Im Visier des Geheimdienstes

Otto Belina sprach mit Sven Adam


Magazin »der rechte rand« Ausgabe 146 - Januar / Februar 2014

#Interview

Der niedersächsische Verfassungsschutz überwachte jahrelang JournalistInnen, die über die Neonazi-Szene berichten. Insgesamt wurden mindestens sieben BerichterstatterInnen beobachtet. Darunter sind auch die drr-AutorInnen Andrea Röpke und Kai Budler. Otto Belina sprach mit Sven Adam, dem Anwalt der beiden.

 

antifa Magazin der rechte rand

drr: Herr Adam, Sie werden vom niedersächsischen Verfassungsschutz (VS) überwacht, Ihre MandatInnen auch. Wie gefährlich sind Sie drei eigentlich für die deutsche Verfassung?
Sven Adam: Zunächst wurden wir wohl in der Tat überwacht – werden es angeblich aber nicht mehr. Der niedersächsische Verfassungsschutz hat ja vor gut drei Monaten eingeräumt, dass Daten über JournalistInnen wie Andrea Röpke gesammelt wurden. Allerdings seien diese Daten alle vorsorglich und vor allem vor der Auskunft über die Daten gelöscht worden. Insofern scheint offiziell bei den bekannt gemachten JournalistInnen aktuell keine Überwachung mehr stattzufinden. Das gleiche gilt mittlerweile auch für mich, da mir der Verfassungsschutz zwischenzeitlich mitgeteilt hat, die über mich gesammelten Daten indes nicht mehr für erforderlich zu halten und dass diese für die Verwendung durch VerfassungsschutzmitarbeiterInnen gesperrt wurden. Was genau über uns gesammelt wurde, wissen wir aber alle noch nicht. Wir wissen also auch nicht, warum wir als gefährlich eingestuft wurden. Vermutlich haben wir die zu sehr genervt durch fundierteres Wissen oder rechtliche Erfolge.

Wie rechtfertigt der VS die Überwachung Ihrer MandantInnen?
Weitestgehend gar nicht. Im Fall von Andrea Röpke hat das Amt nach einem Wechsel des Führungspersonals die Rechtswidrigkeit der Datensammlung bereits eingeräumt. Im Fall von Kai Budler, der bereits länger vor den Verwaltungsgerichten anhängig war, wurde versucht, Budler in die Nähe des Linksextremismus zu rücken. Damit hat er (der VS / Anmerkung der Red.) aber vor dem Verwaltungsgericht Göttingen eine krachende Niederlage erlitten. Die Daten müssen nun gelöscht werden, soweit sie uns übermittelt worden sind.

 

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Sie gehen nun im Auftrag Ihrer MandantInnen gerichtlich gegen den Verfassungsschutz vor. Was erhoffen Sie sich davon?
Letztendlich geht es uns vor allem um Aufklärung der Tiefe des Eingriffs durch die Beobachtung. Wir wollen daher vollständige Akteneinsicht und insbesondere wissen, inwieweit der Verfassungsschutz in die journalis­tische Berufsfreiheit eingegriffen hat. Wir geben uns aber jedenfalls nicht dem Glauben hin, durch erfolgreiche Klagen in diesem Bereich derartige Rechtsverstöße durch die Geheimdienste zu verhindern.

Der Verfassungsschutz behauptet, JournalistInnen weder abzuhören noch mit V-Leuten zu bespitzeln. Vertrauen Sie dieser Behauptung?
So lange mir die unmanipulierten Akten nicht vollständig zur Einsicht vorgelegen haben, fällt es mir schwer, dieser Behörde überhaupt noch irgendwas zu glauben.

JournalistInnen und AnwältInnen sind ja eigentlich Berufsgeheimnisträger. Wann dürfen Sie trotzdem durch die Geheimdienste beobachtet werden?
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 17. September 2013 am Fall von Bodo Ramelow dargelegt, dass die Überwachung eines Parlamentariers nur in Betracht kommt, »wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft«. Die gleichen Voraussetzungen dürften auch bei anderen durch die Verfassung besonders geschützten Berufsgruppen gelten. Die Hürden sind für die Geheimdienste durch die Entscheidung des BVerfG jedenfalls höher geworden.

Welche Nachteile entstehen Ihnen und den betroffenen JournalistInnen?
Sowohl JournalistInnen als auch AnwältInnen sind im besonderen Maß auf Vertraulichkeit angewiesen. Das gilt sowohl für den Quellenschutz vor staatlichem Eingriff im Rahmen der Pressefreiheit als selbstverständlich auch für das Verhältnis zwischen MandantIn und AnwältIn. Selbst der verursachte Verdacht einer Überwachung kann potentielle Quellen abschrecken oder Mandatsverhältnisse be- oder verhindern und ist verfassungsrechtlich absolut inakzeptabel.

Der niedersächsische Verfassungsschutz ging im September dieses Jahres mit der brisanten Meldung selbst an die Öffentlichkeit. Finden Sie das nicht ungewöhnlich?
Es war zumindest ein für einen Geheimdienst ungewöhnlicher Schritt, der mit dem Wechsel des Führungspersonals innerhalb der Behörde zu tun gehabt haben könnte. Letztendlich war die Behörde aber auch unter Druck. Ihr war bekannt, dass der Verfassungsschutz unter anderer Führung insbesondere Andrea Röpke über den Fakt der Überwachung angelogen hatte. Denn noch im April 2012 hatte der Verfassungsschutz mir als Röpkes Anwalt mitgeteilt, keinerlei Daten über sie gesammelt oder gespeichert zu haben, obwohl jahrelang personenbezogene Daten von Röpke in der Amtsdatei und in Sachakten vorgehalten wurde. Letztendlich musste die Behördenleitung an die Öffentlichkeit, um nicht mit im Boot zu sitzen, wenn diese Lüge aufgeflogen wäre.

Wie kann man selbst überprüfen, ob man vom Verfassungsschutz beobachtet wird?
Jede/r hat das Recht, Informationen über die eigenen personenbezogenen Daten, die bei Polizeibehörden oder Geheimdiensten gespeichert werden, kostenlos zu erhalten. Es genügt ein formloser Schriftsatz an die Behörden, in dem um entsprechende Auskunft gebeten wird. Das kann jede/r selbst machen. Im Internet finden sich auch einige Seiten, die entsprechende Vorlagen und Musterschriftsätze anbieten. Wenn allerdings das jeweilige Verfassungsschutzamt mit einem so genannten Sperrvermerk antwortet, also die vollständige Auskunft verweigert, sollte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Vielen Dank für das Gespräch.