Braune Ökos

von Andreas Speit
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 189 - März / April 2021

#Geschichte

Antifa Magazin der rechte rand
Braune Ökos / Heimatschutz © Mark Mühlhaus / attenzione

Sie pflegen Fauna und Flora, hüten Land und Vieh, bemüht ökologisch und artgerecht. Sie bieten Biogemüse und -obst auf Biomärkten und in Bioläden an oder leben nachhaltig und konsumfrei. Im Gespräch mit ihnen kann der Kältestrom der modernen Gesellschaft, des Waren- und Kapitalverkehrs beklagt werden, die Entfremdung von uns selbst und die Entfernung zum Wahren. Am Wochenende können sie aber auch bei einer »Querdenken«-Demonstration oder an einem NPD-Infostand zu sehen sein: braune Ökos.

 Seit Beginn der Proteste gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fallen alte Affinitäten wieder auf. Die Differenzen zwischen ökologischen Konzepten von Links und Rechts verschwimmen. Verschwörungsnarrative über Zwangsverchippung und -impfung offenbaren: »lechts und rinks« kann »velwechsert« werden – wie Ernst Jandel mahnte. Mit »Die Kehre« versucht Chefredakteur Jonas Schick, der aus der »Identitären Bewegung« kommt, in den anhaltenden Diskurs über Ökologie einzugreifen. 2020 erschien die erste Ausgabe des Viermonatsmagazins, das eine Webpräsenz flankiert. Die »Zeitschrift« will die »Ökologie aus ganzheitlicher Perspektive betrachten«, heißt es, um »der aktuell stattfindenden Verengung auf den ‹Klimaschutz›« entgegenzuwirken. Eine »Lehre von der gesamten Umwelt« müsse »Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, also auch Haus und Hof« mit einschließen. Kurz und knapp skizziert Schick den Vierklang von rechter Ökologie: Umweltschutz = Naturschutz = Tierschutz = Volksschutz.

 

Schon in der Lebensreformbewegung des 19. Jahrhunderts beklagten Publizisten und Philosophen die Industrialisierung und Urbanisierung. Das Reflexivwerden der Moderne löste gerade im aufkommenden Bürger*innentum eine »Entzauberung der Welt« (Max Weber) aus. In der Kritik an dem sich anbahnenden Kapitalismus, der Mensch und Natur verwerte und entwerte, wurden Rationalismus und Säkularisierung verstärkt hinterfragt. Doch nicht die Macht- und Besitzverhältnisse wurden als ursächlich für die Ausbeutung des Menschen, der Tiere und Natur ausgemacht. Vielmehr lehnten Teile des Bürger*innentums den Materialismus als Ideologie, die Rationalität und Ökonomisierung aller Lebenssphären vorantreibe, ab und wendeten sich einer Verzauberung der Welt durch Spiritualität, Naturmystik und Volksmythos zu. Die »Moderne als unvollendetes Projekt« (Jürgen Habermas) erschien damals schon als vollendet und gescheitert. Im Selbstbild sahen sie sich als die »letzten Menschen«, dem gegenüber der »Fachmensch ohne Geist« und »Genußmensch ohne Herz« (Max Weber) aufgekommen sei. Die Moderne machten diese Publizisten und Philosophen in der radikalsten Abwehr als »jüdisches Projekt« (Shulamit Volkov) aus.

Ernst Rudorff

Bereits 1897 setzte Ernst Rudorff Naturschutz mit Heimatschutz gleich. Der Komponist, Musikpädagoge und Naturschützer prägte in zwei Artikeln im »Grenzbote« unter dem Titel »Heimatschutz« und »Abermals Heimatschutz« den Begriff nachhaltig mit, der durchaus auch kulturelle Bedeutung erhalten sollte. Rudorff lieferte quasi das Programm für die Heimatschutzbewegung. 1904 gründete er den »Bund Heimatschutz«, den Vorläufer des heutigen »Bund Heimat und Umwelt in Deutschland« mit etwa 500.000 Mitgliedern. Im Aufruf von 1903 zur Gründung hieß es: »Schaffen wir also einen sich über ganz Deutschland erstreckenden Bund aller Gleichgesinnten, denen es darum zu tun ist, deutsches Volkstum ungeschädigt und unverdorben zu erhalten und was davon unzertrennlich ist: die deutsche Heimat mit ihren Denkmälern und der Poesie ihrer Natur vor weiterer Verunglimpfung zu schützen«. 233 Personen des damaligen öffentlichen Lebens unterzeichneten. Frauen sowie Jüdinnen und Juden lehnte Rudorff als Unterzeichnende ab. Der »romantische Geist«, wie Rudorff im rechten Diskurs verehrt wird, beklagte stets die Verunglimpfung des »Vaterlandes« durch Verkuppelung, Flurzusammenlegung und Grundstücks- beziehungsweise Bauspekulationen. Den Tourismus verachtete er, weil dieser das menschliche Bedürfnis des Naturgenusses zu einem »geschäftlichen Betrieb« mache. Rudorff betont: »Die Natur ist zur Sklavin erniedrigt, der ein Joch abstrakter Nutzungssysteme, das ihr völlig fremd ist, gewaltsam aufgezwängt, deren Leistungsfähigkeit ausgepreßt wird bis auf den letzten Tropfen«. Das entspreche der »Gesamtstimmung unserer Zeit, die ohne jedes Verständnis für ideale Bestrebungen ausschließlich in dem Jagen nach äußerem Glanz und Effekt, nach Bequemlichkeit und materiellem Genuß befangen« sei. Natur und Kultur werden als organische Einheit gedacht, in der eine ursprüngliche Natur und ureigene Kultur angenommen wird. Das sittlich Gute der Natur- und Kulturlandschaft möchte Rudorff dann auch gleich vor fremden Menschen und Sitten bewahren. So fragt er: »Kann man denn Dinge und Menschen nicht lassen, wo sie hingehören?«. Und er antwortet selbst: »Den Ideen eines heimatfremden Internationalismus« würde »mit unserer Gleichmacherei geradezu in die Hände« gearbeitet. Die Grundsteine einer völkischen Ökologie sind früh gelegt. Im Gegensatz zur Moderne wird eine vorindustrielle Welt mit Ständen und Bauernschaft entworfen. In ihr ist der Mann auch noch Mann und die Frau noch Frau.

 

Martin Heidegger

Dieses vormoderne Idyll schwebte auch Martin Heidegger vor. Jonas Schick, der Herausgeber von »Die Kehre«, bezieht sich mit der Namenswahl auf den zutiefst antisemitischen Philosophen. In dem 1951 veröffentlichten Vortrag »Die Technik und die Kehre« beklagt Heidegger die Wirkung der Technologie, in der er eine fatale Gefahr sah. Am Horizont erkennt er aber die Möglichkeit einer Kehre. Im Nationalsozialismus sah er eine Möglichkeit zur Umkehr, zur Befreiung von der Moderne. Und war später enttäuscht, da diese radikale Kehre nicht kam. Viele Naturschützer*innen begrüßten aber den Nationalsozialismus bis zum Ende. Eine »hohe Zeit« des Naturschutzes, schwärmte Hans Klose, Leiter der »Reichsstelle Naturschutz«. Denn am 26. Juni 1935 erfüllt sich mit dem Reichsnaturschutzgesetz eine ihrer Hoffnungen. Klose schrieb die Vorlage, nach 1945 leitete er die »Zentralstelle für Naturschutz und Landschaftspflege«.

In »Die Kehre« greift Alexander Gauland mit dem Verweis, dass »Ökologie« nicht alleine »Naturschutz, sondern auch (…) Denkmalschutz« sei, die alte Argumentation wieder auf. Im Sommer 2020 verweist der Bundestagsfraktionsvorsitzende der »Alternative für Deutschland« im Interview auch auf die lange Tradition einer »konservativen Ökologie« und möchte zwischen »konservativem Umweltschutz« und »linkem Klimaschutz« unterscheiden. Mit Bezug auf Rudorff betont »Die Kehre« ebenso, dass »Naturschutz, Heimatschutz, ökologische Technikkritik« einst »Kernthemen der Rechten gewesen« waren. In den 1970er Jahren hätte die »grüne Bewegung« die »zu Technokraten verkommenen ‹Konservativen›« aber »ihrer ‹Kronjuwelen›« beraubt«.

Herbert Gruhl

Bei der Gründung der Partei Die Grünen hofften rechte Naturschützende allerdings neuen Einfluss zu gewinnen. Der »ökologische Verrat« begann für sie aber mit dem Herausdrängen von Herbert Gruhl. Der Autor des Umweltbestsellers »Ein Planet wird geplündert« von 1975 sowie früherer Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND), ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und Gründer der »Grünen Aktion Zukunft« war ein Star der grünen Bewegung. In seinem Bestseller schrieb er jedoch schon, dass die Einwanderungspolitik der »europäischen Völker« eine »sagenhafte Dummheit« sei – was wohl viele Linksgerichtete lange überlesen haben müssen. Ein Jahr vor seinem Tod warnte er 1992 in seinem Buch »Himmelfahrt ins Nichts« davor, dass »viele Kulturen in einem Raum zusammengemixt werden«. Der Wert des Gemisches sinke »mit zunehmender Durchmischung«. In einer »RTL Plus«-Show führte Gruhl am 14. April 1992 im Streitgespräch auf die Vorhaltung aus, ob das nicht die These vom »unwerten Leben« sei: »Das ist ein Gesetz der Entropie, das wir besonders in der Ökologie haben, und dieses Gesetz gilt auch für menschliche Kulturen.«. Die alte Sorge von Rudorff vor dem »Fremden« klingt durch. Gruhl schätzen rechte Ökolog*innen heute immer noch gerade wegen des Verbindens von Naturschutz und Einwanderung.

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Heft 4, die Winter-Ausgabe 2020 von »Die Kehre«, hat als Schwerpunkt: »Migration«. »Kaum ein Phänomen wird im insbesondere von den Grünen geprägten ökologischen Diskurs in der Bundesrepublik derart ausgespart wie die ökologischen Auswirkungen allgemein angestiegener Mobilität und Massenmigration«, heißt es auf der Webseite und »das beginnt bei der IKEAisierung der Einrichtungen (…) und endet bei der Anhebung des Konsumniveaus der Millionen ›Flüchtlinge‹, die seit dem Sommer 2015 nach Europa strömten, wodurch sich ihr ökologischer Fußabdruck erheblich vergrößerte«. In diesem Kontext auch nicht selten: Ein »Schrumpfen der Gesamtbevölkerung« wird befürwortet und sofort der »Verzicht der Deutschen auf Nachwuchs« beklagt. Das Idyll einer vormodernen Gemeinschaft statt moderner Gesellschaft bleibt das Ideal – Allianzen zwischen »Blut & Boden« liegen nah.