Keine Spaltung

von Andreas Speit
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020 - online only

#Taktik

Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen.

Antifa magazin der rechte rand
Was ist die richtige Richtung? @ Roland Geisheimer / attenzione



Vorschlag zurückgezogen
Keine vier Tage diskutierte die AfD über den „strategischen Denkansatz“ ihres Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen, aus einer Partei zwei Parteien werden zu lassen – eine vermeintlich sozial-nationale und eine angeblich rechts-liberale. Am 4. April 2020 erklärte Meuthen nun im Gespräch mit der neu-rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) die Diskussion für „beendet“. Im Milieu der JF dürfte der „Denkansatz“, den Meuthen im Interview mit „Tichys Einblick“ (TE) am 1. April 2020 (sic!) dargelegt hatte, erfreut wahrgenommen worden sein. Denn auch die JF um ihren Chef Dieter Stein sorgt sich schon lange, der Kurs der AfD-Strömung „Der Flügel“ des thüringischen Landtagsfraktions- und Landesparteivorsitzenden Björn Höcke radikalisiere die Partei zu sehr , so dass eine Beobachtung der Partei durch den Geheimdienst folgen könnte. Im Spektrum des neu-rechten „Instituts für Staatspolitik“ wurde die Aussage von Meuthen,  die AfD bestünde „nüchtern und emotionslos“ betrachtet aus zwei Lagern , durchaus weniger erfreut aufgenommen. Seine Überlegung, dass „die ordoliberalen Ansichten des bürgerlich-konservativen Teils der AfD noch bessere Ergebnisse im staatspaternalistisch geprägten Wählermilieu“ bringen würden – was „Der Flügel“ mit seinen „Sozialpatriotismus“ verhindere -, werden dort abgelehnt.

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Alter Streit
Die Fraktion um Meuthen ist allerdings schwächer als er selbst erwartet hatte. Aus der Partei erhielt der Bundesvorsitzende keine Unterstützung. Sein Co-Vorsitzender Tino Chupalla erklärte auf Twitter: „Die Einheit der AfD steht nicht zur Debatte.“ Und fügte hinzu, wer eine Diskussion über die Zukunft der Partei anstoßen wolle, sollte das in den „zuständigen Gremien“ tun. Er betonte,  mit dem Beschluss des Bundesvorstandes zur Auflösung des „Flügels“ sei das Ziel der Einheit der Partei eingeleitet worden. Auch die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch, die Meuthen mit seinen sozialen und wirtschaftlichen Vorstellungen von weniger Staat und mehr Selbstverantwortung nahesteht, schrieb auf Twitter: „Ich halte NICHTS von diesem Gedankenspiel.“ Und sie griff einen Kommentar des AfD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Lucassen auf: „Man kann nicht als Chef einer Partei mit solchen Thesen an die Öffentlichkeit gehen, die als Auflösung oder Spaltung verstanden werden können. Ein Parteichef muss integrativ sein.“
 
Aufruf zur Einheit
Die AfD-Fraktionsspitze im Bundestag – Alexander Gauland und Alice Weidel – veröffentlichte zusammen mit Chrupalla einen Aufruf zur Einheit der Partei: „Es gibt nur eine AfD! Die Auflösung des ‚Flu?gels‘ bedeutet die Rückkehr zur inneren Einheit der Partei.“ Gauland nannte Meuthens Idee zudem „wenig zielführend und extrem unpolitisch“. Die JF hatte Meuthen gefragt, ob er wegen des weitgehenden Scheiterns seiner Überlegung für einen Kompromiss in der Frage der Sozial- und Rentenpolitik nun die Trennung vorgeschlagen habe. Meuthen räumte allerdings lediglich den Fehler ein, er hätte „noch klarer“ machen müssen, dass es sich bei seiner Wortmeldung „um einen strategischen Denkansatz“ handele „und nicht um eine konkrete Forderung“. Er habe „wohl unterschätzt“, „dass oft nur die Schlagzeilen gelesen werden und dann vorschnell geurteilt“ werde.

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Forderung nach Rücktritt?
Ein Fehler, von dem vor allem einer profitiert – der von Meuthen gescholtene Höcke. In einem Videointerview sagte der Thüringer: „Ich bin mir sicher, dass diese Partei jeden verabschieden wird, der weiter versuchen wird, unsere AfD als letzte wirkliche Möglichkeit, dieses Land vom Kopf auf die Füße zu stellen, zu verzwergen.“ Dies sei aber keine Drohung gegen Meuthen. Sein Vertrauter, der Bundestagsabgeordnete Jürgen Pohl, wurde deutlicher: „Herr Meuthen hat sich mit seinen Aussagen politisch neu verortet – und zwar außerhalb dieser AfD.“
 
Eines hat Meuthen aber geschafft: In einzelnen Medien erscheint er wieder als ein vermeintlich Moderater in der Partei. Dass seine Forderungen einen radikalen Abbau des Sozialstaates bedeuten können, wird dagegen kaum thematisiert. Ignoriert wird auch, dass er den „Flügel“ nicht wegen seiner Positionen zur Einwanderungs- oder Geschichtspolitik außerhalb der AfD sieht – sondern vor allem aus taktischen Gründen zur Stimmenmaximierung.