Der rechte Marsch durch die Institutionen

von Cihan Balikçi
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182 - Januar / Februar 2020

#Soldaten

Extrem Rechte in Bundeswehr, Polizei und Co. sind keine Einzelfälle, sondern fester Bestandteil rechter Revolutions- und Putschpläne. In den vergangenen Jahren wurden vermehrt solche Fälle bekannt: der Bundeswehrsoldat Franco A., der laut Bundesanwaltschaft Mordanschläge auf Personen des öffentlichen Lebens und Sprengstoffanschläge plante; das durch die Entdeckung Franco A.s bekanntgewordene Netzwerk um den Verein »Uniter« und mit diesem mutmaßlich in Verbindung stehende »Prepper«-Chatgruppen, in denen sich (Elite-)Soldat*innen, Mitarbeiter*innen der Verfassungsschutzämter und Polizist*innen auf einen »Tag X« vorbereiteten; Netzwerke neonazistischer Polizist*innen in Bayern und Hessen und mit letzteren in Verbindung stehende Morddrohungen gegen die Anwältin Seda Basay-Yildiz, unterzeichnet mit »NSU 2.0«. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Regierende Politiker*innen und Polizeigewerkschaften verharmlosen diese Vorfälle als Einzelfälle. Erklärungsansätze, welche die Vorfälle nicht herunterspielen, reichen von der Feststellung einer allgemeinen Attraktivität von Berufen in der bewaffneten Exekutive für Rechte bis hin zu Theorien über eine strukturelle Faschisierung des Staates. Was dabei oft aus dem Blick gerät, ist, wie offen Rechte seit einigen Jahren um Staatsbedienstete in der Exekutive werben.

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Elsässers »Aufruf an unsere Soldaten«
Als im Herbst 2015 die damalige Bundesregierung entgegen den Stimmen aus dem rechten Lager, inklusive Teilen der eigenen Parteien, sich nicht dazu entschloss, die Grenzen widerrechtlich zu schließen, veröffentlichte Jürgen Elsässer einen »Aufruf an unsere Soldaten«: Hierin wendet er sich direkt an Bundeswehrsoldat*innen und appelliert an ihr Gelöbnis, der BRD zu dienen und »die Freiheit des deutschen Volkes« zu verteidigen. Merkels vermeintliche Grenz­öffnung sei Hochverrat und bedrohe die Existenz Deutschlands, malte Elsässer sein Untergangsszenario. Die Bundesregierung habe ihre Legitimität verloren, deshalb befinde sich Deutschland bereits im Notstand, so der Chefredakteur des »Compact«-Magazins. Daher appellierte Elsässer an die Bundeswehrsoldat*innen »selbst aktiv zu werden«. So forderte er sie auf, Befehle zu verweigern und alle Grenzübergänge und -bahnhöfe zu besetzen. Nur sie, die Soldat*innen, hätten die Macht, die von Merkel angeführte Zerstörung Deutschlands zu verhindern.
Neben dem offenen Aufruf zur Befehlsverweigerung durch Soldat*innen und zum Besetzen von Grenzen und Infrastruktur, wie es bei Militärputschen gehandhabt wird, inszeniert Elsässer sich auch gerne als Pate, der die mit einer Befehlsverweigerung einhergehenden möglichen Sanktionen abfangen kann: Nach dem tödlichen Messerangriff auf Daniel H. in Chemnitz im August 2018 und darauffolgenden wochenlangen Protesten und Hetzjagden durch Rechte, veröffentlichte der Justizangestellte Daniel Zabel die Namen der zwei Geflüchteten, die der Tat verdächtigt wurden. Die Namen wurden unter anderem von PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann und Jan Timmke, Abgeordneter der rechten »Bürger in Wut«-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft, veröffentlicht. Daraufhin verlor Zabel seine Stelle als Justizvollzugsbeamter in Dresden. Elsässer vermeldete daraufhin großspurig, diese Tat zu belohnen und bot Zabel an, ihm die besten Anwälte und als Ersatz für seine verlorene Lohnarbeitsstelle einen neuen Job zu vermitteln. Ebenso tat es der Landtagsabgeordnete der »Alternative für Deutschland« (AfD) Stefan Räpple. Ob es tatsächlich dazu gekommen ist oder ob es sich nur um ein großspuriges Versprechen Elsässers handelte, ist unklar. Im Folgenden gab Zabel der »Compact« jedoch ein längeres Interview und kandidierte erfolglos für die AfD bei den Wahlen zum Stadtrat in Dresden.

Höckes drei Fronten der »Volksopposition«
Auch der Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD und Sprecher des extrem rechten »Der Flügel«, Björn Höcke, betrachtet Teile von Militär, Polizei und Verwaltung als wichtigen Bestandteil in seinen rechten Revolutionsfantasien. In seinem 2018 veröffentlichten Gesprächsband »Nie zweimal in denselben Fluß« beschreibt er, wie die »politische Wende« gelingen solle. Die »Festung der Etablierten« müsse hierfür von drei Seiten in die Zange genommen werden: Auf der Ebene des Straßenprotestes (PEGIDA) sowie von der AfD als »parlamentarische(r) Stimme und Vertretung der Volksopposi­tion«. Wichtig für das Gelingen einer Wende sei aber noch eine dritte »Front«, bestehend aus »frustrierten Teilen des Staats- und Sicherheitsapparates«. An letztere appelliert er mit Bezug auf das Remonstrationsrecht, wie er es schon bei AfD-Aufmärschen in Erfurt 2015 getan hatte.
Das Remonstrationsrecht regelt, wann Staatsbedienstete Befehle verweigern dürfen. Sollten diese die Vermutung haben, Befehle verstießen gegen geltende Gesetze, sind die zwei nächsthöheren Instanzen zu kontaktieren. Sehen diese in dem ursprünglichen Befehl keinen Rechtsverstoß, ist der Weisung eigentlich Folge zu leisten, solange keine Straftat ersichtlich ist. Was Höcke jedoch mit seinem Aufruf an die dritte »Front« zur »politischen Wende« meint, scheint mit diesem juristisch verankerten Widerspruchsprinzip wenig zu tun zu haben. Ähnlich, wie wenn die AfD von Demokratie spricht, damit aber eigentlich einen »Volkswillen« meint, von dem sie allein ausmacht, worin er besteht, nutzt Höcke hier einen juristischen Begriff, um seinen Putschfantasien einen legalen Anstrich zu verleihen.
Auch Höckes Parteifreund und Oberstleutnant a. D., Uwe Junge, setzt seine Hoffnung in einen Militärputsch. So fragte er nach der Ernennung Annegret Kramp-Karrenbauers (CDU) zur Verteidigungsministerin auf Twitter: »Wann kommt endlich der Aufstand der Generäle?« und polterte gegen einen vermeintlichen »Kadavergehorsam« in der Armee. Später ruderte er nach öffentlichem Druck von dieser Aussage zurück und behauptete, mit »Aufstand« habe er lediglich »Widerspruch« gemeint.

Christchurch: Marsch durch die Institutionen von rechts
Am 15. März 2019 verübte ein 28-Jähriger Terroranschläge auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch und tötete dabei insgesamt 51 Menschen. Kurz zuvor veröffentlichte er im Internet ein »Manifest« unter dem Titel »The Great Replacement« (»Der große Austausch«), welches an das des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik erinnert. Hierin offenbart er seine rassistische und antisemitische Ideologie, die ihn zu dem Massenmord veranlasste. Um den vermeintlichen »großen Austausch« aufzuhalten spricht er sich dabei für einen »Marsch durch die Institutionen« von rechts aus. Der Marsch der Linken durch die Institutionen sei langsam und erfolgreich gewesen, die Rechten hätten weniger Zeit: Innerhalb von 25 Jahren müssten Rechte »politische, militärische, juristische, pädagogische und wirtschaftliche Institutionen« besetzen. Dabei gelte: Umso höher und einflussreicher der Posten, desto besser, schrieb der Massenmörder. Mit »Wenn die Zeit kommt, musst du bereit zum handeln sein« schließt er den Abschnitt und erinnert dabei unweigerlich an den von rechten »Preppern« propagierten »Tag X«.

Sezession: Trauer um die »alte Armee«
Einen etwas anderen Ton schlägt »Sezession« an, die sich als intellektuelles Theorieblatt der völkischen Rechten inszeniert. Hier wird nicht zur offenen Befehlsverweigerung aufgerufen oder offen über Putschpläne zur »politischen Wende« nachgedacht. Stattdessen überwiegt hier ein weinerlicher Tenor, in welchem der »alten Armee« nachgetrauert und eine stolze soldatische Kultur bedroht gesehen wird von Frauenquote, Gender-Mainstreaming und Diversity-Management. »Kameradschaft, Korpsgeist und Waffenstolz« müssten gegen diese Bedrohungen verteidigt werden, heißt es da. An anderer Stelle beklagt Verleger Götz Kubitschek die »Ausgrenzung« von rechten Soldat*innen nach dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Pläne Franco A.s und macht sich für diese stark: Sie seien Opfer von Denunziation gewesen und »ohne Lobby«. Rassistische Kreuzverbrennungen im Stil des »Ku-Klux-Klans« werden als »dumme Gedanken im Suff« verharmlost.
Der offene Aufruf zum Putsch fehlt hier zwar, mit der schmeichelnden Widmung an all jene, »die trotz allem und noch immer diesen einmaligen Beruf lieben und tapfer ihre Pflicht erfüllen«, wirbt »Sezession« aber nicht weniger um Soldat*innen als andere Teile der Rechten. Zugleich räumt sie seit vielen Jahren in Gastbeiträgen und Interviews ehemaligen Obersten und Generälen Platz ein, wie dem 2003 wegen antisemitischer Äußerungen entlassenem KSK-Kommandeur Reinhard Günzel, um über sein antimodernistisches Weltbild zu sinnieren. Damit versucht »Sezession«, sich als Medium jener Teile der Bundeswehr zu platzieren, in denen Wehrmacht und Kaiserarmee nachgetrauert wird und ein reaktionäres Weltbild vorherrscht.

Fruchtbarer Boden
Die Beispiele zeigen, dass die (extreme) Rechte davon ausgeht, dass Proteste auf den Straßen wie von PEGIDA und AfD in den Parlamenten nicht ausreichen, um eine »Wende« nach ihren Vorstellungen durchzuführen. Für die (gewalttätige) Umsetzung ihrer Pläne benötige sie einen radikalisierten Teil der bewaffneten Exekutive hinter sich, so die Annahme.
Die eingangs erwähnten Beispiele der letzten Jahre zeigen deutlich, auf welch fruchtbaren Boden Rechte mit ihrem Buhlen dabei stoßen. Inwiefern sich diese Teile von Polizei, Militär und Co. direkt von Aufrufen und der Werbung um sie beeinflussen lassen, ist schwer auszumachen. Im Falle Franco A.s lässt sich anhand seiner abgelehnten Masterarbeit klar erkennen, dass er »neurechte« Publika­tionen intensiv las. Ob er sich direkt von Elsässers »Aufruf an unsere Soldaten« von 2015 beeinflussen ließ, bleibt jedoch Spekulation. Die AfD-Mitgliedschaft einiger »Nordkreuz«-Mitglieder deutet aber darauf hin, dass der von Höcke beschworene Austausch des »mosaikartigen Widerstandsmillieus« untereinander Realität ist. Auch CDU-Mitglieder wie der jüngst aus der Partei ausgetretene Beisitzer im Kreisvorstand in Anhalt-Bitterfeld, Robert Möritz, nebst anderen ostdeutschen CDU-Parteikollegen bereiteten sich bei »Uniter« gemeinsam mit extrem Rechten auf den »Tag X« vor.