Gauland – Sorgen und Selbstbild

von Andreas Speit
Magazin »der rechte rand« August 2020 - online only

#Gauland

 

Antifa Magazin der rechte rand
Kalbitz und Gauland © Roland Geisheimer / attenzione

Entgegen seiner Inszenierung als Vermittler zwischen den Strömungen in der »Alternative für Deutschland« hat ihr Ehrenvorsitzender stets den völkischen »Flügel« und seine Akteur*innen protegiert. Mit der Causa Kalbitz hat er nun seine parteiinterne Rolle verspielt.

Antifa Magazin der rechte rand

Der alte Mann und die junge Partei: Seit Bestehen der »Alternative für Deutschland« (AfD) war Alexander Gauland parteiintern der gelassene Vermittler zwischen den Parteiströmungen – der »Grandseigneur« des »gärigen Haufens« : Eine Selbstinszenierung und Selbstbezeichnung, die nicht bloß die Partei pflegte. Bei den anhaltenden Streitereien und Richtungskämpfen scheint dem Bundestagsfraktionsvorsitzenden und Ehrenvorsitzenden der AfD nun aber nicht nur die Gelassenheit abhanden gekommen zu sein. Er räumt vielmehr ein: »Ich kann die Partei nicht zusammenhalten, wenn sie sich auf diese Weise auseinanderdividiert.« Am Wochenende hatte Gauland in der »Welt am Sonntag« im Interview weiter gesagt, er hoffe, aus dem Streit um und zwischen Andreas Kalbitz und Jörg Meuthen werde nicht der »Zerfall der Partei«. Das AfD-Gründungsmitglied nach fast 40 Jahren CDU-Mitgliedschaft befürchtet nun , dass die »Partei schwierigen Zeiten entgegengeht, und ich sehe im Moment kaum Möglichkeiten, sie davor zu bewahren«. Eines sei aber für ihn gewiss, der 79-Jährige möchte nicht mehr als Bundestagsfraktionsvorsitzender antreten, ob er für den Bundestag 2021 erneut kandidieren will, möchte er im Winter entscheiden. »Wenn ich das hier so sehe, bin ich eher skeptisch«, meinte er . Mit den Interviewaussagen sorgte Gauland am Wochenende für ein großes Medienecho – was seiner Partei lange nicht mehr gelungen war. Im Echo klang das Selbstbild des Ausgleichenden oft mit an. Doch Gauland war nie ein Vermittler zwischen den vermeintlich Moderaten und den offen Radikalen in der Partei. Er war ein Förderer von Kalbitz und ein Unterstützer des inzwischen formell organisatorisch aufgelösten »Flügels«. Den Bundesvorsitzenden Meuthen warnte er mehrfach, den brandenburgischen Landtagsfraktionschef Kalbitz nicht wegen seiner rechtsextremen Vita aus der AfD zu drängen. Und prompt kritisierte er die Bestätigung des Rauswurfs von Kalbitz vor einer Woche durch das Bundesschiedsgericht der Partei. Er zweifelte die Unabhängigkeit des Parteigerichts an und hob hervor, er werde sich »einzig und allein nach den Entscheidungen und Urteilen der ordentlichen Gerichtsbarkeit richten«. Diese Einschätzung hat er mit Kalbitz gemein. Mal wieder sind sie einer Meinung. Denn Kalbitz kämpft beim Berliner Landgericht auf zivilrechtlichem Weg um die Aufhebung der Annullierung. Der Konflikt hat längst die Bundestagsfraktion erreicht, Macht und Glanz ihres Vorsitzenden sind gesunken. Im Interview erweckt Gauland den Eindruck, er habe unentwegt versucht zu vermitteln. Hat er aber nicht. In der Causa Kalbitz stand er immer für Kalbitz ein. Wenn er heute beklagt, er könne nicht mehr vermitteln, liegt es daran, dass er es vorher auch nicht getan hat. Die Verantwortung für den harten Konflikt sieht er aber nur bei Meuthen und stiehlt sich damit aus jeglicher Verantwortung. Mit Kalbitz hat Gauland seine parteiinterne Rolle verspielt, in der AfD wird er nun zum Ex-»Flügel« gezählt. Diese Positionierung wäre es wert, von den Medien endlich breit wahrgenommen zu werden – und eine Talkrundeneinladung weniger an den vermeintlichen »Grandseigneur« mit angeblich konservativen Ansichten auszusprechen.

 

ABO
Das Antifa Magazin

alle zwei Monate
nach Hause
oder ins Büro.

 

Das »Gären des Haufens« ist jedoch nicht allein der Grund, dass die Umfragewerte gesunken sind. Mehrere Faktoren ließen sie aktuell auf bundesweit acht Prozent sinken. Fast vergessen: Bereits im Sommer 2015 lag die AfD gar unter der Fünf-Prozent-Marke. Erst die Krise der Flüchtlingspolitik brachte wieder den Zuspruch, den die CSU verstärkte, da sie die Kritik von rechts an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit befeuerte. Mit der jetzt geschlossenen Union, die in ihrem Rahmen hart gegen die AfD auftritt, verliert die Partei Wähler*innen und findet zurzeit auch kein eigenes Mobilisierungsthema, denn den breiten Protest gegen die Pandemiemaßnahmen konnte sie bisher nicht parteipolitisch einbinden. Dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die seit Jahren durch Medien, Rechtsextremismusforschung und Zivilgesellschaft bekannten Vernetzungen und Positionen in der AfD wahrgenommen hat, schreckt auch ab. Einen Gauland allerdings sicher nicht . Er könnte auch einfach müde vom Politikbetrieb sein, falls er nicht mehr kandidiert. Seinen größten Erfolg hat er ohnehin schon erreicht, die Republik hat er nach weit rechts getrieben, was er über fast vier Jahrzehnte mit der CDU nicht geschafft hatte.

https://twitter.com/derrechterand