Desaströse Fraktion, illegale Finanzierung

von Andreas Speit
Magazin »der rechte rand« Juli 2020 - online only

#Machtkampf

Die AfD fechtet interne Konflikte aus – ihre gesellschaftliche Themensetzung bleibt aktuell unbeachtet.

Antifa Magazin der rechte dand
Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, Bernd Baumann, stellv. Fraktionsvorsitzender und Alexander Gauland © Christian Ditsch

Ein interner per Mail versandter Brief eines nicht öffentlich benannten AfD-Bundesabgeordneten hat eine klare Botschaft: Die AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland würden nicht führen, die Bundesfraktionssitzungen seien »desaströs«“ und eine Themensetzung finde nicht statt. »Das einstige Aushängeschild der AfD, nämlich unsere Bundestagsfraktion, verblasst in ungekannter Schnelligkeit«, betont der Autor und hebt weiter hervor: »Wir haben keine Antworten auf die politischen Fragen unserer Zeit. Oder sind unfähig, sie zu platzieren.«

In den vergangenen Monaten gelang es weder der Bundestagsfraktion noch der Partei in Gänze, eigene Themen zu setzen, die medialen Widerhall fanden. Die gesamte AfD fiel vor allem durch interne Konflikte und Probleme auf. Die ihr nahestehenden Medien haben zudem Parteiinterna über Soziale Medien verbreitet. In dem erwähnten Brandbrief an die Fraktionsvorsitzenden, der dem ARD-Hauptstadtstudio seit Anfang Juli vorliegt, berichtet der Autor zudem von fragwürdigen Umgangsformen, von »Dazwischenquaken, Nachbargesprächen, Herausgehen vor Abstimmungen, Herumlümmeln im Raum – und auch von halblauten, giftigen Zwischenbemerkungen« im Rahmen der Fraktionssitzungen. Den Sitzungen fehle es an Führung, sie seien zu lang, die Redezeiten würden nicht eingehalten und wesentliche Punkte nicht abgestimmt. »Ich sehe keine Führung, keinen roten Faden für unsere Arbeit«, so der Autor weiter. Neben Weidel und Gauland macht er den Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, als zentralen Verantwortlichen aus: »Insbesondere versagen SIE als sogenannte Führungskräfte. Und das in vollem Umfang.«

Ende des Burgfriedens
Mit diesem Brief ist der Burgfrieden in der Bundestagsfraktion wohl vorbei. Hinter geschlossenen Türen murrte und knurrte es schon länger bei den 89 Mitgliedern. Die ARD-Hauptstadtjournalist*innen fragten bei diesen in der Fraktion nach. Der Grundtenor der Antworten: die Kritik des Schreibens sei mehr als angebracht.

Nicht anders sieht es in der Gesamtparteiaus mit dem anhaltenden Machtkampf zwischen Bundessprecher Jörg Meuthen und dem Brandenburger Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz . Ob Kalbitz nun raus ist oder doch wieder rein darf, trotz seiner Kontakte in die Neonazi-Szene, diese Frage ist noch immer nicht endgültig geklärt. Das Landgericht Berlin entschied, Kalbitz solle bis zur Hauptsache-Entscheidung wieder seine vollen Parteirechte erhalten . Dem widersprach das Schiedsgericht der Partei in einem Eilverfahren: Kalbitz müsse die Partei bis zur Hauptverhandlung wieder verlassen – ein Patt, das die AfD sehr belastet. Die Bundestagsfraktion stört dieser Konflikt besonders, da die Bundestagsfraktionsführung selbst sich nicht geschlossen an den Bundesvorstandsbeschluss des Rauswurfes hält. Im Bundesvorstand stimmte der zweite Bundessprecher und stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende, Tino Chrupalla, mit Weidel gegen den Rauswurf von Kalbitz. Auch Gauland sprach sich öffentlich gegen die Entscheidung aus. In der Fraktion hieß es nun, dieses Vorgehen »sei unkollegial«. Wer unterliege, müsse Mehrheitsbeschlüsse respektieren, so die ARD-Hauptstadtjournalist*innen.

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Unzulässige Parteispenden belasten Meuthen
In Suhl trafen nach dem Entscheidungshin und -her um den Ausschluss erstmals Meuthen und Kalbitz bei einer Bundesvorstandssitzung – trotz der Entscheidung des Bundesparteischiedgerichts – aufeinander. Über die Stimmung bei der Sitzung, wenige Tage vor der Veröffentlichung des Briefes, wurde bisher nichts bekannt. Im Vorstand musste Meuthen aber nicht bloß die Anwesenheit von Kalbitz ertragen. Vielmehr sah er sich gezwungen, eine weitere Niederlage einzuräumen. Der Vorstand entschied, die Partei werde nicht länger gegen eine von der Bundestagsverwaltung verhängte Strafzahlung in Höhe von rund 270.000 Euro juristisch vorgehen. In dem Streit geht es um die Unterstützung von Meuthens Landtagswahlkampf im Jahr 2016 durch die Schweizer Werbeagentur Goal AG. Auch der AfD-Europaabgeordnete Guido Reil wurde von der AG unterstützt. Beide erhielten kostenlos Werbematerialien, wie Plakate, Flyer und Anzeigen. Bei Meuthen ging es um einen Wert von 89.800 Euro; bei Reil um 44.500 Euro. Die Bundestagsverwaltung wertete die Hilfen als unzulässige Parteispenden und setzte Strafzahlungen in Höhe von 269.400 und 133.500 Euro fest. Acht Vorstandsmitglieder stimmten für den Beschluss, drei dagegen, zwei enthielten sich. »Dieser Schritt fällt uns nicht leicht, denn wir akzeptieren damit eine Strafzahlung der Bundestagsverwaltung, von deren Unrechtmäßigkeit wir alle zutiefst überzeugt sind«, erklärte Meuthen und führte aus: »Aber manchmal sind Recht haben und Recht bekommen eben einfach zwei unterschiedliche Dinge, wer hätte das noch nicht erlebt.« Von Einsicht oder Reue offenbar keine Spur. Meuthen hofft nun, dass der Parteispendenskandal nicht das Wahljahr 2021 belasten wird. Parteiintern könnte die Rechnung aber noch folgen. Viel Geld hat der Bundessprecher damit die Partei gekostet. Die Entscheidung zu zahlen, wird das Spektrum um Kalbitz sicherlich Meuthen künftig vorhalten. Kalbitz kritisierte bereits die Entscheidung gegen ein Berufungsverfahren, denn es »wäre der bessere Weg gewesen, um Klarheit zu schaffen«.

Und so bringt der Brief an die Bundestagsfraktionsspitze die Situation in der AfD auf den Punkt: »Wenn Sie in der Lage und Willens wären, den Blick auf die Mitglieder und Wähler zu richten, AUF DIE REALE SITUATION ‚DRAUSSEN‘ IM LANDE [Großschreibung im Original], würden Sie feststellen, dass wir keine Alternative(n) bieten.« Die Parteifreunde warnend betont der Autor: »Und ich ‘warte’ nur auf den Moment, wo uns Altparteien und Medien dann final entlarvt haben werden.«

Im kommenden Jahr ist Bundestagswahl. Die Selbstentlarvung der »Falschen Propheten« (Leo Löwenthal) bedingt allein nicht deren Wahlerfolg.