Krieg und Nazis

von Lara Schultz
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 195 - April 2022

Propaganda der »Entnazifizierung«

Am 21. Februar 2022 erklärt der russische Präsident Vladimir Putin in einer über einstündigen Fernsehansprache die Anerkennung der beiden sogenannten Volksrepubliken Donec’k und Luhansk. Am 23. Februar steht das Land weitgehend still: Der »Tag der Vaterlandsverteidiger« ist seit 2002 gesetzlicher Feiertag. Eingeführt wurde dieser Gedenktag 1922 durch Lenin, als »Tag der Roten Armee«. An diesem Tag werden traditionell Konzerte für Militärangehörige veranstaltet, Paraden abgehalten und Blumen sowie Kränze an Kriegsdenkmälern niedergelegt. Coronabedingt fanden in den vergangenen zwei Jahren keine Paraden statt, dieses Jahr gab es als Ersatz ein abendliches Feuerwerk in Moskau sowie in anderen Städten – abgeschossen von Kampffahrzeugen und mit Artilleriesalven untermalt. Sechs Stunden später greift Russland die Ukraine an.

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Protest in Deutschland gegen Putin @ Mark Mühlhaus / attenzione

Über zehn Millionen Menschen aus der Ukraine sind seitdem auf der Flucht – ein Viertel der Bevölkerung. Nicht die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst, sondern die Menschen. Unabhängig überprüfen lassen sich die Todeszahlen nicht – und sie sind disparat. Behörden können in Kriegszeiten aus Mangel an Kapazitäten kaum zivile Opfer zählen, sie haben, anders als das Militär, keine standardisierten Erhebungs- und Berechnungsmethoden. Militärische Verlustzahlen unterliegen jedoch der Propaganda. Russland hält sich bisher mit Verlustzahlen zurück: 498 getötete Soldaten hieß es am 2. März, 1.351 am 25. März. Weitere Verlustmeldungen gibt es nicht (Stand 08.04.2022). Die von ukrainischer Seite gemeldeten »feindlichen Verluste« lagen jeweils 12-14 Mal höher, die Schätzungen der NATO waren nochmals doppelt so hoch. Damit wäre der Krieg für Russland nach einem Monat tödlicher als zehn Jahre Krieg in Afghanistan und anderthalb Jahre im ersten Tschetschenienkrieg. Und dennoch führt Russland keinen Krieg, sondern eine militärische »Spezialoperation zur Entnazifizierung« – und wer etwas anderes behauptet, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft.

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Russen gegen den Krieg – in Deutschland möglich, in Russland nicht.
@ Mark Mühlhaus / attenzione

Wie diese von Putin Ende Februar angekündigte »Entnazifizierung« aussehen soll, hat der russische Politstratege, Drehbuchautor und Kolumnist Timofej Sergejcev Anfang April für die staatliche Nachrichtenagentur RIA ausgeführt: »Eine nazistische Bandera-Ukraine, einen Feind Russlands und ein Instrument des Westens zur Vernichtung Russlands brauchen wir nicht. Die Frage der Entnazifizierung ist auf die praktische Ebene übergegangen.« »Die Entnazifizierung kann nur vom Sieger durchgeführt werden, was seine bedingungslose Kontrolle über den Entnazifizierungsprozess und die Befugnis zur Sicherstellung einer solchen Kontrolle impliziert. In dieser Hinsicht kann das entnazifizierte Land nicht souverän sein.« Und weiter: »Die Bedingungen der Entnazifizierung dürfen keinesfalls weniger als eine Generation betragen.« Sergejcev ist insbesondere für sein Drehbuch zu »Das Fußballspiel« (»Matc«, 2012, Regie: Andrej Maljukov) in Russland bekannt und in der Ukraine berüchtigt. Der Spielfilm behandelt die später »Todesspiel« genannte Partie »FK Start« gegen »Flakelf« im besetzten Kyjiv am 9. August 1942. Die »Flakelf«, bestehend aus Mitgliedern der deutschen Flugabwehr, verlor gegen die »FK Start« genannte Betriebsmannschaft der Brotfabrik Nr. 1, die zum Teil aus früheren Spielern von Dynamo Kyjiv bestand, mit 3:5. Für die Sowjets war es nicht einfach nur ein gewonnenes Spiel. Fußball gehörte zum sportlichen Pflichtprogramm der Roten Armee, das darüber hinaus als Symbol einer friedlichen Vorkriegsexistenz ebenso wie der Widerstandsfähigkeit und Ausdauer der sowjetischen Bevölkerung diente. Im Systemwettstreit sollte bewiesen werden, dass der Sozialismus auch im Sport überlegen war. Die Spiele während des Krieges, die »Blockadespiele« im besetzten Leningrad und das »Todesspiel« in Kyjiv gehörten zum kulturellen Gedächtnis der Sowjetunion und wurden später in Russland als historische Referenz funktionalisiert. Im Film jedoch werden ausschließlich Russ*innen zu Helden, während Ukrainer*innen die deutsche Besatzungsmacht durchweg freundlich willkommen heißen und zur Kollaboration bereit sind. Die Vorführung in der Ukraine wurde 2014 verboten, weil der Film laut Staatlicher Filmagentur »das abscheulichste Beispiel moderner russischer Propaganda gegen das ukrainische Volk« sei. Diesen Gedanken durfte ausgerechnet Andrij Parubij in der ukrainischen Talkshow »Šuster LIVE« ausführen: Im Film ginge es nicht um Krieg, nicht um Fußball. Er sei russische Propaganda, in der es vor allem darum gehe, dass eine Person in traditionell ukrainisch besticktem Hemd ein Nazi-Kollaborateur ist.

Ukrainische Nazis nach dem Majdan

Nazi – dieser Vorwurf trifft jedoch auf Parubij selbst zu. Parubij, ehemals aktiv in der Nazikameradschaft »Patriot der Ukraine«, gehörte zu den Gründern der extrem rechten »Sozial-Nationalen Partei«, Vorgänger der Partei »Svoboda«. Bei den Protesten 2014 auf dem Majdan fungierte er in enger Anbindung an den »Rechten Sektor« als Kommandeur. Parubij gehört zu denjenigen Vertretern der ukrainischen extremen Rechten, die sich auf dem Majdan profiliert hatten und dafür nach dem Umsturz Ende Februar 2014 mit politischen Ämtern bedacht wurden. Er wurde Chef des Rats für nationale Sicherheit und Verteidigung, sein Stellvertreter wurde Dmytro Jaroš, »Führer« der neonazistischen Organisationen »Dreizack« und »Rechter Sektor«. Im Übergangskabinett unter Ministerpräsident Arsenij Jacenjuk gab es sechs Minister mit Anbindung an die extreme Rechte. Der stellvertretende Ministerpräsident Oleksandr Sic, Verteidigungsminister Ihor Tenjuch, Umweltminister Andrij Mochnik, Landwirtschaftsminister Ihor Švajka und Bildungsminister Serhij Kvit gehörten der Partei »Svoboda« an. Jugendminister Dmytro Bulatov war Mitglied der neonazistischen »Ukrainischen Selbstverteidigung« (UNA-UNSO).

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Aufmarsch in Kyiv 2017 am Gründungstag der UPA, 14. Oktober 2017 © Lara Schultz

Eine derart starke Regierungsbeteiligung der extremen Rechten war im europäischen Maßstab einmalig. Bei der Parlamentswahl im Oktober 2014 gingen zwei Sitze an den »Rechten Sektor«; die extrem rechte »Radikale Partei« von Oleh Ljaško erlangte 22 Mandate. Ljaško war Mitinitiator des neonazistischen Freiwilligenkorps »Azov«. »Svoboda« erhielt sechs Sitze über Direktmandate. Parubij kandidierte auf Listenplatz 4 der Partei »Volksfront« von Ministerpräsident Jacenjuk, die gemeinhin als »liberal-konservativ« eingestuft wird. All dies ist aus antifaschistischer Sicht ebenso wichtig wie die Tatsache, dass bei der Parlamentswahl 2019 die erst ein Jahr zuvor gegründete Partei »Diener des Volkes« des heutigen Präsidenten Volodymyr Zelenskyj mit einer Liste ohne bekennende oder bekannte Nazis 43 Prozent der Stimmen erhielt, während die extrem rechten Parteien »Svoboda«, »Nationales Korps«, »Rechter Sektor« und »Kongress Ukrainischer Nationalisten« nicht einmal gemeinsam die Fünf-Prozent-Hürde überschritten. Selbstverständlich verschwinden extrem rechte Einstellungen nicht einfach und Wahlergebnisse sind ein mögliches Indiz für die Bereitschaft, eine extrem rechte Politik zu unterstützen. 2019 tobte bereits seit fünf Jahren Krieg im ostukrainischen Donbas, die Wähler*innen setzten mit ihrer Wahlentscheidung aber trotzdem andere Prioritäten.

Schon 2014 war es falsch, die komplette Ukraine als faschistisch darzustellen, wie es die russische Propaganda tat. 2022 einen Angriffskrieg unter der Prämisse einer »Entnazifizierung« zu führen, ist daher doppelt falsch und durch nichts zu rechtfertigen.

Nationalmythen

Putin hatte in seiner Ansprache vom 21. Februar nicht nur eine Rechtfertigung für einen Angriffskrieg ausgeführt, sondern auch alles herangezogen, um der Ukraine ihr Existenzrecht abzusprechen. Hierfür bemühte er sehr selektiv verschiedene Nationalmythen. Angefangen bei der historischen Rus, die im Jahr 862 die russische Staatlichkeit – der Vorgängerstaat Russlands, die Menschen hätten sich seit jeher Russen genannt – begründet habe. Die heutige Ukraine sei einzig und allein von Russland geschaffen worden, so Putin weiter, vom bolschewistischen Russland nach der Oktoberrevolution 1917. Lenin sei dabei äußerst rücksichtslos gegen Russland vorgegangen, indem er historische Gebiete von Russland abgetrennt habe. Tatsächlich ist die Geschichte der Ukraine zwischen 1917 und 1922 deutlich komplizierter, bevor sie Mitbegründerin der Sowjetunion wurde.

Dass Stalin 1939 »Gebiete, die zuvor zu Polen gehört hatten«, der Sowjetunion »angliederte« und ausgerechnet an die Ukraine übergab, kritisierte Putin als »Gutsherrengeste«, mit der »ukrainisch- nationalistische Ansprüche« befriedigt worden seien. In seinem geschichtlichen Abriss sprang er so von der historischen Rus direkt zur Oktoberrevolution und weiter nach 1939, die drei früheren polnischen Teilungen im 18. Jahrhundert auslassend, die das Russische Reich gewaltsam nach Westen vergrößerten, bis 1796 kein polnischer Staat mehr existierte. Dass die Sowjetunion 1939 Ostpolen besetzte, ging auf den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, nach den Unterzeichnern auch Ribbentrop-Molotov-Pakt oder nach den Staatsoberhäuptern Hitler-Stalin-Pakt genannt, und dessen geheimes Zusatzprotokoll zurück. Der Pakt garantierte dem Deutschen Reich die sowjetische Neutralität für den vorbereiteten Angriff auf Polen und rechnete Ostpolen der sowjetischen Interessensphäre zu. Eine Bezeichnung dieser gewalttätigen Aufteilung Polens verharmlost das expansionistische Streben der NS-Politik nach »Lebensraum im Osten«, das zum deutschen Vernichtungskrieg führte und die Shoah auf das Gebiet der damaligen Sowjetunion ausweitete. Während die russische Propaganda somit den historischen Nationalsozialismus bagatellisiert, fabuliert sie von einem neuen NS-Staat in der Ukraine: Die »faschistische Regierung« müsse abgesetzt, die Ukraine »entnazifiziert« und der »Genozid« an der ethnisch russischen Bevölkerung durch die »Banderovci« gestoppt werden. »Banderovci« bedeutet Bandera-Verfechter, also Anhänger*innen der historischen Persönlichkeit Stepan Bandera und dessen »Organisation Ukrainischer Nationalisten« (OUN) aus den 1930er und 1940er Jahren, faktisch eine faschistische Terrororganisation. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat das Gedenken an den nationalistischen Anführer Bandera die Grenzen seiner Tätigkeitsorte überschritten, also jene Orte in der Westukraine, die mit Banderas Leben und seinen Aktivitäten in der Ukraine verbunden sind. Er erfuhr eine erinnerungspolitische Heroisierung und Mythisierung, wurde zum Symbol eines nationalen Befreiungs- und Unabhängigkeitskampfes. Diese Wertschätzung wurde auch gesetzlich verankert: Mit dem »Gesetz über die rechtliche Stellung und die ehrende Erinnerung an die Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine im zwanzigsten Jahrhundert«, Nr. 314-VIII vom April 2015, kann strafrechtlich belangt werden, wer Kritik an der wohlwollenden Einschätzung der OUN äußert oder Bandera nicht ausschließlich als Unabhängigkeitskämpfer sieht. Die OUN beziehungsweise deren 1943 gegründeter Arm »Ukrainische Aufständische Armee« (UPA) waren nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1941 in die Sowjetunion bis 1944 an der Ermordung zehntausender Jüdinnen und Juden, Pol*innen und Russ*innen beteiligt. Im Juni 1941 proklamierte Bandera nach dem Einmarsch der Wehrmacht die ukrainische Unabhängigkeit. Wegen dieser Unabhängigkeitserklärung deportierten die Deutschen Bandera ins KZ Sachsenhausen, entließen ihn aber 1944 wieder. Banderas Zeit als Ehrenhäftling in Sachsenhausen wird als Beleg angeführt, um ihn, wie die gesamte OUN-UPA, vom Vorwurf des Faschismus freizusprechen. Bandera ließ sich 1946 in München nieder und wurde dort 1959 im Auftrag des KGB ermordet.

2014 begann in der Ukraine ein Prozess der Dekommunisierung. So konnte Bandera dann auch zu einem Schlüsselsymbol der Proteste auf dem Majdan werden. Damit einher ging eine erinnerungspolitische Abkehr von Russland und von sowjetischen Überbleibseln. Nachdem erst spontan kommunistische Denkmäler von Unbekannten gestürzt wurden, legalisierte das Parlament diesen Prozess im Mai 2015 mit dem »Gesetz über die Verurteilung kommunistischer und nationalsozialistischer (nazistischer) totalitärer Regimes und das Verbot der Propaganda ihrer Symbole, Nr. 317-VIII«. Das Gesetz sieht vor, dass zahlreiche Denkmäler abgebaut sowie Orte und Straßen mit den Namen von Funktionären der Kommunistischen Partei oder Bezeichnungen wie Sozialistische Revolution umbenannt werden müssen. Sowjetische Symbole, wie Hammer und Sichel, dürfen nicht mehr gezeigt werden. Der Sieg über Deutschland 1945 wurde zum zweiten Gründungsmythos der Sowjetunion und lebt im heutigen Russland fort. Solange die Ukraine zur UdSSR gehörte, fungierte der »Große Vaterländische Krieg«, wie speziell der deutsch-sowjetische Krieg innerhalb des Zweiten Weltkriegs im russischsprachigen Raum genannt wird, mit seinen exemplarischen Helden- sowie Opfertaten als Ausgangspunkt für die Schaffung patriotischer Symbole und kollektiver Gedenkmuster. Die heutige russische Propaganda freilich bezieht sich auf den Sieg über Nazi-Deutschland und sieht in der »Entnazifizierung« der Ukraine einen weiteren geplanten Sieg über den Faschismus. Insbesondere um den 9. Mai, den Tag des Sieges, wird alljährlich des Ereignisses gedacht, sind vermehrt Flyer, Plakate und Aufkleber auf Autos zu sehen, die sich auf den antifaschistischen Kampf von 1941-1945 beziehen. In den jüngsten Jahren wurden diese teilweise durch eine weitere Parole ergänzt: »Wenn es nötig sein wird, wiederholen wir das.«

Dass die russische Propaganda sich auch auf den Umgang mit und das Gedenken an Bandera kapriziert, macht dessen Verehrung auf ukrainischer Seite nicht weniger problematisch und dass die »Entnazifizierung« auch mit der Tätigkeit des extrem rechten Regiments »Azov« begründet wird, macht dessen Existenz nicht wett. Fakt aber bleibt: Wenn je nach Frage- und Analyseform sowie Zeitpunkt in allen Ländern, die solche Einstellungen erheben, 5-15% der Befragten regelmäßig ein »geschlossen rechtsextremes Weltbild« vertreten, werden die Zahlen sowohl in Russland als auch in der Ukraine ähnlich hoch sein. Das heißt für die Ukraine 2,2 bis 6,6 Millionen und für Russland 7,3 bis 21,9 Millionen Menschen mit nazistischen Ansichten. Da davon auszugehen ist, dass diese Einstellungen mit einer gewissen Waffenaffinität einhergehen, ist die Schlussfolgerung, dass derzeit auf beiden Seiten Nazis kämpfen, auch gegeneinander – egal, welcher Kampfeinheit sie zugehören  –naheliegend. Explizit extrem rechte Einheiten gibt es sowohl in Russland als auch in der Ukraine und ebenso in den sogenannten Volksrepubliken Donec’k und Luhansk, die Staatsgebiet der Ukraine sind, sich selbst als unabhängig ansehen und von Russland in diesem Februar anerkannt wurden.

Ukrainische Nazis im Krieg: »Azov« und Co.

»Azov« ist die bekannteste und wohl auch größte, aber nicht die einzige extrem rechte Einheit. Das ukrainische Monitoringprojekt »Marker« beschreibt die wichtige Rolle ukrainischer Freiwilligenbataillone in den frühen Jahren des Kriegs in der Ukraine. Von diesen teilten laut »Marker« viele nationalistische Ideologien.

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Azov Kämpfer in Foto-Pose mit Frauen 2015 © Lara Schultz

Unter Bezug auf Sicherheitsbehörden nannte das Wochenmagazin Der Spiegel für 2014 etwa 850 »Azov«-Kämpfer, 2017 bereits mehr als 2.500. »Marker« ging von 5.000 »Azov«-Leuten aus, die bis 2016 im Donbas im Einsatz waren. Als aktuellste Schätzung nannte Al Jazeera im März 900 Mitglieder. Der Washington Post gegenüber jedoch sagte der ehemalige »Azov«-Kommandant Andrij Bilec’kyj Anfang April, allein in Kyjiv, Char’kiv und Dnipro verfüge das Regiment über mehr als tausend Kämpfer, 3.000 kämpften in Mariupol, insgesamt schätzt er mehr als 10.000 Azov-Kräfte in der ukrainischen Armee und insbesondere in der Nationalgarde. Gegründet wurde das einstige Bataillon im Frühjahr 2014 von Oleh Ljaško, Dmytro Korcynsky und anderen, um die ukrainische Armee im Kampf gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine militärisch zu unterstützen. Korcynskyj hatte zuvor UNA-UNSO mitbegründet. Das ehemalige Bataillon wurde im Oktober 2014 zum Regiment, gleichzeitig gab der damalige Innenminister Arsen Avakov die Eingliederung in die erst im März desselben Jahres gegründete Nationalgarde bekannt. Diese untersteht als Reservistenverband dem ukrainischen Innenministerium und erfüllt laut Gesetz Aufgaben der Grenzsicherung, der Wahrung der inneren Sicherheit sowie im Fall eines bewaffneten Konflikts oder eines drohenden Angriffs Teilnahme an Kampfhandlungen. Während des Kriegsrechts obliegt ihr außerdem Aufgaben der Rechtswahrung. Damit übernahm laut »Marker« das Innenministerium aus dem Staatshaushalt die Finanzierung, die vorher durch ukrainische Oligarchen getätigt wurde. Mit der Eingliederung von »Azov« in die Nationalgarde sehen manche Beobachter*innen eine Abkehr von extrem rechten Positionen. Der Regimentssprecher Andrij Djacenko hatte 2015 auch behauptet, lediglich 10-20 Prozent der »Azov«-Rekruten seien Nazis. 2022 gehörten laut Bilec’kyj auch »Schriftsteller, Liberale, Mitglieder der extremen Linken und Antifaschisten« zum Regiment. Die politischen Ansichten seien derzeit irrelevant, ausschlaggebend sei allein das Kampfvermögen – unbenommen, dass im Kriegszustand Kämpfen wichtiger ist als das Verfassen politischer Pamphlete oder das Abhalten ideologischer Schulungen. Dass die politische Arbeit im Moment in den Hintergrund gerückt ist, sollte aber nicht als hinreichender Grund für die Annahme gelten, das Regiment sei weniger rechts geworden. Schließlich sieht sich selbst Bilec’kyj, Mitbegründer einer Neonazikameradschaft, der sich »Weißer Führer« nannte, nicht als Rassist oder Antisemit. Antifaschistische Recherche hat sich deshalb noch nie auf Selbstauskünfte verlassen, sondern verfügt über eigene Standards. Wer sich in Nazigruppierungen tummelt, extrem rechte und nazistische Symbole benutzt, wer bei einer vermeintlich weniger rechten Neuausrichtung nicht mit alten Ansichten bricht und sich von der extremen Rechten nicht distanziert, wird auch als Nazi betrachtet werden. Und wer in sein Parteiprogramm faschistische Staatsvorstellungen einschreibt, erst recht. In ihrem Parteiprogramm benennt die aus »Azov« entstandene Partei »Nationales Korps« eine Vorstellung des Ukrainozentrismus, einen Vorrang der nationalen Interessen und damit eine deutliche Beschränkung der Zuwanderung. Diese Ideologie beruht auf dem spezifisch ukrainischen Faschismus, der Natiokratie, mit einem Staat als optimaler Existenzform der Nation, in der alle Gesellschaftsmitglieder sich um eine gemeinsame Idee vereinen, es somit keiner Parteien mehr bedarf, sondern lediglich »Führer« auf allen Ebenen. Auf das »Nationale Korps« geht auch die Idee zurück, dass militarisierte Strukturen parallel zu den staatlichen aufgebaut werden sollten, damit es keine Notwendigkeit gebe, Aktionen mit den offiziellen Streitkräften zu organisieren. Dazu gehören auch die Forderungen, Waffen nicht in Militärdepots, sondern direkt bei den Freiwilligenkampforganisationen zu lagern sowie eigene Militärschulungen durchführen zu dürfen – zumindest Letzteres macht »Azov«. Von Azov selbst wird eine Unterscheidung propagiert: Zur »Azov-Bewegung« gehörten sowohl ein Regiment als auch eine Partei, diese seien voneinander unabhängig und es bestehe ein Unvereinbarkeitsbeschluss: Aktive Kämpfer könnten nicht Parteimitglied werden.

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Im August 2020 wurde die bisherige »Volksmiliz« von Azov in »Centuria« umbenannt, sie bleibt eine Organisation, die als paramilitärische Miliz oder Bürgerwehr vor allem auf den Straßen patrouilliert. Mit Kriegsbeginn hat »Centuria« aber auch eine eigene Kampfabteilung geschaffen und öffentlich für militärisches Training geworben. Allein an den ersten beiden Tagen sollen sich rund 100 kampftaugliche Männer gemeldet haben. Eine weitere Organisation, die »Kulturvereinigung Avantgarde« hat ihren Sitz, ebenso wie »Azov«, im »Kosakenhaus« in Kyjiv. Auch inhaltlich scheinen sie verbunden. Als Tugenden werden Heldentum, Ehre und Blut gesehen, der heutige »kulturelle Niedergang« wird angeprangert. Als ideologische Grundpfeiler benannte die »Avantgarde« vor dem Krieg Anti-Egalitarismus, Archäofuturismus und Ethnopluralismus. Anti-Egalitarismus steht dabei für eine hierarchisch gegliederte Gesellschaft, Archäofuturismus gegen die aktuelle »Dekadenz« und »Degradation«. Hier blicken also faschistische Vorstellungen durch. »Avantgarde« sei jetzt darauf vorbereitet, nicht nur im übertragenen Sinne, sondern auch in der Praxis zu kämpfen. Hierfür solle eine eigene militärische Ausbildung implementiert werden, schreibt »Avantgarde« auf ihrer Homepage. Die Besten und Eifrigsten dürften sich dann an vorderster Front beweisen. Dass dies ernst gemeint ist, geht aus einem Telegram-Chat von Ende März hervor: »Avantgarde« sei mit einer Panzerabwehrgruppe an einer Gegenoffensive der ukrainischen Armee in Luk’janivka bei Kyijv beteiligt gewesen. Zwar habe die Gruppe Verluste erlitten, dem »Feinde jedoch zehnmal mehr Schaden zugefügt«.

»Revenge« ist ein weiteres Bataillon, dessen Totenkopfsymbolik als SS-Hommage verstanden werden dürfte. Gegründet wurde das Bataillon direkt nach dem russischen Angriff in Kyjiv und Char’kiv. Neue Mitglieder versuchen sie über Telegram zu werben, besonders gesucht seien im Moment Drohnenoperatoren, Sanitäter, Panzerfahrer und Bediener von Granatwerfern. In einer Online-Anmeldung müssen lediglich persönlich Daten, Kleider- und Schuhgröße sowie die Verfügbarkeit von eigenem Helm, eigenen Waffen und Schutzausrüstung vermerkt werden. »Wir haben militärische Erfahrung, wir haben viele Waffen, wir haben kein Mitleid mit dem Feind«, so wird für sich geworben. Als Gruppe existierte »Revenge« bereits vorher. 2016 gründeten ehemalige Aktivisten von »Revenge« die extrem rechte ukrainische Gruppe »Tradition und Ordnung«. Ein T-Shirt mit aufgedrucktem Logo der Gruppe nutzt der aus Kyjiv stammende und in Deutschland aufgewachsene Ivan Kormilitsyn in seinem Profilbild auf Instagram. »Tradition und Ordnung« wird mit Angriffen auf ukrainische Roma und LGBT-Aktivist*innen in Verbindung gebracht. Kormilitsyn vertrat seit 2018 bis zu seinem Rücktritt 2020 die »Alternative für Deutschland« im Rostocker Ortsbeirat Groß Klein. 2018 nahm Kormilitsyn an einem Wehrsporttraining in Kyjiv teil, worüber er in den sozialen Netzwerken berichtete. Das Gelände des Industriekomplexes ATEK, von dem aus Kormilitsyn berichtete, wird von »Azov« als zentrales Mobilisierungs- und Ausbildungslager genutzt. An einer Schulung der extrem rechten ukrainischen Gruppe »Tradition und Ordnung« nahm Kormilitsyn im Sommer 2020 teil. Die Kontakte von »Revenge« und »Avantgarde« gehen über die Landesgrenze hinaus, im Dezember 2021 besuchten beide die »Albanian Third Position«, einen neopaganistischen und neofaschistischen Zusammenschluss, der sich in seinen Manifesten vor allem auf Mussolini bezieht.

Aber auch weitere Nazigruppierungen nehmen am Kriegsgeschehen teil. Das Freiwilligenbataillon »Karpatensic« gründeten im Jahr 2010 Mitglieder der »Svoboda«-Partei und des Sportverbands »Sokil«, der gute Kontakte zu der deutschen neonazistischen Kleinstpartei »Der III. Weg« unterhält. »Sic« bezieht sich auf die historische Bezeichnung für Verwaltungszentren der Kosaken im Südosten der heutigen Ukraine im 16. bis 18. Jahrhundert. Mit dem Namen »Karpatensic« wird außerdem an die 1938-1939 in Transkarpatien tätige gleichnamige Organisation erinnert, die zunächst polizeiliche und paramilitärische Aufgaben wahrnahm, bis sie sich im September 1939 mit Erlaubnis der deutschen Abwehr am deutschen Einmarsch in Polen beteiligte. Auch »Karpatensic« versucht sich mit internationaler Vernetzung, es soll mit der griechischen »Goldenen Morgenröte« und der italienischen »Casa Pound« kooperieren. Im Februar 2019 nahm eine Delegation der »Sic« an der »Tag der Ehre« genannten Veranstaltung zur Verherrlichung der Wehrmacht in Budapest teil. Auf dem Majdan fungierte die »Sic« als Teil des »Rechten Sektors«, 2014 wurde eine eigene »Spezialeinheit« geschaffen, die sich 2014-2016 innerhalb der Bataillone Ajdar und Donbas an Kämpfen in der Ostukraine beteiligte. Seit dem 24. Februar ruft die »Sic« dazu auf, sich ihrem Bataillon anzuschließen.

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Bataillone Ajdar Stand 2015 beim Unabhängigkeitstag © Lara Schultz

An den Kämpfen um die Kyjiver Vororte war auch »Sokil« – auf Deutsch »Falke« – beteiligt. »Sokil« geht zurück auf den 1894 gegründeten Turn- und Militärverein. Nach dem Verbot durch die Bolschewiki 1939 war der Verein vor allem in der Emigration aktiv. 2006 erfolgte die Neugründung aus dem Umfeld der Partei »Svoboda«. Der Verein vertritt auf Grundlage der nationalistischen Bewegungen vergangener Jahrhunderte einen »modernen ukrainischen Sozial-Nationalismus« und will »eine neue Gesellschaft und einen neuen Staat aufbauen«. 2013/14 auf dem Majdan aktiv, bildet »Sokil« heute einen Zug innerhalb des Bataillons »Karpatensic«. Aufgrund der selbst veröffentlichten Fotos ist von rund drei Dutzend Kämpfern in den Reihen des Vereins auszugehen. Allerdings sollen sich weitere »Sokil«-Mitglieder in den Reihen der ukrainischen Armee und der Nationalgarde betätigen.

Auch der »Rechte Sektor«, entstanden im Winter 2013/14 auf dem Majdan aus Mitgliedern extrem rechter Gruppierungen und Neonazi-Kameradschaften, versteht sich ähnlich wie »Azov« als übergeordnete Bewegung, das heißt als »nationale Befreiungsbewegung«, die sich in drei Untergruppierungen aufteilt: Das »Ukrainische Freiwilligenkorps des Rechten Sektors« als militärische Einheit, die gegen die »äußeren und inneren Feinde des ukrainischen Volkes« kämpfe; die politische Partei »Rechter Sektor«, die eigenen Angaben zufolge in erster Linie eine »Politik der Straße« und erst in zweiter Linie eine »Politik der Parlamente« verfolge; die »Rechte Jugend« als Organisation für Jugendliche von 16-21 Jahren, in der eine künftige Elite herangezogen werden soll, die mit nationalistischen Ideen und radikalen Veränderungen einen künftigen ukrainischen Staat schaffen soll. Wie dieser aussehen soll, wird im Parteiprogramm beschrieben: Beruhend auf der Natiokratie, also der speziell ukrainischen Spielart des Faschismus, auf die sich auch »Azov« bezieht, soll ein unabhängiger ukrainischer Konzilsstaat entstehen, wie er auch der faschistischen OUN-UPA vorschwebte.

Dass das Regiment »Azov« seit 2014 Bestandteil der russischen Propaganda ist, dass aber auch deutlich mehr extrem rechte Gruppen in Freiwilligenbataillonen gegen die russischen Angreifer kämpfen, macht deren Existenz nicht weniger problematisch oder kritikwürdig. Die Beteiligung an Straßenkämpfen und am Selbstschutz des Majdan ließen sich führende Nazis mit wichtigen Posten innerhalb der Regierung oder Verwaltung bezahlen. Dieses Szenario droht sich zu wiederholen.

Diese Beteiligung ukrainischer Nazis im Krieg darf aber auch nicht darüber hinwegsehen lassen, dass auch auf russischer Seite Nazis ins Kampfgeschehen eingebunden sind.

Russische Nazis im Krieg: »Wagner« und Co.

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Dimitri Utkin mit SS-Verehrung am eigenen Körper

Der Einsatz des russischen privaten Sicherheits- und Militärunternehmens »Gruppe Wagner« des Neonazis Dmitri Utkin in der Ukraine wirft Fragen auf. Registriert ist das Unternehmen in Argentinien. Obwohl in Russland bis 2017 der Einsatz privater Militärunternehmen verboten war, kämpfte die „Gruppe Wagner“ bereits seit 2015/16 in Syrien und aktuell unter anderem in Libyen und Mali. Zumindest in Libyen machte die »Gruppe Wagner« mit ihren Graffiti und Parolen keinen Hehl aus ihrer Gesinnung. Private Sicherheits- und Militärunternehmen sind jedoch keine Militärverbände, ihre Mitarbeiter gelten als Zivilisten, die militärische Aufgaben übernehmen. Artikel 359 des russischen Strafgesetzbuches verbietet in Anlehnung an das Genfer Abkommen Söldnertum. Mit einem rhetorischen Kniff in der Gesetzgebung wurden jedoch gesetzlich alle Absolventen des Grundwehrdienstes zu »russischen Militärangehörigen«. Und wer dem Militär angehört, ist per Definition kein Söldner. Das New Lines Magazin hat Ende 2021 aber Angehörige 14 weiterer Staaten bei der „Gruppe Wagner“ ausgemacht. Ob es sich hier um »russische Militärangehörige« handelt, wird noch zu klären sein.

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Die monarchistische und ultranationalistische »Russische Imperialbewegung« (RID) hat die »Rettung des russischen Volkes« und die Schaffung eines »neuen russischen Imperiums« auf der Grundlage von Orthodoxie, Autokratie und Nationalität oder kurz »Gott, Zar, Nation« zum Ziel. Russland solle wieder den Russen gehören. Der Rest des Programms ist aus der Reichsbürgerszene bekannt: Das russische Volk habe derzeit keinen eigenen Nationalstaat, Russland sei in eine Reihe von Halbkolonien aufgeteilt, die von Marionetten des Westens regiert würden, während sie eigentlich einen »großen Austausch« oder gar Völkermord des »russischen Volkes« verfolgten. Die RID rekrutiert extreme Rechte und Nazis, um sie in Ausbildungslagern für Kampfhandlungen in ihrem paramilitärischen Arm »Reichslegion« zu trainieren. Eigenen Angaben zufolge koordinierte sie im Februar 2014 die russische Bewegung in Kyjiv als Gegenpart zum Majdan und ab März den »russischen nationalen Widerstand gegen das ukrainische Separatistenregime auf der Krim, in Simferopol‘ und in Sevastopol‘«. 2014 bis 1017 soll die »Reichslegion« in »Novorossija« gekämpft haben, in »Neurussland«, wie die russische Propaganda in ihrem Größenwahn den gesamten Osten der Ukraine nannte, der zu Russland gehören solle. Dass es aktuell nicht so richtig gut mit der »Spezialoperation« funktioniere, läge vor allem am russischen Verteidigungsminister, der ein »ekelhafter verkappter Homosexueller sei«. Ob auch aktuell Mitglieder der »Reichslegion« gegen die Ukraine kämpfen, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Ein Interesse daran, die gegenwärtige Regierung zu unterstützen, besteht jedenfalls nicht, was einer Teilnahme an Kampfhandlungen in der Ostukraine aber auch nicht im Wege stand.

Auch die Nationalbolschewisten des »Anderen Russland« haben keinerlei Interesse, die Regierung Putin zu unterstützen. Trotzdem hatten sie unter der Bezeichnung »Interbrigaden« eine Freiwilligenarmee geschaffen, in der von 2014 bis 2015 über 2.000 Freiwillige aus dem Parteiumfeld auf russischer Seite im Donbas gekämpft haben sollen. Ein regionaler Parteiableger wurde sechs Tage vor Kriegsbeginn in Donec’k gegründet. Man wolle, so die offizielle Erklärung, den Kampf des Donbas um die Rückkehr ins Heimatland unterstützen und dieses Begehren dann auf Neurussland von Char‘kiv bis Odesa ausweiten, damit »die Sonne des Nationalbolschewismus über dem ganzen russischen Land« aufgehe. »Zuhause aufräumen« könne man dann, wenn die Ukraine erst »befreit« sei. Dies sei auch im Sinne des Parteichefs Eduard Limonov. Limonov hat vor seinem Tod im Jahr 2020 vor allem russische Großmachtsfantasien propagiert, bereits in den 1990ern Jahren die Schenkung der Krim von Russland an die Ukraine 1954 kritisiert und seit 2014 eine Militärintervention in der Ukraine gefordert. Die „Nationalbolschewisten“ hat Limonov 1993 gemeinsam mit dem Neofaschisten Aleksandr Dugin gegründet, in dessen Denken die konservative Revolution, Antifeminismus, Rassismus, Homophobie und die Kritik an einer vermeintlichen Dekadenz der westlichen Welt zentrale Inhalte sind. Im Moment sollen die »Interbrigaden« vor allem humanitäre Hilfe in der Ostukraine leisten.

Hinzu kommt: Putin und seine Präsidialadministration sind in der Vergangenheit immer wieder Bündnisse mit Ultrarechten aus Europa und Russland eingegangen: Jährlich finden russisch-ungarische Gipfeltreffen statt, Viktor Orban gilt als guter Freund und Fürsprecher Putins. In der Vergangenheit brüstete Marine Le Pen sich mit ihrem guten Draht in den Kreml, ihre Kandidatur 2017 wurde von Putin unterstützt. Die italienische »Lega« war ebenso wie die FPÖ und die AfD mehrfach im Kreml zu Besuch. Theoretiker, wie Aleksandr Dugin, bei westeuropäischen Faschist*innen gern gesehenes ehemaliges Parteimitglied der »Nationalbolschewistischen Partei« und ein Ideologe des sogenannten »Eurasischen Raumes«, haben Zugang zum Kreml, etwa durch die Mitwirkung im Think Tank »Izborsk Club«. Zu dem Club gehört auch der Ökonom und Publizist sowie einstige Beamte der russischen Präsidentialverwaltung Michail Chazin, der bereits 2016 öffentlich darüber sprach, die Ukraine Moskau zu unterstellen – dabei die Liquidierung etlicher Ukrainer*innen einplanend.

All das macht Putin allerdings nicht zu Hitler, eine Gleichsetzung, die auf Solidaritätskundgebungen für die Ukraine gern bemüht wird, aber sehr wohl Putin zu einem Präsidenten, der sich von Faschist*innen nicht distanziert – sondern im Gegenteil, sich in seinen Äußerungen ihnen nähert –  während er die seiner Ansicht nach faschistische Ukraine »befreien« und »entnazifizieren« will. Wie gezeigt wurde, sind dabei sowohl beim Angriff als auch bei der Verteidigung nazistische und faschistische Kräfte beteiligt. Die Ukraine muss sich verteidigen und verteidigt werden. Dass dies auch Nazis tun, kann jedoch, ähnlich wie nach dem Majdan bedeuten, dass sie sich, sobald dieser schreckliche Krieg endet, ihre Dienste durch entsprechende Posten werden bezahlen lassen. Eine russische Besatzung kann und darf somit nicht die Alternative sein.