Mutter, Kampfgefährtin, Aktivistin

von Verena Grün und Nora Hinze
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020

#rechteFrauenbilder

antifa Magazin der rechte rand
Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf 2012
© Mark Mühlhaus / attenzione

»Entgegen aktueller wissenschaftlicher und empirischer Forschung und Erkenntnisse reproduzieren Medien und Behörden in ihren Berichten noch viel zu häufig Frauenbilder, die extrem rechte Akteurinnen, wenn überhaupt, als Mitläuferinnen, Freundinnen, Ehefrauen, harmlos, unpolitisch und unbedeutend darstellen«, schrieb das »Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus« in einem offenen Brief anlässlich des Prozessbeginns gegen Beate Zschäpe und andere im April 2013. Inzwischen sind extrem rechte Frauen, dank feministischer Interventionen, verstärkt Gegenstand antifaschistischer Recherche und Analyse. Denn schon lange greift dieses einseitig passive Bild zu kurz. Die Selbstbilder und das Auftreten von Frauen in extrem rechten Kontexten haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt und ausdifferenziert, ebenso wie ihre Möglichkeiten in diesen Kontexten selbst. Neben Frauen, die das »traditionelle« Bild, zuständig für Haushalt und Familie und nicht für Politik und Kampf, erfüllen, treten auch selbstbewusste und kämpferische Frauen in Erscheinung, und das nicht erst seit die »Identitäre Bewegung« (IB) die politische Bühne betrat. Doch spätestens mit deren medial inszenierten Auftritten ist von einer Modernisierung extrem rechter Frauenbilder die Rede. Diese Botschaft sollen die identitären Aktivistinnen senden, doch im Kern bleibt das patriarchale Geschlechterverhältnis und die den Frauen zugedachte Rolle in der extremen Rechten vorgegeben, trotz diverser Entwicklungen an der Oberfläche.

Identitäre Frauen: modern, tough und sexy?
»Bei uns ist für alle etwas dabei.« Diesen Eindruck vermitteln die »Identitären«, wenn sich verschiedene Frauenbilder der »Bewegung« in Szene setzen. Indem sie plurale weibliche Lebensentwürfe präsentieren, zielen sie darauf ab, Frauen, auch moderne, als »politische Kraft« zu gewinnen. Die medienaffinen »identitären« Frauen präsentieren sich bevorzugt auf Instagram als selbstbewusste Persönlichkeiten mit politischer Botschaft. Neben den Aktivistinnen mit Piercing, Tattoo und sexy Pose, finden sich ebenso jene mit Haarkranz und Kleid. Und neben feministisch anmutenden Auftritten mancher »identitärer« Frauen, reden zur gleichen Zeit Kameradinnen mit antifeministischen Argumenten der eigenen Unterdrückung das Wort. So sieht die »Identitäre« Annika Stahn Frauen in der Politik kritisch, da sie zu emotional seien. Stattdessen rät sie, sich auf die eigene spezifisch weibliche Macht zu besinnen: die Macht, die ihnen durch die Beeinflussung von Männern zukommt, sei es in der Kindererziehung oder im »Bezirzen« der Ehemänner oder Väter. Bei allen Unterschieden im Auftreten sind sich die Aktivistinnen nicht nur in ihrem Stolz auf die eigene und eindeutige Weiblichkeit und die dazugehörigen »natürlichen« Eigenschaften einig, sondern auch im positiven Bezug auf die Mutterrolle.

In ihrem Einsatz für »Frauenrechte« verortet die IB sexualisierte Gewalt allein bei den »Anderen/Fremden« und übernimmt damit, was rechte Frauen in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Gruppen bereits formulierten. Zwar traten in der Kampagne »120db« »identitäre« Aktivistinnen selbstbewusst in Erscheinung, thematisiert wurden Frauen jedoch vordergründig als zu beschützende Wesen. Letztlich werden die alten patriarchalen Geschlechterrollen der extremen Rechten als sexy und neu verkauft, teils sogar mit einem feministischen Anstrich versehen. Dass das Bild der selbstbestimmt handelnden Frau offenbar nur oberflächlich lebbar ist und an Grenzen der männlichen Dominanz stößt, verdeutlicht das Ende der vermeintlichen Frauen-Kampagne. Daniel Fiß, ehemaliger Co-Leiter der IB in Deutschland, stampfte sie Anfang 2019 ein (s. Seite 16/17).
Die »Identitären« stehen für nichts revolutionär Neues, wenn sie Frauen in Szene setzen oder identitäre Aktivistinnen sich als kämpferisch und modern inszenieren. Sie vereinen verschiedene lebbare Frauenbilder, die sich in den vergangenen Jahren, in unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb einer sich ausdifferenzierenden Szene bereits gezeigt haben.

Alte neue Frauenbilder
Es ist die Frau im langen Rock und mit Zöpfen, die wirkt, als sei sie gerade einem »Heimatfilm« oder direkt nationalsozialistischer Propaganda entstiegen, die als Klischeebild dient. In Kreisen völkischer Siedler*innen und ähnlichen Milieus treten Frauen tatsächlich so in Erscheinung und leben häufig eine Frauenrolle, die ebenso aus der Zeit gefallen scheint. Sie zelebrieren eine »traditionelle« geschlechtliche Aufgabenteilung; die Frau sieht sich klar der häuslichen Sphäre zugeordnet, zuständig für Haushalt und Familie. Entpolitisiert werden darf dieses Frauenbild aber keineswegs. Auch die Mutterrolle gilt – ganz im Sinne der NS-Volksgemeinschaft – als eine des Kampfes. Ihr Kampf an der »Geburtenfront« ist einer um den Erhalt des »deutschen Volkes«.

Auf den ersten Blick geradezu gegensätzlich wirkt das Bild der Renees. Mit ihrer Erscheinung – kurz geschorene Haare, Piercings, Tattoos, körperbetonte Kleidung – bilden sie den weiblichen Teil der Skinhead-Szene. In dem neonazistischen Teil dieser Subkultur treten die rechten Aktivistinnen als Saufkumpanin, aber auch als Kampfgefährtin männlicher Kameraden auf. Damit einher geht die Forderung einiger Renees aktiv an gewaltsamen Auseinandersetzungen teilnehmen zu dürfen. Dass dies der Rolle als Mutter keineswegs entgegensteht, lässt sich an der Entwicklung des »Skingirl Freundeskreis Deutschland« nachvollziehen. Aus diesem entstand die »Gemeinschaft Deutscher Frauen« (GDF), lange eine wichtige Frauenorganisation der extremen Rechten, die sich vor allem den Themen Mutterschaft und Erziehung widmete.

Straßenkämpferin und Kümmerin
Das Einfordern gleichberechtigter Teilhabe am Straßenkampf und auch die Kritik an sexualisierter Gewalt in der Szene vonseiten mancher Skingirls, können als antisexistisch gelesen werden. Noch weiter in der Verhandlung der Frauenbilder in der extremen Rechten gingen im Jahr 2007 Mitglieder des »Mädelring Thüringen«, als sie einen »nationalen Feminismus« forderten und sich »gegen das Patriar­
chat und politische Unmündigkeit« positionierten: »Wir wollen natürlich nicht den Fehler machen, ein Frauenbild zu schaffen, das sich von seiner naturgegebenen Aufgabe – dem Mutterdasein loslöst. Aber im Gegenzug wollen wir eine übertriebene Stilisierung der Mutterrolle vermeiden. […] Genauso sind wir Frauen eigenständige Individuen, die sich durch selbständiges Handeln auszeichnen und nicht wie fälschlicherweise noch heute zu oft im nationalen Widerstand behauptet über die Mutterrolle. […] Nationaler Feminismus voran!«

Diese Forderung sorgte für harsche Kritik innerhalb der Szene. Wenige Jahre später löste sich der »Mädelring Thüringen« auf und ging zum Teil in der Kampagne »Free Gender« auf, die sich für die Wiederherstellung eindeutiger Geschlechterrollen einsetzte. Trotz der weitestgehend ablehnenden Haltung gegenüber der Idee eines »Nationalen Feminismus«, ist nicht zu leugnen, dass sich feministisch erkämpfte Freiheiten auch im Denken und Handeln rechter Frauen niederschlagen.

Begrenzte Emanzipation
In der NPD ebenso wie in »Freien Kameradschaften« wurden Frauenbilder verhandelt und teils modernisiert. Mit dem Aufkommen der »Autonomen Nationalisten« erfuhr diese Entwicklung innerhalb der »Kameradschaften« einen Schub. Wie ihre männlichen Kameraden auch, wollten die Aktivistinnen Straßenkämpferinnen sein. Doch der radikale Gestus der »Autonomen Nationalisten« beinhaltete keineswegs das Überbordwerfen der rigiden Geschlechterbilder. Zwar wurde Frauen durchaus eine aktive Phase auf der Straße zugestanden, irgendwann jedoch wurde sie an ihre Aufgabe Mutter zu werden erinnert.

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Gleichwertig, aber nicht gleichartig, so formulierte nicht nur die NPD das Verhältnis von Männern und Frauen. Einerseits setzten sich Frauen hier tatsächlich für Emanzipation, zumindest nach ihrem Verständnis, ein, andererseits entdeckten die Männer Frauen als wichtige Ressource: Wird ihnen extrem rechte Ideologie und Einbindung weniger zugetraut, können sie leichter Kontakte außerhalb der Szene knüpfen und mit ihrem Engagement in Kindergarten, Elternvertretung oder Verein zur Normalisierung der extremen Rechten beitragen. Gerade die NPD erhoffte sich so mehr Wähler*innenstimmen. Der 2006 als NPD-Unterorganisation gegründete »Ring Nationaler Frauen« (RNF) sollte gezielt Frauen ansprechen, unterstützen und für politische Arbeit und Ämter schulen. Die Mitinitiatorin Gitta Schüßler, einziges weibliches Mitglied der sächsischen Landtagsfraktion über zwei Legislaturperioden (2004 bis 2014) und für Themen wie Familie und Soziales zuständig, war Bundessprecherin des RNF – bis zu einem Misstrauensantrag 2009: Ihr wurden »persönliche feministische Ansichten« vorgeworfen, weil sie kritisierte, dass einzelne zur Kommunalwahl in Mecklenburg-Vorpommern gewählte NPDlerinnen auf ihr Mandat zugunsten nachrückender Männer verzichteten.

Frauen sind heute in allen Bereichen der extremen Rechten präsent. Sie sind Aktivistinnen, Kampfgefährtinnen und Kümmerinnen, in Parteien, Kameradschaften, Kampagnen und der völkischen Siedlung. Sie demonstrieren, schreiben und propagieren. Sie übernehmen aktive Aufgaben, auch Führungspositionen, jedoch nur auf Zeit. Spätestens mit der Mutterschaft geht häufig der Rückzug von Straße und aktiver Politik einher, denn in der extremen Rechten bleibt das Geschlechterverhältnis und die darin für Frauen festgelegte Rolle unangetastet.