Männermagazin der reaktionären Avantgarde

von Andreas Speit
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 195 - März / April 2022

#Cato

Der Leitungswechsel beim »Magazin für neue Sachlichkeit« verlief geräuschlos. Seit Februar 2022 ist Ingo Langner Chefredakteur von »Cato«. Im Editorial der März-Ausgabe schreibt der ehemalige Theaterkritiker und Filmproduzent aus der Mitte der Gesellschaft, dass Andreas Lombard »anderorts eine neue Aufgabe« gefunden habe. Nicht ohne zu erwähnen, dass der »erste ‹Cato›-Chefredakteur« das 100 Seiten starke Magazin zu einem »Solitär in der deutschsprachigen Medienlandschaft« werden ließ, in dem »das Wahre, Gute und Schöne«, der »Maßstab für die redaktionelle Leitlinie« sei.

 

© derrechterand Archiv

 

Im September 2017 stellte Lombard das Zweimonatsmagazin in der »Bibliothek des Konservatismus« vor. Eine kleine Runde war in den Räumen in der Berliner Fasanenstraße versammelt. Karlheinz Weißmann – der die Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) mitprägt – sagte, dass sie sich dem »Bewährten« widmen und »das Wirkliche gegen seine ideologische Verzehrung« verteidigen. Hier in den Räumen habe Weißmann die Idee zu dem Magazin schon vor Längerem aufgeworfen, erzählt JF-Chefredakteur Dieter Stein zur Begrüßung und erklärt, dass die JF beim Vertrieb unterstützen werde. Der Ort und die Personen legten nahe, was nun verkündet wurde: »Cato« ist ein Projekt aus dem JF-Milieu. Das alte Netzwerk der »Neuen Rechten« steht. Stein selbst verwies auf das frühere Magazin »Criticón«, das eine Gegenstimme zur 68er-Bewegung und dem vermeintlichen Linksruck der Kirchen bildete. Das Theorieorgan der »Neuen Rechten« war weltanschaulich prägend für einen Teil der heutigen »Alternative für Deutschland« (AfD). Einer der damaligen Autoren: der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. Ein weiterer: Weißmann.

Elite, Elite, Elite

Die Aufmachung des Magazins, die Sprache der Texte und auch der Einzelpreis von 15,20 Euro spiegeln die Intention der Redaktion: Sie möchte nicht die Masse ansprechen, sie will die Masse führen. Plebs versus Elite. Sie erscheint als reaktionäre Avantgarde. »Was wahr, gut und schön ist, hängt nicht von einem vorläufigen gültigen Zeitgeist ab«, schreibt Langner und stellte sich ins Ewige. Dieser Dreiklang des klassischen Ideals werde jedoch »vielfach verachtet«. Im Rekurs auf den griechischen Philosophen Sokrates definiert er, dass gut ist, »was erstens das richtige Maß hat, das zweitens, was schön und drittens was wahr ist«. Die sokratische Trias sei jedoch letztlich »entsorgt« worden. Ein destruktiver Niedergang. Unausgesprochen wird ausgesprochen, dass das Wahre, Gute und Schöne nicht zu hinterfragen sei. Sie alleine sind die Wissenden – und legen fest; ein Machtanspruch wird formuliert und als Verlust beklagt.

Der Niedergang ist aber der Aufstieg des Hinterfragens alles vermeintlich Gegebenen, Göttlichen und Natürlichen. Die Emanzipation des Einzelnen, die Demokratisierung der Gesellschaft und Liberalisierung des Privaten die in den unterschiedlichen Epochen den herrschenden Eliten abgerungen und erkämpft wurde, erscheinen als widernatürlich, gottlos und dekadent. Der Angriff auf die »Himmelsmusik« eines Beethoven und Wagner bejammert Langner unter dem programmatischen Titel: »Höllenlärm versus Himmelsmusik«. In der Verteidigung verwendet Langner, der ab 2018 Autor und ab 2020 Redaktionsmitglied ist, die gängige Methode des direkten Zitierens zur indirekten Positionierung – klingt auch gleich gebildet. So zitiert er aus Axel Ross’ »The Rest is Noise«: »Der kultartige Fanatismus der modernen Kunst- und Musikwelt ist dabei der Politik des Faschismus nicht unverwandt: Beide versuchen die Welt nach utopischem Modell umzugestalten.« Unter Faschismus wird an der Stelle »Hitlers blutiger Barbarismus« verstanden. Die Gleichsetzung dient auch als erhabene Distanzierung zu allen »Extremismen«.

»Ästhetik der Dissonanz«

Das Verschwinden des »Dreiklangs« als Basis der Harmonie habe schon 1875 zart begonnen, ab 1945 sei jedoch eine »Ästhetik der Dissonanz« vorangetrieben worden, weiß Ross. Und Langner wird mit Ross deutlich: Theodor W. Adorno greift dieser als »postmarxistischen Musikkritiker« an. Er sei »wirkungsvoller Geschmackpolitiker«, »dem jedes Mittel recht war, Musik zu verunglimpfen, die er als rückwärts gerichtet empfand«. Die Herren stört, dass der Mitbegründer der Kritischen Theorie im Schatten von Auschwitz das »Wahre, Gute und Schöne« auch in der Musik als mitursächlich für die Barbarei hinterfragt.

Auch Thomas Manns »Doktor Faustus« greift Langner auf: »Seit die Kultur vom Kultus abgefallen ist und aus sich selber einen gemacht hat, ist sie denn auch nichts anderes mehr als ein Abfall.« Die Elite empfindet Massenkultur für eine demokratische Kultur einfach nur als vulgär. Das Himmlische, das Göttliche klingt mit an, wenn den »Mächten der Finsternis« erneut vorgehalten wird, dass ihnen »Töne von Harmonie und Wohlklang« ein »Greul« seien. »Sie hassen das Wahre, sie hassen das Gute und sie hassen das Schöne. Ihr Gegengift sind Lügen, Bosheit und Mißklang« schreibt Langner ohne zu zitieren. Gemeint dürfte nicht bloß Adorno sein. Gemeint sind alle, die das Ewige für nicht ewig halten, sich dem »Natürlichen« nicht unterwerfen und dem Göttlichen nicht ohnmächtig folgen.

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»Heiliges Reich«

In der Ausgabe 2/2022 wird David Engel grundsätzlich. Der Professor für Römische Geschichte an der Université libre de Bruxelles und Forschungsprofessor am Institut Zachodni in Posen schreibt regelmäßig für »Cato«. »Per Aspera ad Astra« titelt er in Latein, frei übersetzt: »Durch Schwierigkeiten zu den Sternen.« Teile der »Schwierigkeiten« sind die Demokratie und der linksliberal dominierte Pluralismus. »Machen wir uns nichts vor«, beginnt Engel. »Es wird nicht durch traditionelle demokratische Prozesse sein, daß jene Kraft in Europa eine bestimmende Rolle einnehmen wird, die wir im folgenden mit dem Begriff ‹Hesperialismus› bezeichnen wollen, um den hiermit gemeinten christlich-abendländischen Kulturpatriotismus klar vom herkömmlichen ‹Konservatismus› zu trennen«. Die Kritik an der parlamentarischen Demokratie geht in einen radikalen Konservatismus über. Den Grund führt Engel gleich an: Durch den »formalen Pluralismus« sei ein »umfassender Wahlsieg der ‹Rechten› faktisch unmöglich«. Jede »kulturpatriotische Bewegung« werde »entweder totgeschwiegen, von innen zersetzt, diskreditiert oder ausgemerzt«. Ein »Milliardärsozialismus« beherrsche die Welt. Im Osten sei die Lage nicht ganz so schlimm, denn »Ultraliberalismus, Entchristianisierung, Multikulturalismus und Bildungsverfall« hätten noch nicht einen so hohen »Grad« erreicht. Die Rettung liege in einer »neuen abendländischen Elite«, die Charisma und eine »vorbildhafte Lebensführung« entwickle und verbinde – »wie das mittelalterliche Königstum«. Eine romantisch-reaktionäre Wende. Die eine »homogene, solidarische und politisch gebildete Bürgerschaft« des Hesperialismus vorbereiten müsse – gut vernetzt in »Parteien, Vereinen, Akademien, geistlichen Bruderschaften, Schulen, Selbsthilfeorganisation, kreativen Einrichtungen, Sicherheitsverbänden«. Der Historiker denkt in langen Zeiträumen. Das Ziel sei aber kein Zurück, sondern ein Sehnen nach »einem neuen Sacrum Imperium des 21. Jahrhunderts«. Der Gedanke der Führung durch Auserwählte war schon in der ersten Ausgabe des Magazins präsent. Mit Rückgriff auf Rom schlug Pierre Manent eine führende Elite der Tüchtigen und Tugendhaften als Rettung vor. Keine Überraschung, dass auf »Die Herrschaft der Minderwertigen« von Edgar Julius Jung, den antidemokratischen und eugenischen Klassiker aus dem Spektrum der »Konservativen Revolution«, verwiesen wird. In dem Kontext wundert auch wenig, dass Weißmann dem Hochadel der Hohenzollern in der Debatte um ihre Verantwortung am Aufstieg der NSDAP wenig vorhält, aber betont, dass die Diskussion »gar kein wissenschaftliches Interesse« antreibe, sondern »weltanschauliche Vorgaben«. Bei der Bewertung geht es auch um hohe Rückerstattungen. Und Geld ist bei »Cato« kein Tabu-Thema. Ein »Heiliges Reich« und dessen »Kulturpatriotismus« bräuchte »materielle Mittel«, hebt Engel hervor.

Finanzielle Unterstützung

Ein bekennender Unterstützer von »Cato« ist Thomas R. J. Hoyer. Der Unternehmer aus Hamburg ist immer wieder mit Bild und Zitaten präsent wie: »Die Geschichte hat uns gelehrt, dass sich die Globalisierung und das Bekenntnis zur Nation nicht widersprechen.« 2018 überreichte der Hamburger Oberbürgermeister Peter Tschentscher dem Chairman der Hoyer Group den Gründungspreis für sein Lebenswerk. Der tageszeitung wollte er keine Stellungnahme geben. Die Geschäftsführung eines Modeunternehmens aus Hamburg ebenso nicht. Ihre Anzeige für den »Krawattendackel« war in diskreten Grün-Weiß-Tönen gehalten. »Modische Jagd- und Hundekrawatten, Socken und Einstecktücher sind das perfekte Geschenk zur Kneipe, zum Jagdschein, zum Geburtstag, zu Ostern, für sich selbst und für alle weitere Anlässe«, wirbt das Unternehmen. Der Veranstalter SenfkornReisen wunderte sich über die Anfrage zu ihrer Werbung: »Wir machen keine Politik, sondern organisieren seit Jahren anspruchsvolle Reisen und Begegnungen zu unseren östlichen Nachbarvölkern, mit denen wir vor allem Bildungsbürger ansprechen wollen«, erklärt der Reiseanbieter. Der Unternehmer und »Manuscriptum«-Eigentümer Thomas Hoof sponserte das Magazin mit einer zehn Seiten umfassenden Anzeige für seinen Verlag. In der aktuellen Ausgabe wirbt auch »ME-Fonds-Pergamon« für die Investition in »nachhaltige Zukunftstrends«.

Da fällt das auf der Rückseite beworbene »Richtig auswandern und besser leben« des »Kopp-Verlags« aus dem Rahmen. Nur aus internationaler Solidarität sollten diese Reisenden aufgehalten werden.