Inseln der Freiheit für rechte Milliardäre
von Marianne Esders
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 216 - September | Oktober 2025
#BigTech
Rechte Tech-Milliardäre träumen von Sonderwirtschaftszonen und Privatstädten ohne staatliche Regulierung. Auch dank US-Präsident Donald Trump könnte das Realität werden.

Wikimedia Gage Skidmore CC BY-SA 2.0
»Inseln der Freiheit« für Anarchokapitalisten und Big-Tech-Milliardäre – ausdrücklich nicht gegendert, denn es sind fast ausschließlich Männer – oder anti-woke »Tech-Bros« sind ein antidemokratischer und neo-reaktionärer Trend, der eine dunkle Zukunft für die breite, nicht-privilegierte Gesellschaft und unseren Planeten bereithält. Das US-Magazin WIRED berichtete im März 2025, dass Tech-Milliardäre mit Initiativen wie der »Freedom Cities Coalition« (FCC) beim US-Präsidenten Donald Trump für einen Gesetzesentwurf zur Gründung extraterritorialer Sonderwirtschaftszonen werben. Von der Privatwirtschaft finanziert und frei von staatlicher Aufsicht verheißen diese antiegalitären Zonen in Form von »Privatstädten«, »Freiheits-Städten«, »Start-Up-Nationen«, »Mikro-Staaten« oder »Prosperitäts-Zonen« den Multi-Milliardären eine ungehinderte Umsetzung ihrer Tech-Fantasien ohne staatliche Institutionen und Regulierungen, die ihnen im Weg stehen könnten: Keine Steuern, Umweltschutzauflagen, Arbeitsrechte, Menschenrechtskonventionen oder Nachhaltigkeits- und Sicherheitsstandards, die Forschung und Entwicklung einschränken oder aufhalten könnten. Der rechte Präsident Trump soll den Tech-Milliardären schon während des Wahlkampfs 2023 die Gründung zehn solcher staatsbefreiter Zonen in den USA zugesagt haben. Der bis zum Ende des Jahres 2025 anvisierte Gesetzesentwurf soll laut FCC-Mitglied und Stabschef des Privatstadt-Unternehmens »Próspera«, Trey Goff, mehr als zehn Zonen ermöglichen.
»Honduras Próspera Inc.«
»Próspera«, eine auf der Insel Roatán in Honduras gelegene und von dem rechten Paypal- und »Palantir«-Gründer Peter Thiel finanzierte, radikal libertäre Privatstadt, fungiert als Vorbild für ähnliche neoreaktionäre und antidemokratische Projekte. Das von Thiel finanzierte Investmentunternehmen »Pronomos Capital« des Milton Friedman Enkels Patri Friedman listet im Mai 2025 auf seiner Webseite sieben Sonderwirtschaftszonen, von denen sechs in der Planungsphase sind oder digital als Konzepte oder Netzwerke existieren. Nur »Próspera« wurde bisher als Privatstadt realisiert. Weitere Projekte liegen in Afrika, Asien und Südamerika.
In einer Privatstadt wie »Próspera« mit eigener Gesetzgebung und autonomen Regierungs- und Sicherheitssystemen ist das Wahlrecht nicht an eine parlamentarische Demokratie, sondern an Besitz gekoppelt. Laut einem Bericht des Portals Perspektive Online werden in »Próspera« vier der neun Ratsmitglieder vom Unternehmen »Honduras Próspera Inc.« bestimmt, zwei von Land- und Grundbesitzer*innen und die weiteren durch Einwohner*innen, zu denen die Land- und Grundbesitzer*innen gehören.
Allerdings sieht nicht jede*r diese staatsbefreiten Zonen so optimistisch wie die Tech-Milliardäre und Trump. »Próspera« trifft sowohl bei den Bewohner*innen der angrenzenden Kommune als auch bei der honduranischen Regierung auf Widerspruch. Das honduranische Parlament unter der sozialdemokratischen Präsidentin Xiomara Castro setzte im April 2022 das 2013 in Kraft getretene Gesetz für »Sonderzonen für Arbeit und wirtschaftliche Entwicklung« (ZEDE) aus und erklärte »Prósperas« Status als Sonderwirtschaftszone für unzulässig. Daraufhin zog das Unternehmen »Honduras Próspera Inc.« vor das Schiedsgericht »Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten« (ICSID) und verklagte Honduras auf 10,7 Milliarden US-Dollar Schadensersatz. Der Rechtsstreit zwischen der Regierung und dem Unternehmen ist noch nicht beigelegt. Im September 2024 erklärte der Oberste Gerichtshof von Honduras Privatstädte wie »Próspera« für verfassungswidrig. Der Abgeordnete und ehemalige Staatsanwalt Jari Dixon zeigte nach dieser Entscheidung diejenigen Abgeordneten des Nationalkongresses an, die 2013 unter dem rechten Präsidenten Porfirio Lobo und dem Vorsitzenden des Kongresses Juan Orlando Hernández Verfassungsartikel geändert hatten, um eine »Open for Business«-Politik umzusetzen, die den Ausverkauf des Landes und die Privatisierung von Flüssen, Wäldern und Land mit sich brachte.

© DRR Archiv / Screenshot
Titus Gebel
Auch diesseits des Atlantiks werden Versuche zur Gründung von Sonderwirtschaftszonen unternommen. In der sächsischen Stadt Döbeln arbeiten Akteur*innen der »Bürgergenossenschaft Mittelsachsen« daran, eine Privatstadt zu gründen, die laut NDR-Recherchen Beziehungen zur Szene der »Reichsbürger«, zur AfD-nahen »Atlas-Initiative« und zur Partei »Freie Sachsen« haben soll. Unterstützung erfährt das Vorhaben durch die Stiftung »Free Cities Foundation« des Demokratieskeptikers, Unternehmers und Mitbegründers der Sonderwirtschaftszone »Próspera«, Titus Gebel.
Laut Berichterstattung des Portals »Téla Nón« aus Sao Tomé verkaufte Delfim Neves, der 2022 wegen versuchten Staatsstreichs verhaftete ehemalige Präsident der Nationalversammlung von São Tomé und Príncipe, im Mai 2021 eine Konzession über 185 Hektar Land im Gesamtwert von 1,3 Millionen Euro an Gebel. Ziel sei die Gründung einer Privatstadt für 35.000 Menschen gewesen. Der später amtierende são-toméische Ministerpräsident Patrice Trovoada beendete das Privatstadt-Vorhaben. Im April 2025 berichtete das rechte Magazin »Tichys Einblick«, Gebels Unternehmen »Tipolis« (Panama) habe »nach jahrelangen Verhandlungen mit diversen Regierungen« ein verbindliches Abkommen mit der Regierung in Brunei unterzeichnet, das auf 900 Hektar die Gründung einer Privatstadt vorsehe. Diese stehe ab 2026 Aus- und Einwanderungswilligen bei Zahlung einer Jahresgebühr von mehreren tausend Dollar offen. Eine weitere Privatstadt »im Bereich Karibik, Lateinamerika« sei laut Gebel in Planung.
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Fortschritt als Maxime
Die unternehmerisch »regierten« Freedom Cities, Privatstädte und Startup-Nationen ermöglichen unterschiedliche Formen der Ausbeutung und Unterdrückung. Zwangsarbeit, moderne Sklaverei, Rassismus und andere Formen von Diskriminierung und Unterdrückung von Meinungsfreiheit und individueller Rechte werden in einer Vielzahl von Analysen dieser Modelle kritisiert und für zukünftige Sonderwirtschaftszonen vorausgesagt. Das Recht der Eigentümer*innen, in ihrer eigenen Startup-Nation frei über ihre Produktionsmittel zu verfügen, überragt alle anderen Rechte.
Werden solche Sonderzonen von Akteur*innen gelenkt, die eine posthumanistische beziehungsweise transhumanistische Ideologie verfolgen, wie sie von Anhänger*innen des »effektiven Akzelerationismus« (e/acc) vertreten werden, wird technologischer Fortschritt zur Maxime. Entwicklungspfade werden dem Markt überlassen. Volodymyr Zhukov legte im Online-Magazin »Medium« umfangreich die Philosophie hinter dieser Bewegung dar. Demnach vertreten ihre Anhänger*innen die Vision einer technologieoptimierten Zukunft, in der künstliche Intelligenz (KI) und künstliche allgemeine Intelligenz (AGI) eine herausragende Rolle dabei spielen, komplexen Herausforderungen wie Armut, Krieg, Klimakatastrophen und (Un-)Sterblichkeit zu begegnen.
Im Gegensatz zu Bewegungen eines »effektiven Altruismus« (EA) und eines »defensiven Akzelerationismus« (d/acc), die potenziellen Risiken – zum Beispiel einer potenziellen Auslöschung der Menschheit durch KI-Systeme – mit Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirken wollen, werden beim »e/acc« Risikominimierung und Sicherheitsbedenken ausgeblendet. Die Harmonisierung von technologischem Fortschritt mit den Werten und Prioritäten der Menschheit würde laut »e/acc«-Anhänger*innen unweigerlich über den Wettbewerb des freien Markts gesteuert. Für uneingeschränkten technologischen Fortschritt und Innovationen würden laut Netscape-Mitbegründer und Wagniskapitalgeber Marc Andreessen freie, autonome Gestaltungsräume mit minimaler staatlicher Intervention benötigt. Von Andreessen mitfinanzierte, radikal-libertäre Sonderwirtschaftszonen wie »Próspera« und »California Forever« versprechen die benötigten Handlungsspielräume, in denen libertäre und marktorientierte Strategien der Profitmaximierung zu optimalen Ergebnissen für die Menschheit und den Planeten führen sollen. Andreessens Vision einer technologie-optimierten Zukunft kann in seinem 2023 selbstveröffentlichten »Techno-Optimist-Manifesto« nachgelesen werden. Sein Techno-Optimismus hat Feinde. Explizit als Feinde und Ableitungen des Kommunismus werden die Ziele der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung, soziale Verantwortung, das Vorsorgeprinzip, Degrowth, Sozialismus und viele mehr benannt.
»Praxis Society«
Hinter Donald Trumps Drohung gegenüber Dänemark, Grönland zu übernehmen, steckt auch die Idee, auf Grönland das Projekt »Praxis« zu etablieren. Die »Praxis Society« gibt auf ihrer Webseite ein globales Netzwerk mit 87.371 Personen an, deren Unternehmenswert sich auf 922 Milliarden Dollar belaufe. Auf der Internetplattform »X« teilte »praxisnation« am 8. April 2025 mit, es seien mehr als 500 Millionen Dollar für die Finanzierung einer ersten Stadtgründung akquiriert worden. Der Standort werde noch 2025 bekanntgegeben. Ein auf »X« angehängter Bloomberg-Artikel lässt die Schlussfolgerung zu, diese Stadt könnte im mediterranen Raum liegen. Die Zeitung »Der Standard« berichtete aber am 3. April 2025, die »Praxis«-Gründer Dryden Brown und Charlie Callinan hätten Grönland ins Auge gefasst und seien im Sommer 2024 für Gespräche nach Nuuk gereist. Das Ergebnis sei jedoch ernüchternd ausgefallen. Der Sprecher der Konservativen im dänischen Parlament für grönländische Angelegenheiten, Rasmus Jarlov, habe die Idee zurückgewiesen: Grönland steht nicht zum Verkauf. Doch trotz solcher Rückschläge erleben die Ideen von Sonderwirtschaftszonen und Privatstädten derzeit dank des neuen Einflusses rechter Tech-Milliardäre auf Medien und Politik einen ungeahnten Aufschwung.