Den Kipppunkt hinter sich gelassen

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 213 - März | April 2025

Mit ihrer aktuellen politischen Ausrichtung läuft die Union ihrer Praxis aus längst vergangenen Tagen hinterher. Ihre Abkehr von einem modernisierten sozial-liberalen Konservatismus ist der Anfang des Traums der AfD von einer Zerstörung der CDU.

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© Kai Budler

»Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht«, »Das, was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, dass die Falschen zustimmen« und »Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.« Die Sätze von Friedrich Merz vor der Abstimmung mit der AfD im Bundestag am Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus sind programmatisch für die künftige Ausrichtung und politische Praxis der Union. Den autoritären Kipppunkt hat der CDU-Bundesvorsitzende hinter sich gelassen. Mit seinem »Fünf-Punkte-Plan« zementiert er weiter den Weg der selbst ernannten »Alternative für Deutschland mit Substanz« zu einer Partei des radikalisierten Konservatismus. Es ist die späte Rache einer Reihe von CDU-Funktionär*innen an einem modernisierten sozial-liberalen Konservatismus der vergangenen Jahre und dessen Zerstörung.

Die Vertreter dieser Union machen Justizeinrichtungen vulgär als »Scheiß-Gerichte« verächtlich und missachten öffentlich europäisches Recht. Sie übernehmen extrem rechte Anfeindungen wie gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder beide Kirchen. Sie diffamieren breite zivilgesellschaftliche Demonstrationen gegen rechts und drohen beteiligten Initiativen mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit. Markus Söder träumt gar von einer Koalition der »Rückkehr zu einem alten Deutschland« und halluziniert ein »Deutschland der Normalität, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der einfachen Leute« herbei. Bei der Migrationspolitik orientiert sich die Union offenbar an historischen Vorbildern aus den eigenen Reihen, nämlich Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann mit seinen rassistischen Ausfällen Anfang der 1980er Jahre. Sowie das Geschwafel von einer »kulturellen Überfremdung« vom damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger und die CDU-Kampagne gegen das Asylrecht Anfang der 1990er Jahre mit dem rassistischen Flächenbrand und dem »Asylkompromiss« als Aushöhlung des Rechts auf Asyl. Schließlich die von der Union Ende der 1990er organisierte Unterschriftenaktion gegen die geplante Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts und die von Merz initiierte Debatte um eine »Deutsche Leitkultur« als Pflichtenkatalog für Migrant*innen.

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Heute jedoch, in der entgrenzten Debatte um Migration, mit einer derartig populistischen und polarisierenden Politik nachhaltig punkten zu wollen, ist für eine demokratische Partei ein folgenschwerer Irrtum. Bei der Bundestagswahl verlor die CDU mit ihrem zweitschlechtesten Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik mehr als eine Million Wähler*innen an die AfD. Im Gegenteil zu einem »alten Deutschland«, in dem es laut Franz Josef Strauß rechts von der Union keine Partei geben durfte, hat die AfD diesen Platz besetzt und schon mit »Deutschland. Aber normal« Söders Träumerei vorweggenommen. Der von Merz vorgegebene Kurs der Union ist ein erster Etappensieg auf dem Weg zu ihrer Zerstörung, die AfD sowie ihr Um- und Vorfeld ihrem »Hauptfeind« wünschen. »Rechte Parteien kommen in Europa dann in die Nähe der Regierung, wenn es keine klassische Christdemokratie mehr gibt«, hatte der jetzige AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah bereits 2023 erklärt.

Ginge es nach ihm, soll die Union in zwei Teile aufgehen, von denen er sich einen »rechtsoffen« wünscht. Dorthin sind einige Konservative mit rasender Geschwindigkeit unterwegs, andere sind bereits angekommen. Sie setzen ihre Axt an der Wurzel des Rechtsstaats an und raunen verschwörungsideologisch von »Schattenstrukturen« und einem »Staat im Staate« im Sinne eines »Deep State«. Mit einem solchen Politikverständnis bliebe für sie als Kooperations- oder Koalitionspartner am Ende nur noch die AfD. Dafür sind die Sätze von Merz auf kommunaler Ebene und in den Landesparlamenten ein Freifahrtschein für CDU-Funktionär*innen bei künftigen Kooperationen mit der AfD. Stets können sie sich auf ihren Bundesvorsitzenden berufen, wenn sie die Stimmen der AfD in Kauf nehmen oder mit der Partei kooperieren. Für gesellschaftliche Erfolge, die in den vergangenen Jahren erstritten wurden, bedeutet der Traum eines »alten Deutschlands« hingegen schon jetzt ganz konkrete Angriffe. Auf diesem Weg dürfte die unverhohlene Bedrohung zivilgesellschaftlicher Initiativen nur der Anfang sein.

Sehr interessantes Interview zu USA und Trumpisten und dem fehlenden Widerstand der Institutionen gegen die Durchsetzung von "Project 2025". Historiker @thomaszimmer.bsky.social bei Ingo Zamperoni.Dazu wäre noch wichtig zu wissen, wie sich das Militär verhält.www.tagesschau.de/tagesthemen/…

#AntifaMagazin der rechte rand (@derrechterand.bsky.social) 2025-10-22T10:13:13.186Z