahme an den Rudolf-Heß-Märschen wurde nur gestreift. Zur »Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei« (FAP) habe seine Clique zwar Kontakt gehabt, die sei ihm aber »zu rückwärtsgewandt« gewesen. Auch sei die eigene Gruppe – den Namen »Berserker« habe man sich einfach ausgedacht – laut Steffen keine Nachfolgestruktur der verbotenen FAP gewesen. Zu seinen eigenen politischen Vorstellungen wollte er sich nicht äußern, diese seien zu komplex, darüber könnte er ein Buch schreiben. Man gelte heute schon als Rechter, wenn man gegen TTIP sei, den Euro kritisiere oder nur pünktlich zur Arbeit gehe.

»Mann gegen Mann«

Zu Beginn kündigte Steffen auch an, im Juni werde er sich ausführlich zu seinem Tatmotiv äußern und den »millionenfachen Rechtsbruch« durch die Flüchtlingspolitik »nachweisen«. Reker habe er ausgesucht, da sie für die aktuelle Asylpolitik stehe, die darauf abziele, »das eigene Volk auszutauschen, bevor es die Regierung austausche«. Außerdem habe Reker so getan, als sei sie parteilos, obwohl sie eine »Grüne« sei. Auf diesen Wahlbetrug und wo die Flüchtlingspolitik hinführen würde, habe er mit seiner Tat aufmerksam machen wollen. Um die Wirkung zu steigern, die Tat besonders martialisch wirken zu lassen, habe er auch ein großes Messer mitgenommen. Töten habe er Reker, die er als »linksradikale Schickeria-Ideologin mit unverantwortlicher realitätsverweigernder Esoterik-Politik« bezeichnete, aber nicht wollen. Auch andere Menschen hätten nicht zu Schaden kommen sollen. Am liebsten wäre ihm »ein richtiges Duell« gewesen, »Mann gegen Mann, wie im Mittelalter, um die Ehre«.