Muttersprache und Vaterland

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 132 - September | Oktober 2011

In Deutschland führen Sprachpuristen seit über hundert Jahren einen Kampf gegen das „Fremdwörterunwesen“. Bereits in der völkischen Bewegung im Kaiserreich wurde gegen eine „Verwelschung“ angekämpft und „Verdeutschungs-Wörterbücher“ verfasst, wie es Thilo Sarrazins Urgroßonkel Otto Sarrazin (1842-1921) tat. Auch heute noch führen Sprachkonservative den „Kampf gegen das Fremdwortunwesen“ und das „Anglizismen-Problem“.

Sprache dient den Sprachpuristen bei genauerer Betrachtung erkennbar als Projektionsfläche. Über sie leben sie einen Nationalismus aus, der anderswo tabuisiert scheint. Ihr Verständnis von Sprache ist dabei statisch. Im Widerspruch zu der Realität nehmen sie sie nicht als eine sich ständig weiterentwickelnde Kommunikationsform wahr, sondern als unveränderlich. Die Versuche von Sprachkonservativen einen sprachlichen Status Quo aufrecht zu erhalten, sind allesamt gescheitert und müssen es letztendlich auch, weil sie dem Wesen der Sprache zu wider laufen.

 

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Der auf die Sprachebene verlagerte Nationalismus verrät sich selbst durch seine Sprache, beispielsweise wenn Klemens Weilandt auf einer Regionalversammlung des „Verein Deutsche Sprache (VDS)“  zum Thema: „Auf Samtpfoten – Über Anglizismen, die sich (fast) unerkannt seuchenartig ausbreiten und einnisten“ referiert.

Die deutschen Sprachpuristen fordern nicht nur einen „Kulturprotektionismus“ auf Sprachebene, sie praktizieren auch einen kulturpolitischen Antiamerikanismus. „Denglisch“ schreiben sie einer angeblichen kulturellen Hegemonie der Vereinigten Staaten zu. Sie haben Angst vor dem „Eindringen angloamerikanischer Wörter in die Alltagssprache“ und dem daraus folgenden „Identitätsverlust der betroffenen Völker und Volksgruppen“. In den „Sprachpolitische Leitlinien“ des „VDS“ heißt es entsprechend: „Immer mehr Sprecher und Schreiber in Europa übernehmen angloamerikanische Wendungen in ihren Sprachgebrauch. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Modeerscheinung – sie schwächt vielmehr auch die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit der europäischen Länder bis hin zur politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Abhängigkeit Europas von den USA. Die sprachliche Eigenständigkeit als wichtigstes Merkmal der wirtschaftlichen und kulturellen Selbstbehauptung der europäischen Länder droht so allmählich verloren zu gehen.“

Die rechten Hüter

Der 1997 gegründete gemeinnützige VDS mit Geschäftsstelle in Dortmund ist die einflussreichste Organisation in der Lobby der Sprachschützer. Er zählte nach eigenen Angaben im Jahr 2011 rund 34.000 Mitglieder in über 100 Ländern und seine Vereinszeitung „Sprachnachrichten“ erscheint in einer Auflage von 30.000 Exemplaren. Im Jahre 2008 beschloss er eine Kooperation mit dem deutschtümelnden „Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland“ (VDA). Es gelingt dem VDS auch prominente Fürsprecher zu gewinnen. Laut ihrer Homepage gehören zu den Mitgliedern unter anderem der Sänger Reinhard Mey, der Spiegel-Autor Matthias Matussek, und der Komödiant Dieter Hallervorden. Die Mitgliedschaft von konservativen Rechten wie dem verstorbenen Paneuropa-Union-Chef Otto von Habsburg oder der Vorsitzenden des „Bundes der Vertrieben“, Erika Steinbach, verwundert dagegen kaum.

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Dem VDS nahe steht der „IFB Verlag Deutsche Sprache GmbH“ mit Sitz in Paderborn. Zu dessen Autoren gehört auch Prof. Dr. Menno Aden aus Essen. Er ist Mitglied des VDS-Vorstandes, Vorsitzender der braunen „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ und „Alter Herr“ des „Corps Franconia“ Tübingen. Der Rechtsanwalt zählte im Übrigen auch zu den Erstunterzeichnern des „Manifestes gegen den Linkstrend“ in den Unionsparteien.

Der 2000 gegründete „Verein für Sprachpflege e. V. (VfS)“ mit Sitz in Erlangen ist ähnlich ausgerichtet wie der VDS. Der VfS gibt das Blatt „Deutsche Sprachwelt (DSW)“ mit einer Auflage von bis zu 50.000 Stück heraus. Erster Vorsitzender ist Thomas Paulwitz aus Erlangen, der seit 2002 Beiträge für die „Junge Freiheit (JF)“ verfasst und dem extrem rechten „Zuerst!“ (01/2010) ein Interview gab. Zudem ist er „Alter Herr“ der „VDSt zu Erlangen“ (Anm. des Autoren: „Verein Deutscher Studenten“) und Träger des „Gerhard-Löwenthal-Preis“, einer Auszeichnung aus dem Kreis um die JF.

Sprach“reinheit“ als Ziel

In Ignoranz um das Wesen von Sprachen wird versucht, die deutsche Sprache „rein“ zu halten beziehungsweise von Neuzugängen, die als „undeutsch“ wahrgenommen werden, zu „reinigen“. Auch wenn beispielsweise Prof. Dr. Walter Krämer, erster Vorsitzender des VDS, bestreitet „Fremdwortjäger“ zu sein. Doch in Wahrheit geht es den Sprachpuristen genau darum. Der Diskurs um das „Denglische“ lebt von der Vorstellung eines „reinen“ Deutsch, dass es vor englischen Vokabeln (Anglizismen) zu schützen gälte. An diesem Diskurs kann problemlos die extrem Rechte anschließen. Auch dort wird über Anglizismen diskutiert. Während jüngere Kameraden häufig lieber trendy sein möchten, kritisieren Traditionalisten und Angehörige der völkischen Szene diese Entwicklung. Bei ihnen heißt auch im Alltag das T-Shirt „T-Hemd“, das Internet „Weltnetz“, die CD „Lichtscheibe“ und aus dem Webmaster wird der „Netzwart“.

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