Landesvorsitz im Wechsel

von Alex Wißmann
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020 - online only

#Rheinland-Pfalz

Der AfD-Landesverband Rheinland-Pfalz (RLP) betonte im April die Einheit der Partei als Reaktion auf Jörg Meuthens Spaltungsgedanken. Auch gegenüber dem »Flügel« gäbe es »keine unüberwindbaren Gräben«.

Der ehemalige Landesvorsitzende Uwe Junge machte keinen Hehl aus seiner Gegnerschaft zum »Flügel«. In seiner Abschiedsrede aus dem Landesvorstand, Mitte November 2019, sagte er: »Wir dürfen nicht nur sagen, dass wir bürgerlich-konservative Patrioten sind. Wir müssen es auch in Haltung, Benehmen und Auftreten zeigen.« Auf eine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz verzichtete Junge, da er sich beim Bundesparteitag am 1. Dezember 2019 in den Bundesvorstand wählen lassen wollte. Da dieses Vorhaben jedoch scheiterte, kündigte er an, sich auf seine Rolle als Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz zu konzentrieren. Im März diesen Jahres, stellte er sich in der Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Partei auf die Seite von Jörg Meuthen. Überraschend kam dann seine Ankündigung bereits einen Monat später, »nach reiflicher Überlegung« nicht wieder zur Landtagswahl im März 2021 anzutreten und sich nach der Legislaturperiode aus der Politik zurückzuziehen. Sein Nachfolger, Michael Frisch, gibt sich öffentlich ebenfalls bürgerlich-konservativ und sieht so auch die Ausrichtung des Landesverbands. Die pfälzische Medienlandschaft tat sich zunächst schwer, Frisch einzuordnen: »Kein Haudrauf« charakterisierte ihn beispielsweise der Südwestdeutsche Rundfunk. Doch es gibt gute Gründe, an der Fassade des familienpolitischen Sprechers der Landtagsfraktion zu zweifeln. Frisch war bis 2017 Vorsitzender des christlich-fundamentalistischen »Trierer Bündnis für Lebensrecht und Menschenwürde«, das u.a. zusammen mit der antisemitischen, antidemokratischen Pius Bruderschaft den »Marsch für das Leben« in Saarbrücken organisiert.

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Schulbesuchstag 2018 des rheinland-pfälzischen Landtages. Veranstaltung im Otto-Schott-Gymnasium Mainz mit Johannes Klomann (SPD), Michael Frisch (AfD) und Daniel Köbler (GRÜNE)
Olaf Kosinsky / wikimedia CC BY-SA 3.0

Der »Flügel« schützt nicht
Frisch ist in seiner Aussage klar: »Der „Flügel“ spielt in RLP keine Rolle.« Tatsächlich haben es »Flügel«-Sympathisant*innen wie Christiane Christen und Jens Ahnemüller (MdL) schwer. Beiden wurden Kontakte zu Sascha Wagner, einem ehemaligen NPD-Mitglied, nachgesagt. Ahnemüller wurde daraufhin aus der AfD-Landtagsfraktion ausgeschlossen und ein Jahr später auch aus der Partei. Christiane Christen wurde nicht wieder in den Landesvorstand gewählt. Auch gegen sie läuft ein Parteiausschlussverfahren. Laut Stuttgarter Zeitung arbeitet sie aktuell für die Landtagsfraktion der AfD Baden-Württemberg.

Ebenfalls nicht mehr zur AfD-Landtagsfraktion gehört Gabriele Bublies-Leifert, der aufgrund zahlreicher Höcke-Bilder auf ihrer Homepage eine Nähe zum »Flügel« zugesprochen werden kann. Sie hatte Junge im Juli 2019 vorgeworfen, sich nicht deutlich genug von Ex-NPDlern abzugrenzen und seinen Rückzug vom Fraktionsvorsitz gefordert. Doch Bublies-Leifert verlor den Kampf mit dem damaligen Landesvorsitzenden und verließ noch im August die Fraktion.

Extrem rechts dominiert im Landesvorstand – auch ohne »Flügel«-Leute
Den »Appell der 100«, mit dem sich AfD-Mitglieder gegen den Personenkult um Björn Höcke stellten, unterzeichneten zwölf Mitglieder aus Rheinland-Pfalz, darunter acht (von 12) Landtagsabgeordnete. Einer davon ist Joachim Paul, dessen Positionierung gegenüber dem »Flügel« beispielhaft für die uneindeutige Haltung des Landesverbands angeführt werden kann. Er ist »Alter Herr« der »Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn«. Außerdem wurde Paul vorgeworfen, für die NPD-nahe Zeitschrift »Hier und Jetzt« geschrieben zu haben, was er nie überzeugend entkräften konnte. Obwohl er daraufhin seine Kandidatur als Landesvorsitzender zurückzog, wurde er beim Landesparteitag im November 2019 unter dem Jubel der Anwesenden zum Beisitzer in den Landesvorstand gewählt und zog zwei Wochen später in den Bundesvorstand ein – vorbei an Uwe Junge.

Joachim Paul ist innerhalb des Landesvorstands nur die Spitze des Eisbergs an Verstrickungen in die extrem rechte Szene . Insbesondere die vier Landesvorstand-Mitglieder aus den Reihen der »Jungen Alternative« (JA) weisen Kontakte zu diversen Gruppen auf.

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Sebastian Münzenmaier © Christian Ditsch

Darunter befindet sich der stellvertretende Bundesfraktionsvorsitzende Sebastian Münzenmaier,  der zum Landes-Co-Vorsitzenden gewählt wurde. Münzenmaier war 2018 wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung, aufgrund seiner Beteiligung an einem Angriff von Neonazi-Hooligans, verurteilt worden. Den anderen JA-Vorstandsmitgliedern sind Aktivitäten in der »Identitären Bewegung« (IB) nachzuweisen und sie wirken auch  an diversen Schreibprojekten der Neuen Rechten mit. So auch der bis Februar 2018 JA-Landesvorsitzende und mittlerweile JA-Bundesvorsitzende Damian Lohr, der sowohl im Umfeld der IB auftrat als auch Mitglied der rechten Burschenschaft »Germania Halle zu Mainz« ist.

Der Blick in die Kristallkugel
Bisher war das sich zum »Flügel« bekennende Personenpotential in RLP eher gering, dessen Anzahl laut Landes-Innenministerium im März 2020 im unteren zweistelligen Bereich liegt.

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Der Landesverband befindet sich aktuell an einem Scheideweg. Während Uwe Junge die Debatte rund um den »Flügel« sowie interne Konflikte häufig aus den Medien heraushalten konnte, bleibt abzuwarten, ob Michael Frisch dies ebenfalls gelingen wird. Die Einbindung führender AfD-Funktionär*innen mit Verbindungen zu anderen Gruppen der extremen Rechten zeigt, dass deren Mitwirken auch ohne »Flügel« in der Partei und im Landesverband möglich ist.