»Der III. Weg« am 1. Mai

von Johannes Grunert und Tim Mönch
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Zwickau

Am 1. Mai demonstrierte im sächsischen Zwickau die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg« mit gut 250 Teilnehmenden. Während der Anreise griffen Neonazis mehrfach Antifaschist*innen in einem Zug nach Zwickau an.

© Johannes Grunert

Am 1. Mai demonstrierte im sächsischen Zwickau die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg« mit gut 250 Teilnehmenden. Während der Anreise griffen Neonazis mehrfach Antifaschist*innen in einem Zug nach Zwickau an.

Nur wenige Dutzend Anhänger*innen der Partei »Der III. Weg« sitzen am Sonntagmittag auf Bierbänken in der prallen Sonne und warten. Die Ankunft zweier Reisegruppen, die mit Regionalzügen nach Zwickau reisen wollten, verzögert sich. Der Grund: Die Kamerad*innen aus Brandenburg und Sachsen ließen die in der Partei viel beschworene Disziplin vermissen. Sie griffen, anstatt pünktlich zu Versammlungsbeginn in Reih und Glied zu stehen, ebenfalls mit dem Zug anreisende Antifaschist*innen in Chemnitz und Glauchau an. Nachdem die in Parteifarben gekleideten Neonazis vergeblich versucht hatten, gewaltsam in die Regionalbahn einzudringen, flogen Flaschen und Steine. In Glauchau wurde ein Antifaschist leicht verletzt, auf der Seite der Angreifer*innen verletzten sich zwei Personen – bei einem Faustschlag gegen ein Zugfenster und auf der Flucht vor der Polizei. 37 Angreifer*innen wurden noch vor Ort in Gewahrsam genommen. Für sie war der Tag beendet. Ein paar Personen aus der Gruppe erreichten dennoch die Demonstration in Zwickau, unter ihnen der frühere Parteivorsitzende Klaus Armstroff, Mario M. aus Mittelsachsen und David Dschietzig aus Leipzig. Videos legen nah, das sich letzterer an den Steinwürfen beteiligt hatte.

Für den »III. Weg« hätte der Aufmarsch eigentlich eine Demonstration der Stärke sein sollen: Versammlungen während der Pandemie waren stets mit harten Auflagen belegt worden, etwa im vergangenen Jahr in Plauen oder am 3. Oktober 2020 in Berlin. Die geringe Teilnehmendenzahl kann aber nicht nur mit den in Gewahrsam genommenen Anhänger*innen begründet werden. Während »Der III. Weg« die momentan aktivste Neonazi-Partei ist, kann sich trotzdem ein Großteil der Szene nicht mit ihren streng autoritären und als sektenartig verschrienen Strukturen anfreunden. Dabei hatte die Partei dieses Mal sogar Zulauf von der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationalisten« (JN) aus Brandenburg und Leipzig. Deren Beteiligung dürfte als Drohung gegenüber der Mutterpartei zu verstehen sein. In einem Statement hatte die JN zuletzt angekündigt, sich von der Partei abspalten zu wollen, wenn von dieser keine Neuaufstellung erfolge.

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Von den martialischen Choreografien des »III. Wegs« der vergangenen Jahre war in diesem Jahr wenig zu sehen. Das Zwickauer Ordnungsamt hatte strenge Auflagen erlassen, die auch der Klage der Partei standhielten. So durfte neben dem Verbot einer Uniformierung weder im Gleichschritt marschiert noch im Marschtakt getrommelt werden, auch die Länge der Fahnenstangen und der Abstand der Transparente war vorgegeben. Trotz einigem Bemühen gelang es auch deshalb nicht, an die bedrohlichen Auftritte der Vorpandemiezeit anzuschließen. Mit den Angriffen auf die anreisenden Gegendemonstrant*innen zerbröckelte nun noch das Saubermann-Image, das sich die seit vergangenem Jahr von dem Brandenburger Matthias Fischer geführte Partei aufgebaut hatte. Chaotische Szenen wie am 1. Mai 2016 in Plauen, als sich der »Antikapitalistische Block« Straßenschlachten mit der Polizei lieferte, sollten im Selbstbild der Partei als einer straff organisierten Elite eigentlich nicht mehr vorkommen.

Fluch und Segen zugleich dürfte für die Partei darüber hinaus ihre klare Haltung zum Krieg in der Ukraine sein. Die Akteur*innen, die bereits seit Jahren die ukrainische »Asow-Bewegung« unterstützen, gedachten zum Ende 39 gefallenen Nationalisten aus verschiedenen Ländern, die im Kampf gegen Russland gefallen sind. Für Einige mag die Solidarisierung mit dem als heldenhaft stilisierten »Asow-Bataillon«, das gegen einen vermeintlich fortwährenden Bolschewismus kämpft, anziehend wirken. Genauso dürfte es aber jene Rechte abschrecken, die sich eher dem verschwörungsideologischen und »Reichsbürger«-Milieu zugehörig fühlen und in Putins Russland den Wahrer antiwestlicher Werte sehen. Besonders innerhalb der Corona-Proteste sind die Sympathien für den proukrainischen Kurs des »III. Wegs« gering.

Nicht zuletzt dürfte die Konkurrenz am rechten Rand ebenfalls für eine geringere Teilnehmendenzahl gesorgt haben: Während die »III. Weg«-Abspaltung »Neue Stärke Partei« (NSP) mit etwa 140 Personen in Erfurt marschierte, hatte die mit den Corona-Protesten groß gewordene extrem rechte Regionalpartei »Freie Sachsen« zum Aufmarsch im nur 35 Kilometer entfernten Zwönitz gerufen. Der war mit deutlich über 200 Teilnehmenden sogar einer der bundesweit größten extrem rechten Aufmärsche am 1. Mai.

Mehr Zulauf als die Neonazi-Partei in Zwickau hatten an diesem Tag indes die Gegendemonstrant*innen: An zahlreichen Versammlungen im Stadtgebiet nahmen über 1.000 Menschen teil. Eine Blockade sorgte sogar dafür, dass der Marsch einen Teil seiner Route in der Zwickauer Innenstadt nicht laufen konnte.