Die Gedankenwelt des Frank Steffen

von Verena Grün

Magazin »der rechte rand« - Ausgabe 161 - Juli 2016

Vom Angeklagten zum Verteidiger

Steffen versuchte mehrfach, seine beiden Pflichtverteidiger loszuwerden. Mit einem Schild suchte er vergebens nach einem »mutigen rechten« Anwalt. Bei einem gelang ihm die Entpflichtung, dem anderen untersagte er, in seinem Plädoyer zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Stattdessen versuchte Steffen sich selbst in einer Beweiswürdigung, wie er schon geladene ZeugInnen befragt hatte. Hier wiederholte Steffen das, worauf er während der Verhandlungstage immer wieder beharrt hatte: Anders als von ZeugInnen und GutachterInnen dargestellt, habe er mit dem großen Messer lediglich Reker angegriffen, die vier anderen Geschädigten habe er mit einem kleinen Butterflymesser verletzt, das er auch nur gezogen habe, um sich gegen die »aggressive Menge« zu verteidigen. Außerdem wäre das große Messer stumpf gewesen, was Beleg für ein gefälschtes Gutachten »in vorauseilendem Gehorsam« sei. Die DNA-Spuren der weiteren Verletzten seien Ergebnis einer Manipulation. Mit »gesundem Menschenverstand« müsse man auch erkennen, dass die Polizei lüge, wenn sie bezeuge, er hätte gesagt, Reker töten zu wollen. Überhaupt müsse man nur »logisch denken« um zu sehen, dass seine Version die einzig richtige sei.

Prototyp des »angry white man«

Steffen berief sich immer wieder auf den »gesunden Menschenverstand« und das »logische Denken«. Was seiner Darstellung widersprach, sei Lüge oder Manipulation. Dahinter steckten die Grünen, deren militanter Arm die Antifa sei, oder die Regierung, die im »Interesse der Großkonzerne und der Hochfinanz« agiere. So ließ sich über die Verhandlungstage immer wieder verfolgen, wie sich Rassismus mit Verschwörungsfantasien und einem Glauben an alleinigen Durchblick verbindet. Steffen zeigte sich im Prozess als Prototyp des »angry white man«, des zornigen weißen Mannes. Er habe den Durchblick, sei objektiv und wisse, wie es läuft – alle anderen seien verblendet oder wollten ihm nur schaden. Damit ist er bei weitem nicht alleine, doch seine Sozialisation in der extremen Rechten begünstigte, dass er seinen Hass in diese blutige Tat umsetzte. Seine Tat änderte jedoch weder etwas an der Asylpolitik noch am Ausgang der Wahl. Sie zeigte jedoch einmal mehr, welche Gefahr auch von unauffälligen, nicht mehr aktiven Neonazis ausgehen kann.