Untaugliche Mimikry-Versuche

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 188 - März 2021 - online only

#afdVerdachtsfall

Acht Jahre nach ihrer Gründung erklärt nun das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die gesamte »Alternative für Deutschland« zum Verdachtsfall und schafft damit die Möglichkeit für ihre geheimdienstliche Beobachtung. Ändern wird das allerdings wenig.

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@ Mark Mühlhaus / attenzione

Verfangen könnte der »Verdachtsfall AfD« als Damoklesschwert höchstens, wenn die Brücke der Partei zum bürgerlichen Lager brechen würde. Doch für dieses Milieu gab es auch ohne Beobachtung durch den VS schon genügend Anlässe, der AfD den Rücken zu kehren.

Die Einstufung der »Alternative für Deutschland« (AfD) als »Verdachtsfall« durch den Verfassungsschutz (VS) erfolgte auf Ansage – und geriet noch vor der eigentlichen Bekanntgabe der Entscheidung ins Straucheln. Nachdem ein Innenminister bereits verlauten ließ, die gesamte Partei werde als Verdachtsfall eingestuft werden, reagierte die AfD mit Eilklagen. Als Konsequenz musste der Inlandsgeheimdienst ankündigen, wegen des laufenden Verfahrens bis zu einer endgültigen Entscheidung nichts in dieser Sache bekannt zu geben.

Für den Verfassungsschutz zur Erinnerung: Schon vor rund zwei Jahren war die Bezeichnung der AfD als Prüffall gerichtlich für nicht rechtmäßig erklärt worden. Dem Inlandsgeheimdienst dürfte es indes nicht schwergefallen sein, genug »tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung« gesammelt zu haben.

Seit der Gründung der Partei führen investigative Journalist*innen sowie antifaschistische und zivilgesellschaftliche Gruppen öffentlich den Beweis, dass es sich bei der AfD um eine rechtsradikale Partei handelt. Sie begleiten die Häutungen der Partei und decken immer wieder ihre Verstrickungen in die neonazistische und neurechte Szene auf. Der Verfassungsschutz muss sich daher fragen lassen, wie er unter der Führung von Hans-Georg Maaßen mehr als fünf Jahre lang die schützende Hand über die AfD halten konnte. In Berlin wurde dem Landesverband noch im Januar 2021 aus den Reihen des Verfassungsschutzes ein als »Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch« eingestuftes VS-Papier zugespielt. Der Inlandsgeheimdienst hat nicht nur dazu beigetragen, dass die AfD mit ihrem Einzug in das Europäische Parlament sowie den Bundestag und die Landtage enorme personelle und finanzielle Ressourcen bilden konnte. Sie konnte auch Netzwerke mit Gruppen und Initiativen unterschiedlicher extrem rechter Couleur ungestört auf- und ausbauen. Dazu gehört auch das selbst ernannte »Institut für Staatspolitik« (IfS) in Schnellroda, das in seiner »Wissenschaftlichen Reihe« erst 2020 die Partei mit einem Papier gegen die liberale Demokratie munitionieren konnte.

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Mit einer eigenen Arbeitsgruppe bereitete sich die AfD schon länger auf eine mögliche geheimdienstliche Beobachtung vor. Doch im Zuge einer vorgeblich moderaten Haltung wurde Roland Hartwig als Leiter der internen Arbeitsgruppe auf Initiative des Bundesvorsitzenden Meuthen im Dezember 2020 abberufen. Der Geschasste reagierte auf dem extrem rechten Portal »PI News« darauf und schoss zurück: »Ich werde den Eindruck nicht los, dass Prof. Meuthen und seine Unterstützer die Sorge vor einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz dazu nutzen wollen, die Partei nach ihren Vorstellungen umzugestalten.« Bereits 2019 hatte sich Hartwig beim vierten »Staatspolitischen Kongress« des IfS über seine Auffassungen zum VS ausgelassen. Und so kritisiert Benedikt Kaiser in der »Sezession« aus Schnellroda Meuthens »ewige Distanzeritis« und ergänzt: »Nach ihren Vorstellungen heißt übersetzt: habituell angepasst, weltanschaulich entkernt, argumentativ harmlos – was sich als erstaunlich kongruent mit jenen Erwartungen deckt, die Angela Merkel bis Thomas Haldenwang an eine verkraftbare (weil wirkungslose und ungefährliche) »Opposition« stellen würden.«

Zu den verzweifelten Mimikry-Versuchen des Meuthen-Lagers gehört auch die im März 2020 gestartete Kampagne »Gemeinsam für das Grundgesetz«, die von Kaiser als »eminent kostenintensiv (…) mit wenigen hundert Klicks auf YouTube« verspottet wird. Auch das zuletzt präsentierte Papier »zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität« kommt allzu offensichtlich als taktisches Kreidefressen daher. Darin bekennt sich die AfD »vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen«. Überraschend sind hier höchstens die Unterschriften von AfD-Völkischen wie Birgit Bessin, Björn Höcke oder Jörg Urban.

Im Vorfeld der bekannt gewordenen Einstufung als Verdachtsfall kursierten schnell Vergleiche mit der Partei »Die Republikaner«, der die VS-Beobachtung 1992 erheblichen Schaden zugefügt hatte. Doch knapp 30 Jahre später taugt eine solche Analogie nicht mehr. AfD-Wähler*innen wählen die Partei nicht trotz, sondern wegen ihrer rechtsradikalen Programmatik und die damalige Furcht vor Konsequenzen bei Personen im Staatsdienst scheint heute unbegründet, wie ein Blick auf das aufgestellte Personal zu Wahlen in manchen Bundesländern zeigt.

Exemplarisch sei hier auf die Analyse der AfD-Landtagskandidat*innen in Baden-Württemberg hingewiesen, die das »Antifaschistische Dokumentations- und Informationszentrum Baden-Württemberg« veröffentlicht hat.

Und auch die sächsische AfD hat bei ihrer Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl keinerlei taktische Rücksicht genommen: herausgekommen ist eine reine Liste des formal aufgelösten »Flügels«. Verfangen könnte der »Verdachtsfall AfD« als Damoklesschwert höchstens, wenn die Brücke der Partei zum bürgerlichen Lager brechen würde. Doch für dieses Milieu gab es auch ohne Beobachtung durch den VS schon genügend Anlässe, der AfD den Rücken zu kehren.

Die Erfahrung zeigt, dass auf den Inlandsgeheimdienst keinerlei Verlass ist und so bleibt das wichtigste Gegenmittel die Arbeit investigativer Journalist*innen sowie antifaschistischer und zivilgesellschaftlicher Gruppen, Wachsamkeit und klare Kante gegen die AfD.