Sammlungsversuch rechts der Union

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 185 - Juli / August 2020

#WerteUnion

Nach Rücktritten an der Spitze des Thüringer Landesverbandes rumort es in der Werte Union, weil die jüngst aufgenommene Vera Lengsfeld an die Spitze des Thüringer Verbandes strebt. Der verbleibende Teil radikalisiert sich weiter und positioniert sich zwischen CDU und dem formal aufgelösten »Flügel« der »Alternative für Deutschland«.

Antifa Magazin der rechte rand
Ex-Verfassungsschutz Chef Maassen von der #WerteUnion © Kai Budler

Seit ihrer Gründung 2017 versucht die »Werte Union« (WU), die Unions-Parteien deutlich rechtskonservativer zu positionieren (Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182). Nun aber werde sie durch »Krawallmacher« dominiert, die »kein gutes Haar an der CDU ließen« und mit radikalem Kurs gegen die Union nicht an inhaltlichen Veränderungen interessiert seien, erklärten jüngst Christian Sitter, bisher Vorsitzender der Werte Union Thüringen, und seine Stellvertreterin Angela Wanner angesichts des Rücktritts von ihren Ämtern. Der baden-württembergische Landesvorsitzende schloss sich dem an. In »The Germanz«, der »neuen Online-Tageszeitung für Deutschland«, liest sich das allerdings anders: Sitter komme mit seinem Rücktritt ohnehin nur der Abwahl als Thüringer Landesvorsitzender zuvor. Sitter und Wanner werden auf dem Blog als Querulant*innen dargestellt, von denen wiederholt »Querschüsse« gekommen seien. So habe das Duo die Aufnahme von Vera Lengsfeld in die WU verhindern wollen und Wanner habe im Bundesvorstand den Antrag gestellt, die WU solle nicht am »bundesweiten Treffen der bürgerlichen Schwarmintelligenz« Anfang September teilnehmen. Kein Wunder, dass ausgerechnet »The Germanz« das Treffen in Erfurt aufgreift, denn der Blog ist Medienpartner der Veranstaltung, sein Chefredakteur Klaus Kelle ist Mitglied der »Werte Union« und Organisator des »großen bürgerlichen Netzwerktreffens«. Im Interview mit der neurechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF), die ebenfalls Medienpartner ist, fordert er eine Politik, »die sich an erster Stelle an den Interessen Deutschlands orientiert«, für die aber weder CDU noch der inzwischen formal aufgelöste »Flügel« in der »Alternative für Deutschland« (AfD) zu haben seien. Kelle selbst ist Mitglied der CDU, in der er »seit Jahren leide wie ein Hund«, wie er der JF verrät. Die von ihm organisierten »Vollversammlungen der wahren Schwarmintelligenz« sollen Personen vernetzen, die »sich Sorgen um den Kurs, den unser Land in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat« machen. Den aktuellen Zustand müsse »unsere Gesellschaft überwinden, und das möglichst schnell«, so Kelle. Um dafür die theoretischen Grundlagen zu legen, sind bei dem Treffen in Erfurt 15 Referent*innen angekündigt.

Die meiste Popularität genießt wohl Hans Georg Maaßen, Aushängeschild der WU und ehemaliger Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Als Moderatorin für das Panel »Die Familie stärken« wird Hedwig Beverfoerde angekündigt. Sie ist Mitorganisatorin der homo- und transphoben »Demo für alle« in Stuttgart und Gründerin der »Initiative Familienschutz«, die zur »Zivilen Koalition« der AfD-Politikerin Beatrix von Storch gehört. Gute Verbindungen zur AfD unterhält auch der Geschäftsführer des Marktforschungsinstitutes INSA, Hermann Binkert, der auf der Tagung über das Thema »Deutschland – Ein gespaltenes Land” referieren soll. Der ehemalige CDU-Politiker hatte nach Presseangaben 2015 am Firmensitz von INSA in Erfurt mit Landtagsabgeordneten und Mitarbeiter*innen der AfD Thüringen den Verein »Bürgerbündnis für Thüringen« gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern waren neben Binkert, die AfD-Landtagsabgeordneten Corinna Herold, ihr Fraktionskollege Olaf Kießling, die Pressesprecherin der AfD-Landtagsfraktion und ein Assistent von Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke.

In Erfurt soll Thomas Dörflinger im September das Panel »Den Rechtsstaat durchsetzen« moderieren. Als Gebietsrepräsentant in Süddeutschland, der Schweiz und Österreich ist er auch für INSA tätig, Dörflinger schreibt auch für Kelles »The Germanz«. Einer der Teilnehmer dieses Panels ist Manuel Ostermann, stellvertretender Bundesvorsitzender der »Deutschen Polizeigewerkschaft« (DPolG), die sich mit ihrem Vorsitzenden Rainer Wendt im öffentlichen Diskurs immer stärker zu einem Scharnier zwischen konservativen und rechten Milieus entwickelt (Magazin “der rechte rand” Ausgabe 171). Auch Ostermann schreibt für »The Germanz« und wollte mit Kelle und Peter Weber aus Nürnberg im September 2019 eine »neue Interessensvertretung Bürgerforum« gründen, die als Bürgerforum mit dem Namen »Hallo Meinung« als gemeinnützige GmbH entstand. Als bezahlter Redaktionsleiter fungierte Klaus Kelle, der jedoch Ende Juni 2020 gekündigt wurde.

Bei einer solchen Veranstaltung darf Markus Krall, der auch bei der AfD Sachsen ein gern gesehener Redner ist, mit einem Vortrag nicht fehlen. Der Befürworter einer »bürgerlichen Revolution« spricht sich dafür aus, Empfänger*innen von Transferleistungen das Wahlrecht zu entziehen, um die Interessen der Steuer- und Beitragszahler*innen in Deutschland zu stärken. Außerdem schlägt er einen auf Lebenszeit gewählten »König« (»Wahlkönig«) vor, der mit einem Vetorecht in »grundsätzlichen Fragen« ausgestattet sein soll. Wegen seiner Position an der Spitze der »Degussa Goldhandel GmbH« von August von Finck ist es kein Wunder, dass das Unternehmen zu den Sponsoren des Treffens in Erfurt gehört (s. »Die AfD und das liebe Gold: Millionen stehen hinter ihr«, AntifaMagazin »der rechte rand« 185).

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Der zweite Tag des Treffens in Erfurt soll mit einem Gottesdienst beginnen, gefolgt vom knapp dreistündigen Podium »30 Jahre Deutsche Einheit«, das Klaus Kelle mit dem Chefredakteur der neurechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« moderiert, von Kelle als »der unvergleichliche Dieter Stein« bezeichnet. Auf dem Podium werden dann neben dem offenbar obligatorischen Maaßen auch Simone Baum sitzen. Baum ist stellvertretende Bundesvorsitzende der »Werte Union« und Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen, dem eine »offensichtliche Nähe” zur AfD bescheinigt wird. Mit von der Partie soll auch noch Holger Thuss sein. Das CDU-Mitglied ist Präsident und Gründer des 2007 gegründeten Vereins »Europäisches Institut für Klima & Energie« (EIKE), der wichtigsten Institution der deutschen Klimawandel-Skeptiker*innen. Thuss ist auch Landesvorsitzender der »Paneuropa-Union Thüringen« und Autor des konservativ-libertären Magazins »eigentümlich frei«, das auch auf der Liste der Medienpartner des Treffens in Erfurt steht (Magazin »der rechte rand« Ausgabe 164).

 

Bei dieser Mischung aus Verschwörungstheorien, Klimawandelskepsis, Antifeminismus sowie Positionen der »Neuen Rechten« und der AfD wird die als »großes Netzwerktreffen der Bürgerlichen« angekündigte Tagung zu einer Sammlungsveranstaltung eines Milieus rechts von der CDU, das vor allem die AfD stärkt. Das dürfte Vera Lengsfeld gefallen, die bereits als Teilnehmerin angemeldet ist, nach Medienangaben vor kurzem als Mitglied der WU aufgenommen wurde und in den Landesvorstand Thüringen einziehen wolle. Mit ihrem Projekt »Der Wahlhelfer« hatte sie bereits vor der letzten Landtagswahl in Thüringen versucht, die Brücke für eine schwarz-blaue Koalition zwischen CDU und eine AfD in Thüringen zu bauen.

Auf ihrem Blog legt Lengsfeld Wert darauf, die »schärfste Kritikerin« des AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke zu sein und auch im »Wahlhelfer« wurde gefordert, Höcke solle für eine Koalition den Weg freimachen und zum Beispiel »eine Verzichtserklärung auf jegliche Funktionen in einer Landesregierung im Fall einer schwarz-blauen Koalition« unterzeichnen. Doch das widerspricht nicht dem Verständnis der AfD als »konservativ bürgerliche Kraft«, in dem sie sich mit der Positionierung der »Jungen Freiheit« trifft. Deren Chefredakteur Dieter Stein hatte erst im Juli das Jahr 2020 zum »Schicksalsjahr« der AfD erklärt. Sie müsste die Frage klären: »Gelingt es der Partei, eine klare Brandmauer nach Rechtsaußen durchzusetzen, sich auch von einigen Leuten, die das nicht verstehen, zu trennen.« Denn die Chance für eine Partei rechts der Union sei noch nie so groß gewesen. Dies ist offenbar auch der Traum des Milieus, das sich im September in Erfurt versammelt – oder wie es Kelle bei »The Germanz« ausdrückt: »Mit dem aktuellen politischen Gewitter beginnt der Klärungsprozess um die Zukunft der Werte Union erst.« Angesichts des Personals stellt sich dabei nicht die Frage, in welche Richtung diese Zukunft weist.