Von Spaltern und der »Verzwergung«

von Kai Budler
Magazin »der rechte rand« Juni 2020 - online only

#Spaltung

Inmitten der gesunkenen Umfragewerte tobt nun ein Machtkampf in der Alternative für Deutschland (AfD), der das Zeug haben könnte, die Partei zu spalten. Der Rauswurf von Andreas Kalbitz ist dafür nur der Katalysator. Ein möglicher Sonderparteitag soll nun die Machtfrage klären.

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Meuthen, mit der Ex-Partei-Chefin Petry © Roland Geisheimer / attenzione

»Die sieben Spalter des Vorstandes«
Auf Druck von Parteichef Jörg Meuthen hatte der Bundesvorstand mit knapper Mehrheit die Parteimitgliedschaft des Landesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden der Brandenburger AfD, Andreas Kalbitz, annulliert. Das Blatt »Compact« listet genüsslich die Namen der Vorstandsmitglieder auf, die für den Rauswurf von Kalbitz gestimmt hatten: Jörg Meuthen, Beatrix von Storch, Joachim Kuhs, Joachim Paul, Jochen Haug, Sylvia Limmer und Alexander Wolf seien die »sieben Spalter des Vorstandes«, die zur »Verzwergung der Partei« beitragen würden, weil sie bereitwillig das Spiel der Massenmedien oder des Verfassungsschutzes betrieben.

Der öffentlichlichkeitswirksame Ausschluss heizt die innerparteiliche Schlammschlacht erneut an. Ihr Ausgang ist bislang ungewiss, auch wenn Meuthen nicht müde wird zu betonen, er wisse die Mehrheit in der AfD hinter sich. Kalbitz hat inzwischen das Bundesschiedsgericht der Partei angerufen und angekündigt, alle möglichen juristischen Wege zu beschreiten. 

Sonderparteitag soll Machtfrage klären
Der Thüringer Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, der als Bundesvize gegen den Rauswurf stimmte, droht unverhohlen in Richtung von Meuthen und der Bundesvorstandsmitglieder, die mit ihm stimmten: »Jeder, der einen juristisch so grob fahrlässigen Antrag unterstützt, muss im Fall einer Niederlage vor Gericht Konsequenzen ziehen und vor einem Bundesparteitag Rede und Antwort stehen.« Einen solchen Parteitag fordert die Brandenburger Landtagsfraktion der AfD, die mit einer Satzungsänderung Kalbitz weiterhin den Vorsitz ermöglicht. Um den Machtkampf zu klären, sollen auf einem Sonderparteitag einzelne Mitglieder der AfD-Bundesführung ab- und neu gewählt werden. Einen solchen Parteitag begrüßen laut einer Umfrage knapp zwei Drittel der Anhänger*innen. Zur Klärung der Frage, wie eine solche Veranstaltung ablaufen könnte, soll ein im August 2019 gestarteter Mitgliederentscheid beitragen. Er soll entscheiden, ob noch in diesem Jahr ein Mitgliederparteitag anstatt eines Delegiertenparteitags durchgeführt werden soll. Initiiert wurde dies von dem bayrischen AfD-Bundestagsabgeordneten Hansjörg Müller, der zu den Erstunterzeichner*innen der »Erfurter Resolution« gehört und aktuell von »großer Unzufriedenheit mit unseren Führungsorganen« spricht. Mit einem Blick auf die AfD-Mitgliedsparteitage dürfte der Bundesspitze schon heute Angst und Bange werden, denn auch wenn das völkische Netzwerk »Der Flügel« formal aufgelöst wurde, wissen dessen Mitglieder, zu solchen Veranstaltungen Mehrheiten zu organisieren und eigene Entscheidungen durchzudrücken.

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Die symbolische Abgrenzung vom »Flügel«
Der angegriffene Bundesvorsitzende Meuthen zeigt sich reumütig und erklärt unter Krokodilstränen, er habe sich im Umgang mit dem »Flügel« geirrt und einen Fehler gemacht. Er habe anfangs deren führenden Köpfen geglaubt, dass sie als informelle Gruppierung einfach nur dazugehören wollten, während maßgebliche Akteure schrittweise die Partei übernehmen wollten. Angesichts der öffentlichen Erkenntnisse über das »Flügel«-Netzwerk hat Meuthens Gejammere lediglich Symbolwert und zeigt vielmehr, dass Kalbitz nur ein Bauernopfer war, nachdem antifaschistische Recherchen seine extrem rechte Vita bekannt machten und die Öffentlichkeit zu einer Reaktion drängten. In seinem Bestreben, die verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei zusammenzuhalten, besuchte Meuthen mehrmals das »Kyffhäuser«-Treffen des »Flügels« und nannte dessen Netzwerk einen »integralen Bestandteil der Partei«.

Die Fußstapfen von Lucke und Petry
Mit seiner symbolischen Entscheidung, Kalbitz aus der AfD zu werfen, wird der Bundesvorsitz für Meuthen zu einem Ritt auf stürmischer See, den sein Vorgänger Alexander Gauland stets zu vermeiden wusste. Nicht umsonst sprach der jetzige Ehrenvorsitzende in der Causa Kalbitz öffentlich von einem »gefährlichen und falschen Ergebnis«. Der Thüringer Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzende Björn Höcke, der Kalbitz erwartungsgemäß Rückendeckung gibt, konstatierte, »dass der bisherige Bundessprecher nicht mehr in der Lage oder Willens ist, die AfD in ihrer Gesamtheit zu vertreten«. Er erinnerte an die ehemaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry: »Bisher ist in der AfD jeder Vorsitzende, der über die Partei in Gutsherrenmanier verfügen wollte, grandios gescheitert.«

Eigentlich wollte die AfD in einem Jahr ohne bedeutsame Wahlen Grundsätzliches wie ihre Stellung zur sozialen Frage klären, bevor die Partei in das »Superwahljahr« 2021 eintritt. Doch nun erlebt sie erneut eine Renaissance als »gäriger Haufen« – unabhängig davon, wie der Rechtsstreit um Kalbitz ausgeht. Als Sammlungspartei der Strömungen rechts von der CDU könnte sie implodieren und ihren Charakter als »Versuchslabor« verlieren, in dem strömungsübergreifende Bündnisse geschmiedet werden. Und so könnte ein Sonderparteitag der AfD – anders als bei Luckes Abwahl 2015 – das Ende ihrer Erfolge bedeuten.