Dubiose Spender für den Wiederaufbau – Stiftung Humboldt Forum

von Philipp Oswalt
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 208 - Mai | Juni 2024

Die Behauptung der »Stiftung Humboldt Forum« im Herbst 2022, es hätte »keinen Hinweis auf rechtsradikale oder gar extremistische Spender« beim Schlossprojekt gegeben und mithin hätten sich Vorwürfe, rechtslastige Akteur*innen hätten daran mitgewirkt, als substanzlos erwiesen, stand von Beginn an auf wackeligen Beinen. Die Aussage beruhte auf einer vom »Förderverein Berliner Schloss« beauftragten Überprüfung der Spender*innen durch den Berliner Anwalt Peter Raue. Wie meine jüngsten Recherchen offenlegten, hatte dieser aber anonyme Spenden in Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro gar nicht prüfen können, weil deren Herkunft selbst dem Förderverein unbekannt waren. Letztlich wurde nur ein Bruchteil davon unter die Lupe genommen, nämlich 1,15 Millionen Euro. Das Aufklärungsinteresse der Kanzlei Raue war ohnehin gering, da sie die Inte­ressen ihrer Mandant*innen vertrat, zu denen neben dem Förderverein auch die Familie des Großspenders Ehrhardt Bödecker gehörte, dessen antisemitische Äußerungen den Skandal überhaupt erst verursacht hatten. Anwalt Peter Raue sprach vom »angeblichen« Antisemiten Bödecker und verhinderte über Monate die Veröffentlichung eines ihm bekannten wissenschaftlichen Gutachtens, das den Vorwurf belegte.

Die AfD im Boot
Bödeckers Haltung ist keine Ausnahme. Schon seit seiner Gründung hatte der Förderverein Verbindungen in extrem rechte Kreise und keinerlei Interesse, sich klar abzugrenzen. Zum fünfköpfigen Gründungsvorstand des Vereins gehörte 1992/1993 Dieter Lieberwirth als einer der beiden Stellvertreter des Vereinsvorsitzenden Wilhelm von Boddien. Lieberwirth ist schon als Anhänger der NPD öffentlich in Erscheinung getreten und war damals Politiker bei »Die Republikaner«. Ab 1989 saß er für viele Jahre für sie im Stuttgarter Gemeinderat, kandidierte zur Europawahl, 1992 für den baden-württembergischen Landtag und 1996 als Oberbürgermeister Stuttgarts. Zwei Jahrzehnte später arbeitete er als Pressesprecher für die Stuttgarter AfD. Als der Förderverein mit dem Fassadennachbau in Form einer Schlosssimulation im Sommer 1993 große öffentliche Aufmerksamkeit erregte, bat man den Republikaner, sich diskret aus dem Vorstand zurückzuziehen. Dennoch blieb er ein engagiertes Vereinsmitglied, verteidigte von Boddien auf Mitgliederversammlungen gegen vereinsinterne Kritiker*innen und spendete ein Schmuckelement für das Eosander-Portal an der Westfront des Schlosses. Er blieb allerdings nicht der einzige rechtslastige Politiker, der mit dem Verein eng verbunden ist.

Zu den Großspendern gehören neben dem AfD-Politiker Thomas Sambuc auch die »Gesellschaft Berliner Schloss e. V.« – deren dreiköpfigem Vorstand der Berliner AfD-Politiker Daniel Krüger angehört – sowie der AfD-Mäzen Karl-Klaus Dittel. Letzterer leitete über zehn Jahre den regionalen Freundeskreis des Fördervereins in Baden-Württemberg und gründete zugleich den »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten«, der im großen Umfang Wahlwerbung für die AfD mit rechtlich dubiosen Finanzierungen organisierte.

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Hamburger Verbindungen
Eine andere langjährige Unterstützerin aus dem rechtsradikalen Milieu ist die »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft« (SWG) Hamburg, die kürzlich seitens des dortigen Verfassungsschutzes als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Bereits 1993 publizierte der ehemalige NS-Kulturfunktionär Niels von Holst in der Zeitschrift der SWG ein Plädoyer für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, den er zum Zweck der Identitätsbewahrung des vereinten Deutschlands forderte. 2001 veröffentlichte Schlossgroßspender Bödecker an gleicher Stelle sein geschichtsrevisionistisches Pamphlet über die »Antipreußische Gehirnwäsche«. Im selben Heft erschien – neben Texten weiterer rechtsradikaler Autor*innen wie Max Klaar, Wolfgang Venohr und Reinhard Uhle-Wettler – ein Aufsatz von Boddien, in dem er ebenfalls Identitätsfragen beschwor und schrieb: »Ohne das Schloss ist hier alles nichts.« 2007 wurde er dann vom rechtsextremen SWG-Vorsitzenden General a. D. Reinhard Uhle-Wettler zu einem Vortrag geladen. Das Cover des SWG-Magazins von 2015 zeigte ein Rendering des wiederaufgebauten Schlosses und erneut rief das Heft zu Spenden auf. Vorsitzender der SWG war zu dieser Zeit der hochrangige Offizier a. D. Manfred Backerra, der wegen seiner Kontakte ins rechtsextreme Milieu einen Bundeswehr-Skandal verursacht hatte. Auch persönlich spendete Backerra mehrfach für das Schloss und war einer der Unterzeichner der Anzeige des Fördervereins im Januar 1999, die vom »Stern« kritisiert wurde.

Mediale Flankierung
Dritte im Bund ist die neurechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF), die auch Bödecker jahrelang eine Bühne als Stammautor geboten hatte. Die Zeitung selbst, ihr Herausgeber Dieter Stein und einige ihrer Autor*innen, unter ihnen Claus Wolfschlag, sind in der Spendenliste für das Berliner Schloss geführt. Wichtiger als deren Geld war aber ihre publizistische Unterstützung des Projekts, zumal der Förderverein in der Leser*innenschaft eine Zielgruppe für sich sah und schon im Jahr 1993 in der Zeitung mit einer großen Anzeige um Spenden und Mitglieder warb. Gemeinsam mit JF-Autor Wolfgang Lasars und dem wegen Volksverhetzung verurteilten Vertriebenenfunktionär Paul Latussek bestritt der damalige Vorsitzende des Fördervereins Wilhelm von Boddien im Februar 1999 ein Seminar bei der »Jungen Landsmannschaft Ostpreußen«. Auch die von der AfD hofierte Autorin Vera Lengsfeld, die 2019 mit dem unter anderem von der JF gestifteten »Gerhard-Löwenthal-Ehrenpreis« ausgezeichnet wurde, ist eine engagierte Unterstützerin der Schlossrekonstruktion. Sie spendete vier Schmuckelemente.

Kein Versehen
Als der Förderverein wegen seiner rechtsradikalen Unter­stützer*innen in die Kritik kam, gab er keine Unwissenheit vor, sondern stellte sich offensiv vor diese. »Wir bekennen uns ohne jede Einschränkung zu unseren Spendern«, verlautbarte Wilhelm von Boddien, mittlerweile Geschäftsführer des Vereins, im Mai 2022 und sprach von »einer Hexenjagd auf unbescholtene Bürger«. Die JF lobte ihn prompt für seine große Standhaftigkeit.
Der Förderverein argumentierte, weder könne noch wolle er rechtsextreme Spender zurückweisen. Schließlich gelte in Deutschland Meinungsfreiheit und nur Spenden von Personen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden oder gerichtlich verurteilt wurden, seien abzuweisen. Den gesetzlichen Spielraum für extrem rechte Positionen wollten der jetzige Vereinsvorsitzende Richard Schröder und der inzwischen verstorbene Unterstützer Bödecker zudem vergrößert wissen, sie kritisieren deren Verfolgung durch den Verfassungsschutz sowie das Verbot der Holocaustleugnung.
Richard Schröder, emeritierter Theologe der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied der SPD, leugnete in einem Beitrag gar Bödeckers Antisemitismus und warf mir vor, in meinem Artikel für den Tagesspiegel durch angeblich gefälschte Zitate diesen erfunden zu haben. Zudem behauptete er, Rechtsextremismus sei »viel zu schwammig für ein Ausschlusskriterium«. Er nahm die AfD und JF in Schutz und sah auch keine ethischen Standards verletzt, wenn Personen in einer Zeitschrift publizieren, die auch Holocaustleugner*innen ein Forum bietet. Dann ging Schröder noch einen Schritt weiter: Er sah in der Leugnung des Holocausts eine Meinungsäußerung, deren Verbot er als Einschränkung der Meinungsfreiheit problematisierte; eine Äußerung, mit der er Holocaustleugnungen insgesamt relativierte.

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Identitätskampf
Der Verein rief nun einen »Kulturkampf« aus, sprach von »überhitztem Säkularismus«, Verlust »abendländischer Identität«, einem »Akt der Tyrannei«, »kollektiver Amnesie«, »Gehirnwäsche« und kritisierte die »deutschen Leitmedien«. Den Neubau des Schlosses deklarierte er auch als Versuch, sich solchen Fehlentwicklungen entgegenzustemmen. Da wundert die starke Resonanz bei der »Neuen Rechten« wenig. Mit einer Welle von Veröffentlichungen sprangen sie dem Förderverein in dem »totalitären Kampf gegen ‹rechts›« zur Seite, »der noch die bescheidensten Bedürfnisse nach positiver Identifikation mit unserer Herkunft ausmerzen wird«. Die JF machte in ihrem Online-TV den »Kampf ums Berliner Schloss« zum »Thema der Woche«, und übernahm wie auch andere extrem rechte Medien die Behauptung, die Kritik am Antisemitismus von Bödecker gehe auf ein gefälschtes Zitat zurück. Im Juli 2022 stellte das Landgericht Berlin hingegen fest, die entsprechende Bewertung »ergibt sich aus dem Buch Bödeckers« und verhängte gegen Schröder eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung, die ihm untersagt, seine Falschbehauptung über angebliches Mogeln beim Zitieren weiter zu äußern.

Stiftungsleitung auf Abwegen
Zwar mussten nun der Förderverein und seine Rechtsaußen ihre Falschbehauptung aus dem Verkehr nehmen, konnten sich aber bald darauf über eine Verständigung mit der »Stiftung Humboldt Forum« freuen. Letztere gelangte zu der Auffassung, der Antisemitismus von Bödecker sei weder rechtsextremistisch noch rechtsradikal und daher hätten sich die zuvor erhobenen Vorwürfe nicht erhärtet und es stünde einer weiteren Zusammenarbeit nichts im Wege. Daraufhin stellte die JF triumphierend fest: »Humboldt-Forum rehabilitiert ‹rechte Spender›«. Die Behauptung, der Verein habe Gelder von »rechten Spendern« angenommen, hätte »sich als unwahr herausgestellt«. Die Stiftungsleitung wolle von ihrer einstigen Forderung, der Verein solle die Spenden der Zeitung wegen Verstoßes gegen ethische Standards zurückzahlen, nichts mehr wissen. Diesen Artikel wiederum übernahm der Förderverein vollständig auf seine Website. Man ist sich wohl einig: Es gibt keine Probleme außer einer »woken« Empörungswelle, die mit falschen Unterstellungen das Schlossprojekt in Misskredit bringen wolle.

Der Text basiert auf einem Auszug aus dem Buch von Philipp Oswalt: »Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätspolitik«, das letzten Dezember im Berenberg Verlag erschienen ist.

Interview im #AntifaMagazin mit Philipp Oswalt zum Endlos Thema #Humboldtforumwww.der-rechte-rand.de/archive/8609…

#AntifaMagazin der rechte rand (@derrechterand.bsky.social) 2025-10-28T11:52:04.390Z