100 Jahre Antifa

von der Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 190 - Mai / Juni 2021

#AlleZusammen

Vom Widerstand gegen den italienischen Faschismus 1921 bis zum Protest gegen die rechtsradikale AfD heute: Die antifaschistische Bewegung wird 100 Jahre alt.

Antifa Magazin der rechte rand
© Mark Mühlhaus / attenzione

Zwei Fragen ziehen sich durch die Debatten der antifaschistischen Bewegung: Mit welchen Mitteln und in welchen Bündnissen gelingt es am besten, die radikale Rechte zu stoppen. Gegen den Terror der faschistischen »Schwarzhemden« in Italien unter Benito Mussolini organisierten sich ab 1921 parteiübergreifend die Arditi del Popolo (die Mutigen des Volkes). Sie leisteten Widerstand gegen den aufstrebenden Faschismus, der wenig später an die Macht kam. Militant setzten sich die überparteilichen Arditi gegen rechte Gewalt zur Wehr, organisierten Aufklärung und Widerstand. In Opposition zum neuen politischen Phänomen des Faschismus entstand so der Begriff des Antifaschismus. Schon damals gab es in den Parteien und Organisationen der Linken Streit, ob und wie mit ihnen zusammengearbeitet werden könne und solle. Unterschiedliche Zeiten, Bedingungen, Notwendigkeiten und gesellschaftliche Möglichkeiten bedeuteten in den 100 Jahren auch immer unterschiedliche Formen und Begründungen für Widerstand. Zu unterscheiden ist auch, ob sich die radikale Rechte in einer Bewegungs- und Oppositionsphase befand oder bereits an der Macht war – sei es alleine oder im Bündnis.

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Auf den Begriff des Antifaschismus bezogen sich in der Geschichte nicht alle, doch Widerstand leisteten viele: Demokrat*innen, Christ*innen, Mitglieder sozialdemokratischer, kommunistischer oder anarchistischer Organisationen, Gewerkschafter*innen, Jüdinnen und Juden, rebellische Jugendgruppen, Sinti*zze und Rom*nja … und eben auch die Millionen von Soldat*innen in den Armeen der Alliierten gegen Nazi-Deutschland und seine Achsenmächte.

Aber unter dem Banner des Antifaschismus wurde auch gestritten – teils tödlich. Die Auseinandersetzungen zwischen SPD und KPD in der Weimarer Republik oder im Spanischen Bürgerkrieg waren fatal und schwächten den Widerstand. Der Sieg der Alliierten war für die Menschen in den besetzten Ländern und für all jene, die Opfer des Faschismus geworden waren, eine Befreiung. Antifaschismus bedeutete danach zentral auch die Erinnerung an die Ermordeten und Verfolgten, die Jagd nach untergetaucht oder offen lebenden Nazi-Täter*innen, gegen die alten faschistischen Netze, revanchistischen Bestrebungen und neue Nazis. Antifaschismus fand nun unter weltpolitisch völlig veränderten Bedingungen in Ost und West statt. In der Bundesrepublik dauerte es Jahrzehnte, bis der Widerstand gegen den NS staatlich geehrt wurde, die mörderischen Taten und die Beteiligung der »ganz normalen Deutschen« Eingang in Schulbücher und das Bewusstsein der Bevölkerung fanden.

Antifaschismus war und ist hier vor allem Initiative von unten, aus dem demokratischen und linken Teil der Gesellschaft – von Überlebendenorganisationen, Geschichtswerkstätten, antifaschistischen Initiativen, Linken verschiedener Parteien in Parlamenten, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und vielen mehr. Spannen wir den Bogen bis heute: Erstmals seit Gründung der Bundesrepublik sitzt mit der »Alternative für Deutschland« (AfD) eine rechtsradikale Partei in allen Landesparlamenten und im Bundestag. Der Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Antikommunismus, der in der Bundesrepublik immer vorhanden war und selten auf massiven Widerstand stieß, hat nun Ausdruck in Wahlergebnissen gefunden. Die AfD ist Sammlungspartei der Rechten – von den Stammtisch-Rassist*innen über rechte Schläger*innen bis zu Neonazis in Hemd und Kragen. Ihre Stärke ist ein Angriff auf erkämpfte Fortschritte und die Moderne. Bisher sind der Zivilgesellschaft, der Politik und »der« Antifa leider keine ausreichenden Antworten auf den jüngsten Aufstieg der radikalen Rechten gelungen – trotz mancher Erfolge.

Knapp 100 Jahre nach dem ersten Widerstand gegen die damals neue Bewegung des Faschismus, der in Italien und später in Deutschland so rasch nach der Staatsmacht griff, gingen 2020 in Erfurt tausende Menschen gegen eine Landesregierung von Gnaden des Faschisten Björn Höcke auf die Straße. Erstmals seit Jahrzehnten stand eine faschistische Partei wieder knapp davor, realen Einfluss auf das Regierungsgeschehen zu erlangen. Damals gelang es, diesen Griff nach der Macht zurückzuschlagen – auf der Straße, in den Medien und in den Parlamenten. »Alle zusammen gegen den Faschismus«, das war nicht nur eine Parole. Heute muss ein vorrangiges Ziel sein, die AfD wieder aus den Parlamenten zu werfen und ihr so den Zugriff auf Millionen Euro, Jobs und Einfluss zu nehmen. Dazu gehört auch, der parteinahen »Desiderius-Erasmus-Stiftung« im Haushaltsausschuss schlicht die millionenschwere Förderung vorzuenthalten. Ein Fokus von Antifaschist*innen muss heute auf der rechtsradikalen AfD liegen. Spätestens 2022 muss – und kann – es gelingen, der Partei bei einer Landtagswahl eine empfindliche Niederlage, also ein Ergebnis unter 5 Prozent, beizubringen.